Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Braunschweig

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Die BIBS-Fraktion nimmt zu den Fragen wie folgt Stellung:

Auch wenn ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Braunschweig bis 2025 nicht in Abrede gestellt werden soll, sind Prognosen immer mit äußerster Vorsicht zu genießen und im Prinzip nur im Nachhinein zu verifizieren und somit als Handlungsgrundlagen nur eingeschränkt verwendbar – ein Beispiel: Dieselbe GEWOS-Studie, die noch 2007 für Braunschweig einen Rückgang des Wohnungsbedarfs von 7000 bis 2015 und von 10000 Wohnungen bis prognostiziert hatte, sagte dann 2013 einen Wohnungsmangel in etwa der gleichen Größenordnung voraus. Insofern ist auch die in einer Antwort der Landesregierung zitierte Studie der NBank, die ein AfD-Landtagsabgeordneter auf Anfrage erhielt, mit Vorsicht zu genießen.

Noch in diesem Jahr wird für Braunschweig eine aktualisierte GEWOS-Studie erwartet. Dann wird man weitersehen. Der Rat der Stadt wird anschließend das Wohnraumversorgungs- und Handlungskonzept für bezahlbaren Wohnraum fortschreiben. In der Ratssitzung vom 21.5.2019 ist zudem auf Initiative der BIBS-Fraktion beschlossen worden, dass das Braunschweiger „Bündnis für Wohnen“, in dem Politik und Wohnbaugesellschaften an einem Tisch sitzen, wiederbelebt wird. Das ist ein guter Ort, um die Zahlen differenziert zu betrachten und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Nach Aussagen der Stadt wird das Planungsziel „Bau von 5000 Wohnungen bis 2020“ eingehalten, wenn nicht sogar übertroffen werden. Weitere, z.T. größere Gebiete mit Wohnungsbau sind in vorbreitender Planung (z.B. Bahnstadt mit allein ca. 700 Wohneinheiten, Ottenroder Straße etc.). Insofern ist die Stadt hier auf einem guten Weg.

Dennoch wird darüber hinaus vor allem bezahlbarer Wohnraum bereitgestellt werden müssen.

Die von der BIBS-Fraktion dazu vorgeschlagenen Maßnahmen sind:

  • Erhebliche Intensivierung der Bodenvorratspolitik der Stadt z.B. durch wesentlich stärkere Ausübung des gesetzlich verbrieften Vorkaufsrechts als bisher, aber auch stärkere Zurückhaltung beim Verkauf städtischer Grundstücke und Gebäude (auch wenn momentan kein Verwendungszweck vorhanden ist).
  • Erheblich intensivere Bemühungen im Hinblick auf die Kapitalstärkung der städtischen Wohnbaugesellschaft NiWo; insbesondere langfristiger Verzicht auf Gewinnabführung an die Stadt
  • Minimierung von Planungsgewinnen bei Weitergabe städtischer Grundstücke an Investoren – Planungsgewinne müssen bei der Stadt bleiben: Der Fall Holzmoor mit Überlassung von Grabeland für 9,40m² an den Investor, das jetzt nach Erklärung zu Bauland ca. 300 Euro/m² wert ist, darf sich nicht wiederholen!
  • Stärkere und sachgerechtere Ausdifferenzierung des Mietpreisspiegels durch sinnvolle Kriterien. Die derzeitige Praxis mit Beschränkung auf nur zwei Kriterien ist nicht zielführend, da jetzt z.B. die verkehrsreiche Hamburger Straße als „gute Wohnlage“ gilt, bloß weil sich ein Nahversorger und eine ÖPNV-Haltestelle in fußläufiger Nähe befindet.
  • Erhöhung des Anteils an Sozialwohnungen auf 30% bezogen auf jedes Bauprojekt wie schon in vielen anderen Städten üblich und Erweiterung auf alle jeweils geplanten Wohneinheiten (bisher nur Geschosswohnungsbau)
  • Ankauf auslaufender und neuer Belegungs- und Mietpreisbindungen durch die Stadt inkl. Aktivierung aktuell freigestellter Bindungen (z.B. Weststadt) und räumliche Flexibilisierung ihrer Anwendung (z.B. durch Wohnbaugesellschaften o.ä.).
  • Effektivere Mietpreisbremse durch Sperrfristen für Mieterhöhungen nach dem Eigentümerwechsel von Immobilien.

Die o.g. Maßnahmen haben auch das Potential Gentrifizierungen durch steigende Mieten entgegenzuwirken, wie wir sie derzeit z.B. im westlichen Ringgebiet oder im Eichtal beobachten können. Wir erinnern uns: Auf Initiative der BIBS-Fraktion hatte die Stadt 2015 im Programmgebiet „Soziale Stadt“ der Wohnungsbaugesellschaft BBG 500.000 Euro zur Sanierung der Kalandstraße in Aussicht gestellt. Die BBG lehnte das ab, weil sie sich damit verpflichtet hätte, die Mieten langfristig auf niedrigem Niveau zu belassen. Nach der Sanierung im Jahre 2019 sind mittlerweile neue zahlungskräftigere Mieter eingezogen, – das alte Milieu ist verschwunden. Die Kalandstraße wurde „gentrifiziert“. Als letztes Mittel können umsichtig formulierte und angewendete Erhaltungssatzungen sowie ein Genehmigungsvorbehalt bzgl. der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen (gängiges Verfahren z.B. in München) eine solche Entwicklung verhindern.

Einige der o.g. Maßnahmen sind bereits vom „Bündnis für Wohnen“ unter Beteiligung der BIBS-Fraktion erarbeitet worden und ansatzweise im Kommunalen Handlungskonzept für bezahlbares Wohnen als Ziele formuliert. Nach Meinung der BIBS müssen jedoch die Bemühungen zur Sicherstellung einer ausreichenden Wohnraumversorgung noch erheblich intensiviert werden.

Aber auch übergeordnete politische Ebenen (Bund, Land) müssen den Wohnbau insgesamt sowie den Immobilienerwerb durch Durchschnittsverdiener stärker als bisher fördern wie z.B.:

  • Steuerliche Förderung der Mitgliedschaft in Baugenossenschaften o.ä.
  • stärkere steuerliche Begünstigung von Ansparmodellen für Immobilienerwerb durch Mietkauf o.ä.
  • steuerliche Anreize für Bauwillige, insbesondere (aber nicht nur) bei Schaffung von bezahlbarem Wohnraum
  • Steuerliche Förderung von Dachausbauten und Erhöhung der Geschosszahl (soweit zulässig).
  • Anpassung der Gewinnbesteuerung der Mieten an den qualifizierten Mietpreisspiegel; d.h. Schaffung von Besteuerungssystemen, die Ausgaben für Wohnungsbau und –modernisierung begünstigen, und zwar umso mehr, je günstiger eine Wohnung im Verhältnis zur ortsüblichen Vergleichsmiete vermietet wird und je höherwertig gleichzeitig ihre Ausstattung ist.

In Braunschweig hat man bei Schaffung neuer Flächen für Wohnbebauung sozusagen „die Wahl zwischen Pest und Cholera“: Entweder man betreibt eine noch intensivere Nachverdichtung im sog. „Innenraum“ (engeres Stadtgebiet) mit der Konsequenz, dichter und höher bauen zu müssen und weniger Grünflächen zu haben – mit entsprechenden Folgen für das Stadtklima – oder es erfolgt eine räumliche Ausdehnung des Wohnungsbaus in die Region (=> Zersiedelungsgefahr) durch schnelle und dicht getaktete ÖPNV-Verbindungen in die Unterzentren der Region (z.B. Wiederbelebung der Regiobahnidee). Dazu gehört eine Beendigung des „Kirchtumdenkens“ und die Entwicklung von Modellen, wie Steuereinnahmen zwischen Braunschweig und seinen Nachbarkommunen geteilt werden können. Eine Lösung ohne Nachteile gibt es nicht.

Foto PIXNIO

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