Offener Brief über das Programmheft der Propstei Advents- Weihnachtszeit

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Von Dietrich Küssner, Pastor i.R.

Geehrte kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!

Am  9. Dezember, fand ich im Briefkasten eine Broschüre  „Programm Advents- und Weihnachtszeit“ von der Propstei Braunschweig  mit Liedtexten und Vorschlägen zur Gestaltung von Hausandachten von Propst Dedekind,  Pfrin Johanna Klee, Heike Kiekhöfel und Nicole Klabunde.

Hausandachten finde ich sehr wichtig und habe sie in meiner Gemeinde selber oft gemeinsam eine Zeit lang gefeiert. Meistens bei alt gewordenen, kirchentreuen Flüchtlingsfrauen. Ob die vier Verantwortlichen in irgendeiner Kirchengemeinde der Stadt Braunschweig Hausbesuche und daraus sich entwickelte Hausgottesdienste selber gelegentlich oder wiederholt  gefeiert haben? In der hier geschilderten Art? Mit ein, zwei oder drei Leuten. Für wen sind diese Andachten konzipiert? Es gibt in dem vollständig  durchsäkularisierten Braunschweig  möglicherweise  irgendwo Menschen mit Erinnerungen an Adventszeiten,  bei denen die abgedruckten Lieder gesungen oder gehört wurden. Dem heutigen, durchschnittlichen, kirchenfremden Braunschweiger sind sie schlicht unverständlich. Keines der Lieder eignet sich für einen Einstieg in die Adventszeit, selbst geläufige wie „Macht hoch die Tür“ mit den monarchischen, einer Märchenwelt entliehenen Bildern bleibt fremd. Wer versteht die Legende vom „Dornwald“? Zu welcher Familie gehört die  „Tochter Zion“? „O Heiland aus der Erden spring“ ist schon für geübte Kirchengänger eine kaum zugängliche Symbolik. Auch der unkommentierte Abdruck der Weihnachtsgeschichte ist lediglich ein Rest volkskirchlicher Vergangenheit. Der Braunschweiger Ernst August Roloff beschwerte sich bei mir, er ginge Weihnachten nicht in die Kirche, weil die Pastöre die Weihnachtsgeschichte als historische Begebenheit predigten.

Die vier VerfasserInnen spüren selber den  drastischen Traditionsabbruch in der Kirche und wollen die Botschaft  der Adventszeit nun möglichst „einfach“ vorbringen. Die Schwelle  dazu soll niedrig sein, deshalb auf dem Sofa stattfinden, aber dem Hausbewohner werden allerlei äußere Vorbereitungen zugemutet (Kranz, Kerzen, Tee, Apfelsinen, Anis, Zimt, Herrnhuter Stern). Es sind offenbar Erinnerungsstücke aus der Biografie der Verfassserinnen. Dahin zurück?  Auch die Sprache  ist niedrigschwellig gedacht. „Gott, ich bin hier, und du bist hier, (auf dem Sofa ?), ich bete zu Dir.“ Das ist weniger als niedrigschwellig. Das ist infantil. Da wird die Hausgemeinde in eine Kinderstube versetzt, die Rede am 2. Advent versetzt die Teilnehmer mit wiederholten unverständlichen. ekstatischen Hosiannarufen in Entzücken (weil „der Herr“ kommt) oder in Schrecken, weil sie unerwartet sind. Das ist für den aufgeklärten Braunschweiger ein unzumutbarer Infantilismus. Die Texte erinnern mich an US-amerikanische evangelikale Riten mit ihrer Flucht vor der Wirklichkeit und ihrer Banaltheologie.  Davon bekomme ich eine Leseprobe auf S. 23: „Christus ist  Mensch geworden.“ Da fehlen Grundkenntnisse. Infantilismus ist schon gegenüber Kindern hochproblematisch, im Erwachsenenalter ist es krankhaft und muß behandelt werden. Ich lebe hier unter einem Dach mit 12 weiteren Familien mit und ohne Kinder, wenige im Rentenalter, fast alle berufstätig,  so um die 50 Jahre, also in der meist kirchendistanzierten  Phase des Lebens. Wir kennen uns seit Jahren gut. Ich hoffe nicht, dass die Broschüre in diese Haushaltungen kommt.

Mit freundlichem Gruß Dietrich Kuessner

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