Menschenwürdiges Sterben

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Dr. Helmut Kramer bei der Verleihung des Fritz Bauer-Preises. Eine Ehrung durch die Humanistische Union

Es gibt Situationen, in denen man in Trauer und Wut seinem Herzen Luft machen möchte.

Im Dezember 2018 hatte ich in www.Braunschweig-Spiegel.de einen Aufsatz zum Problem der Sterbehilfe veröffentlicht (Sterbehilfe – Was Bundesminister Jens Spahn und sein bestellter Gutachter Udo Di Fabio aus dem Problem machen. Als hätte es schon damals in der Luft gelegen, hat es jetzt in meinem engsten Freundes-kreis ein Beispiel dafür gegeben, was passieren kann, wenn manche Ärzte, Journa-listen und Juristen es verweigern, eine ernsthafte Diskussion über die Zulässigkeit und Grenzen der Leistung solcher Hilfe am Lebensende zuzulassen.

Der Fall: Bei einem guten Freund, dessen Namen ich natürlich nicht nennen will, war ein bösartiger Gehirntumor festgestellt worden. In einem komplizierten Eingriff in das Gehirn-gewebe hatten die auf solche minimalinvasiven Methoden spezialisierten Ärzte in Düsseldorf versucht, den Tumor zu entfernen. Anfangs schien alles gut zu gehen. Entgegen der Befürch-tung der Ärzte, dass er dann nicht mehr sprechen könne, konnte er sogar wieder telefo-nieren und begonnene Veröffentlichungen abschließen. Bei den regelmäßigen Nachunter-suchungen stellte sich dann heraus, dass das befallene Gewebe sich langsam aber sicher ausbreitete. Dies mit der Folge rasender Kopfschmerzen usw. und mit einer – auch das ist hier wichtig! – allmählichen Eintrübung des Denkvermögens. Inzwischen ist er nicht nur physisch, sondern auch geistig ein Krüppel. Wer möchte in einer solchen Lage nicht am liebsten sterben?! Früher, lange bevor die geschilderte Erkrankung eintrat, hatten wir mitein-ander schon einmal über das Problem der Sterbehilfe und die Möglichkeit eine Fahrt in die Schweiz oder die Niederlande (mit den dort geltenden humaneren gesetzlichen Regeln) gesprochen. Jetzt ist es aber zu spät. Mangels vorhandener Geschäftsfähigkeit wäre eine Zustimmung, selbst wenn mein Freund persönlich einwilligen würde, unbeachtlich. In seiner Patientenverfügung hatte er für den Fall dauernder Bewusstlosigkeit die Anwendung lebens-verlängernder Maßnahmen ausgeschlossen. Hoffentlich hilft das weiter.

Auf die Situation vieler nicht nur Lebensmüder, sondern unter einer unheilbaren Erkrankung schwer leidender Patienten bezogen, tragen leider auch die Politiker und Journalisten eine Mitschuld, mit ihrer manipulativen Begünstigung des Unwissens. Immer wieder rücken sie jede Sterbehilfe sogar in die Nähe der NS-Euthanasie.

Zu Journalisten: Der im Rahmen der Diskussion einflussreiche Rechtsexperte der Süd-deutschen Zeitung Wolfgang Janisch, hat die einzige juristische Möglichkeit diskreditiert, um das Problem vor Gericht zu bringen (eine Entscheidung über die dem Bundesverfassungs-gericht seit Jahren vorliegenden Verfassungsbeschwerden soll erst in den nächsten Monaten ergehen):

Hier der Fall: Fünf Jahre lang wurde der alte Herr S. über eine Magensonde ernährt und am Ende war von ihm fast nichts mehr übrig. Er litt an fortgeschrittener Demenz, war bewe-gungsunfähig, konnte überhaupt nicht mehr kommunizieren. In den letzten Jahren plagten ihn überdies Entzündungen der Lunge und der Gallenblase. Verursacht wurde diese Situation nur dadurch, dass die behandelnden Ärzte immer wieder restlos alle Möglichkeiten zur Lebensverlängerung nutzten. Persönlich geschäftsunfähig, konnte Herr S. die Sache natürlich nicht vor Gericht bringen. An seiner Stelle hat das sein Sohn versucht. Juristisch ging dies nur mit der Geltendmachung eines Schmerzensgeldes, wobei es ihm auf dessen Höhe überhaupt nicht ankam, sondern allein darum ging, das schwerwiegende Fehlverhalten seines Arztes festzustellen. Die vernünftigen Richter des Oberlandesgerichts München gaben ihm Recht. Das Verschulden des Hausarztes sahen sie darin, dass er dem Betreuer des Mannes nicht dazu geraten habe, die künstliche Ernährung abzubrechen. Damit hatte er ohne eine medizinische Indikation das Leiden verlängert.

In der Rechtsmittelinstanz war dann der Bundesgerichtshof mit dem Fall befasst.

Da schaltete sich Wolfgang Janisch in die Diskussion ein: Schon der Unterton seines Artikels in der SZ vom 13.03.2019 war demagogisch: „Therapieziel Tod“.

Ob der demagogische Kommentar von Wolfgang Janisch dazu beigetragen hat oder nicht: Auf die Revision des Hausarztes hat der Bundesgerichtshof die Klage des Sohnes abgewiesen. Mit ungefähr denselben Worten wie die von Wolfgang Janisch: „Der leidvolle Lebensrest darf nicht zum ‚Schaden‘ werden, der finanziell kompensierbar ist“. Übrigens gehört es zum Argumentationsarsenal der Verschleierungssprache von Juristen und Journalisten, dass sie von dem zur Debatte stehenden Problem durch eine Begriffs- und Problemvertauschung ablenken.

In einer Mail an Wolfang Janisch habe ich ihn gefragt, wie man in solchen Fällen anders als durch eine Schmerzensgeldklage die gerichtliche Feststellung evidenten ärztlichen Versagens herbeiführen kann. Anstelle einer sachlichen Antwort hielt er mir vor, mit meiner Kritik hätte ich mich unter mein Niveau begeben (auf Deutsch: hätte ich unter die Gürtellinie gegriffen).

Meine Trauer über den ärztlichen Umgang mit meinem Freund ist umso größer, weil er immer ein Vorbild von mir war. Juristisch, als mutiger Richter in einem höheren Amt, der ggf. auch gegen den Strom schwamm und als Mensch, war er mir weit überlegen.

Ich rufe in der Frage der Sterbehilfe alle humanen und nicht doktrinär denkenden Bürger dazu auf, entgegen der Phalanx politisch oder ideologisch festgelegter Meinungsmacher ein deut-liches Zeiten zu setzen. Das kann dadurch geschehen, dass man der Humanistischen Union oder der Gesellschaft Humanes Sterben beitritt.

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