Onkel Kurt

0

Onkel Kurt war in der SA. Als am 9.Oktober 1938 die Baune Horde über jüdische Mitbürger, ihre Geschäfte und Wohnungen herfiel, gab es einige Angehörige dieser Horde, die nicht mitmachten. Onkel Kurt: “ Da habe ich nicht mitgmacht.“

Dann, als alles kaputtgeschlagen war, ging er aber doch hin zu seinen Kameraden. Und was musste er sehen? Nicht Mord und Totschlag, nicht Demütigung und demolierte Wohnungen sah er, nicht die Trümmer des Rechts. Er sah, dass aus den Geschäften die Waren herausgerissen und auf die Straßen geworfen waren. Sofort erwachte der “ Widerstandskämpfer “ gegen den Naziterror in ihm: “ Ich rief meinen Kameraden zu: Hättet ihr die Sachen nicht lieber den Armen geben können?!“
Meine Großmutter dagegen war nicht in der SA und lieh Frau Lewin, der lieben Freundin, ihren Ausweis, als sie nach Berlin flüchtete. Sie glaubte, dort sicherer zu sein. Meine Großmutter, Bertha Boeffel, geborene Kowalewski, und Frau Lewin sollen sich sehr ähnlich gewesen sein. Der Ausweis kam per anonymer Post zurück. Von Frau Lewin hat man nichts mehr gehört.
Auch die Wohnung des Arztes Dr. Katzenstein wurde am 9. Oktober verwüstet. Ihm gelang die Flucht in die USA. Es ist die Wohnung, in der dann die weniger klugen, vermögenden vom Glück begünstigten jüdischen Mitbürger ‚konzentriert‘ wurden, damit andere Braunschweiger Bürger sich die Habseligkeiten aneignen konnten, die sie in den Wohnungen vorfanden, aus denen die Juden vertrieben worden waren. Die brauchten ihre Sachen nicht mehr, denn keiner kam aus Auschwitz zurück. Nur noch ihre Geister – vielleicht – schweben gelegentlich um die Ferdinandsraße 9 und gelegentlich kommen Schüler und Studenten vorbei, die das ‚Judenhaus‘ begucken. Sie haben die Information aus Büchern. Das Haus selbst ist unauffällig, ohne Gedenktafel.

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.