Aufhebung des Ladenschlussgesetzes für ECE: Gegen Arbeitnehmerinteressen

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Mit vordergründigem Widerwillen diskutierten im Wirtschaftsausschuss die Mitglieder der Mehrheitsfraktionen und der SPD für eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten für die Geschäfte des ECE-Einkaufscenters während dreier Tage bis um 24 Uhr.

Sah die Verwaltungsvorlage ursprünglich lediglich eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten für Donnerstag, den 29. März 2007, dem Tag der Eröffnung des ECE-Centers, vor, so wollte die CDU-Fraktion eine zusätzliche Verlängerung auch für die beiden Folgetage.

Schon die Verwaltungsvorlage (11058/07) ließ die rechtliche Umstrittenheit der Herstellung eines dringenden öffentlichen Interesses für die Ausnahmegenehmigung zum 29. März 2007 erkennen. Gänzlich hahnebüchen wird jedoch die „Fiktion“ eines dringenden öffentlichen Interesses für die Tage vom 29. bis zum 31. März 2007.

Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass Ausnahmen von der gesetzlichen Regel der Ladenschließzeiten nach 20 Uhr nur bei Vorliegen eines dringenden öffentlichen Interesses gemacht werden dürfen (BVerwG, Urt. v. 15.5.1974 – 1 C 44.72):

Eine Ausnahmebewilligung kommt auch nicht schon dann in Betracht, wenn die Durchführung des gesetzlichen Verbots zu einer vom Gesetz unbeabsichtigten Härte für den Inhaber einer Verkaufsstelle führt oder sonst nach Lage des einzelnen Falles unbillig ist. Die Bewilligung einer Ausnahme ist nicht einmal für den Fall vorgesehen, dass im Einzelfall der beantragten Abweichung von der Regelvorschrift keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Es müssen vielmehr Gründe des Allgemeinwohls vorliegen, die von der gesetzlichen Regel vorübergehend abweichende Ladenschlusszeiten erfordern. Die damit weitgehend eingeschränkte Dispensationsermächtigung (… des Ladenschlussgesetzes, Anm. d. Verf.), über deren Zweckmäßigkeit die Gerichte nicht zu befinden haben, wird noch dadurch betont, dass die Ausnahme im öffentlichen Interesse dringend nötig sein muss. Damit sollte es den Verwaltungsbehörden unmöglich gemacht werden, ‚durch uferlose Bewilligung von Ausnahmen das Gesetz um seine Wirkung zu bringen‘ (BR-Drucks. Nr. 310/54, Begründung S. 39). Da § 23 Abs. 1 LadschlG allein auf das Interesse der Allgemeinheit an einer von der Regelvorschrift abweichenden Öffnungszeit einzelner Verkaufsstellen abstellt, ist das privatwirtschaftliche Interesse des Inhabers der Verkaufsstelle an einer abweichenden Festsetzung der Ladenschlusszeiten unbeachtlich […].“

Verwaltung und CDU fingieren in Ihren Vorlagen zur Umgehung des Ladenschlussgesetzes ein dringendes öffentliches Interesse mit dem zu erwartenden Besucherandrang und wollen durch verlängerte Öffnungszeiten hier für eine Entlastung sorgen. Sicherlich könnte diese Maßnahme hier Linderung schaffen – nur verstößt diese Maßnahme eindeutig gegen die Regelung des Ladenschlussgesetzes, wie das Bundesverwaltungsgericht 1980 festgestellt hat (BVerwG, Urt. v. 5.2.1980 – 1 C 43.77):

„Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 15.5.1974 – BVerwG 1 C 44.72 – befunden hat, ist für die Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 LadschlG das privatwirtschaftliche Interesse des Verkaufsstelleninhabers ebenso unbeachtlich wie der Umstand, dass eine größere Anzahl von Verbrauchern in seiner Verkaufsstelle zu einer Zeit einkaufen will oder nur zu einer Zeit einkaufen kann, zu der die Verkaufsstelle für den geschäftlichen Verkehr mit den Kunden geschlossen sein muss.“

In Zeiten moderner Verkehrsleitsysteme wären andere Lösungen zur Behebung des erwarteten Verkehrsproblems möglich (u.a. Park and Ride Service); Lösungen, die nicht in die Schutzvorschriften für Arbeitnehmer eingreifen.

Auf wessen Kosten und zu welchen Gunsten hier Ausnahmegenehmigungen erteilt werden wird auch aus folgenden Sachverhalten deutlich:

Mit betroffenen Arbeitnehmervertretern aus Geschäften der Schloss-Arkaden habe man nicht sprechen können, da dort noch keine Geschäfte existierten, wurde im Wirtschaftsausschuss festgestellt. Hier wird deutlich, wie sich Teile des Wirtschaftsausschusses verstehen; nämlich nicht als interessenausgleichendes Gremium für alle Bürger in Braunschweig, sondern als Vertreter der interessierten Wirtschaft. Dies wurde sogar freimütig von Ausschussmitgliedern in Reihen der CDU bekannt. Gerade von einem demokratisch legitimierten Gremium ist eine Vertretung der Interessen aller zu fordern. Der Vertreter der FDP erklärte sich zum Homo Oeconomicus, offensichtlich unwissend ob der modellhaften Grundlage dieses Fachbegriffes der Betriebswirtschaftslehre.

Von Seiten der CDU wurde die Auffassung vertreten, man habe in der Vergangenheit weit geringere Anlässe für eine Ausnahmegenehmigung gelten lassen (Zitat: „ … an den Haaren herbeigezogen …“) als die Eröffnung der überregional bedeutsamen Schloss-Arkaden. Und genau diese Argumentation belegt, welche Interessen im Zweifel ausschlaggebend sind und mit welchen Mitteln hier Arbeitnehmerrechte zu Gunsten der Wirtschaft eingeschränkt werden. Hier muss sich die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fragen lassen, wie sie in der Vergangenheit damit umgegangen ist und wie ihr Vertreter im Wirtschaftsausschuss zu den aktuellen Anträgen steht.

Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass sogar der Hinweis auf veränderte Rechtsvorschriften ab dem 1. April 2007 als Gegenargument für zu bewahrende Arbeitnehmerinteressen zu gelten hätten. Man finde es komisch, dass ab dem 1. April 2007 der Schutz der Arbeitnehmerrechte nicht mehr gilt und warum dieser dann überhaupt noch Ende März gelten solle.

Abschließend sei noch auf den Versprecher des Ersten Stadtrates zum Ende der Sitzung des Wirtschaftsausschusses hingewiesen, der den Antrag der CDU dem Kaufhausbetreiber ECE zuschrieb; den Erweiterungsantrag als „Antrag von ECE“ bezeichnete. Einem Ersten Stadtrat sollte eingängig sein, dass in einem Ausschuss lediglich demokratisch legitimierte Mitglieder Anträge stellen dürfen und keine Konzerne.

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