Burgpassage – ist der voreilige Abbruch wirklich klug?

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Foto: Hans Georg Dempewolf

Vor einem Jahr hat die Stadt die Burgpassage aus der Konkursmasse einer bankrotten Firma herausgekauft. Damit hat sie eine unerträgliche fünfjährige Hängepartie beendet und die Chance eröffnet, einen wichtigen Bereich der Innenstadt zum Nutzen der Bürger und im Sinne der Allgemeinheit zu gestalten. Allerdings scheint sie die Gestaltungsmöglichkeiten nun aber gleich wieder in ein enges Korsett zu zwängen, indem sie in ein Hotel und in Luxuswohnungen investiert und gleichzeitig die Durchgangsmöglichkeit für alle Bürger abschneidet. Luxuswohnungen für 25 oder 35 Eigentümer zum Preis zwischen 500.000 und 700.000 Euro dürften nicht unbedingt zur Belebung der Innenstadt beitragen; und das Hotel, das wie die Wohnungen nach Erstellung verkauft werden soll, bringt den Braunschweigern keinen direkten Vorteil; es ist auch fraglich, ob es bei der derzeitigen Auslastung der Braunschweiger Hotels überhaupt sinnvoll ist oder ob es die anderen Häuser nicht sogar kannibalisieren könnte.

Macht die Stadt damit einen ähnlichen Fehler wie beim Projekt der Konzerthalle im Jahre 2023?

Wir erinnern uns: nicht einmal fünf Wochen nach Bekanntgabe des Projektes einer Konzerthalle plus Musikschule in Viewegs Garten gegenüber dem Hauptbahnhof beschlossen damals SPD und Grüne im Rat, das Projekt umzusetzen, entgegen vielen Argumenten aus der Stadtgesellschaft, nicht zuletzt von Fachleuten; unter anderem waren die zu erwartenden Kosten ein wichtiges Argument. Anstatt alle Argumente und Ideen angemessen zu prüfen und ausführlich zu diskutieren, sollten rasch „Fakten geschaffen“ werden. Neun Monate später aber wurde abrupt umgeschwenkt: nun soll das Projekt im ehemaligen Karstadt-Einrichtungshaus realisiert werden (im Mai diesen Jahres werden die verschiedenen Wettbewerbs-Entwürfe vorgestellt). Natürlich spielte das großzügige Entgegenkommen des inzwischen verstorbenen Friedrich Knapp dabei eine wichtige Rolle, allerdings spielten viele Argumente, die vorher von Rotgrün für das ursprüngliche Projekt in Viewegs Garten und gegen eine Realisierung in der Innenstadt angeführt worden waren, plötzlich keine Rolle mehr.

Und im Fall der Burgpassage? Gab es eine ausführliche Diskussion um verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung der Passage? Wurden verschiedene Argumente öffentlich vorgetragen und gegeneinander abgewogen? Gab es eine Diskussion im Rat der Stadt, der schließlich von den Bürgern gewählt ist, um deren Interessen zu vertreten und für bestmögliche Lösungen zu sorgen? Die Antwort ist „Nein“! Auf Anfrage bei der Stadtkommunikation antwortet Adrian Foitzik, dass neben zwei Ausschüssen der Rat der Stadt am 11. November 2024 das Projekt „Stiftshöfe“ im Rahmen der Beschlussfassung zur „Erweiterung des Gymnasiums Kleine Burg“ – so wörtlich – „ausführlich beraten“ habe (an anderer Stelle heißt es, der Rat habe sich „intensiv“ mit dem Projekt befasst). Schaut man sich die Aufzeichnung der Ratssitzung an, stellt man allerdings fest, dass der Tagesordnungspunkt in ganzen 6 Minuten abgehandelt wurde (von 4:41:19 bis 4:47:50) und dass es sowieso nur um das Teilprojekt Kleine Burg ging, – also gerade nicht um das Gesamtprojekt. Entsprechend sprach nach dem Dezernenten Herlitschke nur Herr Mehmeti, der in 3 Minuten seine Begeisterung über die Geschwindigkeit ausdrückte, mit der das Projekt umgesetzt werde; Mehmeti äußerte übrigens bezeichnenderweise, dass das Projekt ja aus der Berichterstattung schon bekannt sei. Beratung? Fehlanzeige! Auf Nachfrage erklärt Herr Foitzik dann auch zutreffend:

„Die Konzeption wurde von den zuständigen Gremien der Gesellschaft beschlossen. Das ist üblich, eine unmittelbare Ratszuständigkeit für die Gesellschaften gibt es nicht,…“

Gemeint ist hier die Strukturförderung Braunschweig (SFB), eine hundertprozentige Tochter der Stadt. Die Stadtspitze hat also die Entscheidung der SFB übertragen, einer Tochter, die ohne die Stadt gar nicht handlungsfähig wäre; so stammt das Geld zum Ankauf des Grundstücks natürlich von der Stadt. Allerdings, so Foitzik, könne der Rat über sogenannte Anweisungsbeschlüsse eingreifen, wenn er das möchte. Es habe aber „keine Ratsdebatte über weitergehende Fragen, die sich offenbar nicht gestellt haben“ gegeben. Dabei hatte die Stadtspitze der SFB bereits vorgegeben, dass das Hotel ein wichtiges Grundelement der Planung sein müsse, dadurch waren alternative Entwicklungen weitgehend eingeschränkt. Mit rotgrüner Unterstützung überließ man nun also der SFB die weitere Entwicklung des Konzepts, der Rat war (und ist) nicht mehr unmittelbar zuständig. Das ist einigermaßen erstaunlich, da es doch um einen Plan geht, der für alle Bürger von erheblichem Interesse ist. Da wirkt es wenig beruhigend, wenn Foitzik schreibt, die SFB habe „alle Fragen, Ideen und Anregungen..behandelt“. Hätte die SFB denn die Vorgabe noch ändern können? Konnte die SFB Kritik und Anregungen von verschiedenen Fachleuten wie dem Architekten Drewitz (wir kommen weiter unten auf ihn zu sprechen) wirklich noch ohne Einschränkung einbeziehen? Oder von anderen Architekten und Fachleuten, die in Braunschweig ja nicht gerade rar sind? Und wie sah es aus mit Ideen, Kritik und Anregungen von Bürgern? Lapidare Antwort der Stadtkommunikation:

„Eine Bürgerbeteiligung zu Projekten städtischer Gesellschaften oder zur Errichtung von Schulen gibt es in der Regel nicht.“

Genau das ist der kritische Punkt! Dem entsprechend sollte es in der Auftaktveranstaltung im Februar dieses Jahres bei der Diskussion nur noch um das „wie“ (wie das Konzept nun umgesetzt werden kann) und nicht mehr um das „ob“ (ob das Konzept überhaupt das richtige ist) gehen. Halten wir fest: von vornherein sind die Weichen im Sinne des nun vorliegenden Konzeptes gestellt worden.

Der Architekt Michael Drewitz hält die Neubaupläne aus verschiedenen Gründen für unvernünftig, er befürchtet, dass wir uns dadurch „unsere Zukunft verbauen“. Nicht zuletzt sieht er ein gewaltiges finanzielles Risiko auf die Stadt zukommen. Drewitz war an der Planung der Burgpassage in den achtziger Jahren selbst beteiligt, er ist renommierter Architekt und hat eindrucksvolle Leistungen vorzuweisen. Er spricht sich für einen Umbau der Passage aus, ist dabei aber weit davon entfernt, nur zu klagen oder gar zu meckern. Vielmehr hat er selber Pläne für einen Umbau ausgearbeitet und Visualisierungen dazu vorgelegt; er hat seine Alternative sogar durchgerechnet und damit auch eine finanzielle Alternative zum recht kühnen Finanzplan der Stadt skizziert. Die Stadtverwaltung kenne seine Pläne inzwischen, sagt er, sie zeige aber keine „Gegenliebe“. Deshalb hat Drewitz nun alle Mitglieder des Stadtrats angeschrieben, um zumindest die Bereitschaft zur Überprüfung des Konzeptes der Stadtverwaltung und der SFB zu erreichen (Braunschweiger Zeitung, 29.3.25).

Der Abriss der Passage nach Ostern würde vollendete Tatsachen schaffen – und ein Umsteuern unmöglich machen

Allerdings: nach Ostern soll mit dem Abriss der Passage begonnen werden. Nach diesem Abriss wären alle Alternativen tot. Die rotgrüne Mehrheit des Rates mag denken, das Prinzip „Augen zu und durch“ sei notwendig, um Handlungsfähigkeit zu beweisen und Verzögerungen zu verhindern. Die Vertreter der anderen Fraktionen mögen denken, sie können ja doch nichts mehr ändern. Wem allerdings eine gemeinwohlorientierte Entwicklung der Stadt am Herzen liegt, der (bzw. die) muss sich noch einmal mit den Plänen beschäftigen, auch wenn es unangenehm ist und Arbeit und (produktiven) Streit bedeutet. Und immerhin kann der Rat ja grundsätzlich durch einen Anweisungsbeschluss noch eingreifen. Unsere Stadt und ihre Bürger hätten es verdient. Und das Beispiel des Umschwenkens in Sachen Konzerthaus zeigt, dass Schnellschüsse in Sachen Stadtentwicklung nicht immer zielführend sind.

Im Folgenden ein kurzer Überblick über die von Herrn Drewitz ausgearbeiteten alternativen Möglichkeiten (Drewitz geht u. a. davon aus, dass auch für die (notwendige) Erweiterung der Schule ein bestehendes Gebäude genutzt werden kann, was verschiedene Vorteile hätte):

Flugblatt

Grundrisse

Flächenzusammenstellung

Finanzierung

1 Kommentar

  1. Die Stadt Braunschweig hat eine einmalige Gelegenheit zur sinnvollen Stadtentwicklung – doch es scheint, als würde sie diese mit einem übereilten Abriss der Burgpassage verspielen. Warum wird hier nicht breiter diskutiert und nach nachhaltigen Lösungen gesucht? Ein Hotel und Luxuswohnungen klingen nach wirtschaftlichem Nutzen, aber bringen sie der Stadtgesellschaft wirklich langfristige Vorteile?
    Die Kritik von Michael Drewitz zeigt, dass es durchaus realistische Alternativen gibt. Warum wird nicht zumindest geprüft, ob ein Umbau eine bessere Option wäre? Ein Projekt dieser Tragweite sollte nicht ohne umfassende Bürgerbeteiligung und eine fundierte Abwägung aller Argumente durchgepeitscht werden. Die Stadt sollte aus der Vergangenheit lernen – Schnellschüsse in der Stadtentwicklung führen selten zu den besten Ergebnissen.

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