Minister Sander und die Grenzwerte

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Der im Verlauf seiner 5-Tage-Sommertour durch Niedersachsen gemütlich auf einem Baumstumpf rastende Troll mag dem flüchtigen Leser der Braunschweiger Zeitung ein „ach wie idyllisch“ entlockt haben. Tatsächlich handelte es sich dabei jedoch um den Nds. Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), den Minister mit Hang zur Kettensäge. Sander’s Selbsteinschätzung: „Ich bin ein echter Grüner„.

Wie kommt der Mann dazu? Hatte ihm doch der NABU Niedersachsen erst vor kurzem die Schirmherrschaft über die Jubiläumsradtour anlässlich des 60. Geburtstags des Umweltverbandes entzogen. Sander, der die Kritik von Umweltverbänden nicht ernst nehme, habe „Türen und Ohren gegenüber dem ehrenamtlich tätigen Naturschutz im ganzen Land und vor Ort verschlossen“, sagte NABU-Landesvorsitzender Hans-Jörg Helm zur Begründung. Sander (FDP) äußerte darauf, dass er die Kritik von Umweltverbänden nicht ernst nehme. Berater seien für ihn vielmehr die Wirtschaft, Landwirtschaft und die Industrie.

Quasi als Beweis, dass er die Kritik von Umweltverbänden nicht ernst nimmt, lässt Sander in der Pressemitteilung 42/2008 seines Ministeriums beispielsweise zur Gefährdung durch Mobilfunk verlauten, dass „sämtliche Messungen in Niedersachsen aus den Jahren 2005, 2006 und 2007 zeigen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Mobilfunkfeldern und eventuellen gesundheitlichen Beschwerden beziehungsweise Schlafstörungen der Anwohner gibt“. Und weiter: „Alle Messungen in den Jahren 2005 bis 2007 ergaben, dass nur ein Prozent des gesetzlichen Grenzwerts erreicht wurde“, erläuterte Umweltminister Hans-Heinrich Sander weiter.

Erstes Unbehagen regt sich, wenn man erfährt, dass sich nach einer im Dezember 2004 geschlossenen übereinkunft ausgerechnet T-Mobile bereit erklärt hatte, das Land Niedersachsen bei der Beschaffung von EMF-Messgeräten finanziell zu unterstützen. Stärkeres Unbehagen beschleicht Bürgerinnen und Bürger angesichts der Tatsache, dass in der Schweiz 10-fach geringere Grenzwerte gelten als bei uns. Warum wohl? Und richtig unwohl wird einem, wenn man sich daran erinnert, dass bereits 1997 Prof. Dr.-Ing. Günter Käs von Bundeswehr-Universität Neubiberg erklärt hatte: „Die Grenzwerte in Deutschland sind reichlich hoch. In Russland werden in der Medizin gepulste Mikrowellen zu Therapiezwecken eingesetzt, die nachweislich wirken; diese liegen beim 10.000stel der deutschen Grenzwerte.“

Sander nimmt nach eigener Aussage die Kritik von Umweltverbänden nicht ernst. Offenbar auch dann nicht, wenn nach Aussage seines eigenen Ministeriums die Lauge im Bergwerk Asse mit Cäsium 137 belastet sei, mittlerweile sogar bis zum 9-fachen des erlaubten Grenzwertes. Dazu die Einschätzung der Abgeordneten Petra Emmerich-Kopatsch: „Der Atomfreund Sander ist ein Hochsicherheitsrisiko„. Und selbst Bundesumweltminister Gabriel meint: „Das Landesamt für Bergbau und Geologie in Niedersachsen hat nach den bislang vorliegenden Informationen gegen geltendes Strahlenschutzrecht verstoßen„.

Laut Helmholtz-Zentrum in München, das das Versuchsendlager betreibt, wurde in 750 Metern Tiefe, wo große Mengen Atommülls lagern, mit Cäsium 137 radioaktiv belastete Flüssigkeit nachgewiesen. Umweltminister Sander lässt daraufhin seinen Umweltstaatssekretär Stefan Birkner (FDP) erklären: „Die zulässigen Grenzwerte von 10.000 Becquerel pro Kilogramm werden zum Teil um das Achtfache überschritten“, um dann gleich zu ergänzen „Für Mensch und Umwelt besteht jedoch keine Gefahr.“ (Braunschweiger Zeitung, Seite 11 vom 18. Juni 2008). Na bravo. Wenn denn keine Gefahr besteht, warum dann die ganze Aufregung und der Aktionismus?

Grenzwerte werden nun einmal von Menschen gemacht und so interpretiert, so wie es ihrer jeweils eigenen Interessenlage entspricht. Umweltminister Sander: „Obwohl der Schutz der Umwelt in den vergangenen Jahrzehnten viele Erfolge erzielt hat, hat die Umweltpolitik aufgrund einer falschen Ausrichtung in den vergangenen Jahren erheblich an Akzeptanz bei den Menschen eingebüßt. Lebensfremde Verzichts- und Verbotsideologien und die kompromisslose Durchsetzung von Interessen des Umweltschutzes haben dazu geführt. Dabei wurden nicht nur einmal Arbeitsplätze aufs Spiel gesetzt. Mit der Regelungsdichte des Umweltrechts sind wir inzwischen weit über das Ziel hinausgeschossen. Bürger und Unternehmen empfinden Umweltrecht zunehmend als Gängelei, Investitionshemmnis und Kostentreiber.“

Glaubten nun Verwaltungsmitarbeiter, in ihrem Bereich wenigstens die schlimmsten Auswirkungen der Sander’schen Umweltpolitik durch engagierte Arbeit zumindest dämpfen zu können, wurden sie bitter enttäuscht. Bei einer Versammlung des Bayerischen Bauernverbandes hatte Umweltminister Sander die Vorzüge der Verwaltungsreform in Niedersachsen gelobt und gesagt: „Weniger Leute in der Verwaltung – weniger dummes Zeug.“ (Braunschweiger Zeitung, 4. Juli 2008, Niedersachsen, Seite 5). Na dann frischauf, liebe VerwaltungsmitarbeiterInnen!

Bei so vielen Grenzwerten müsste der Minister doch endlich auch einmal seine eigene Grenzwertigkeit begreifen. Auf den 78 Seiten ihres Programms zur Landtagswahl 2008 mit dem Titel „Richtiges fortsetzen“ führt seine – oder vielleicht auch nicht mehr – FDP insgesamt 54 mal den Umweltbegriff an. Sander scheint dies jedoch vollkommen entgangen zu sein.

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