Klimaanpassung in der Großstadt: Chancen – Erfahrungen – Herausforderungen – Was können wir von Nürnberg lernen?

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Nürnberg: neu angelegter Naegeleinsplatz mit schattenspendenden Bäumen Foto: Gerhard Illig, Stadt Nürnberg

Nachlese eines Vortragsabends

Am 18.9.2024 ging es im Haus der Wissenschaft um das Thema „Klimaanpassung“ in Nürnberg und Braunschweig. Dr. Nicola Mögel vom Nürnberger Referat für Umwelt und Gesundheit hielt den Hauptvortrag mit dem Titel „Den Klimawandel im Blick: Wie passt sich Nürnberg an?“ Anschließend lieferte Dr. Ines Bruchmann, Abteilungsleitung Klimaschutz und strategische Umweltplanung in Braunschweig einen ergänzenden Kurzüberblick „Klimaanpassung in Braunschweig – Wo stehen wir?“.

Warum von Nürnberg lernen? Diese Themensetzung ergab sich daraus, dass in Nürnberg bereits 2011 die ersten Beschlüsse zur Sache getroffen wurden, während Braunschweig erst sechs Jahre später folgte. Ob Braunschweig von Nürnberg lernen kann, müsste sich zeigen, wenn einzelne Themenbereiche direkt miteinander verglichen werden. Das fand in der Diskussionsrunde nach den Vorträgen nicht statt, wäre auch eine Überforderung an eine freie Diskussion gewesen. In dieser Darstellung werde ich den Vergleich anhand einiger Beispiele durchführen. Nicht abgeschlossene Projekte werden nicht berücksichtigt. Nr. 8 ist kein planbares Projekt, sondern ein Kommunikations- und Umgangsstil, der aber wesentlich ist für die Effizienz einer Stadtentwicklung.

  1. Klimaanpassungskonzept

Nürnberg: Handbuch Klimaanpassung 2012, Fortschreibung 2020

Braunschweig: nicht vorhanden

  • Klimagerechter Bauleitplan

Nürnberg: 2021 verabschiedet

Braunschweig: 2019 verabschiedet

  • Freiraumkonzept

Nürnberg: 2014 verabschiedet, 2024 aktualisiert; bisher 13 abgeschlossene Projekte – 3 davon waren planerische Projekte (siehe Übersichtsplan 10 Jahre Masterplan Freiraum)

Braunschweig: im Rahmen des ISEK (Integriertes Stadtentwicklungskonzept) 2017 verabschiedet, 2022 aktualisiert (1 abgeschlossenes Projekt: Renaturierung Schunterabschnitt)

  • Hitzeaktionsplan

Nürnberg: 2022 verabschiedet

Braunschweig: nicht vorhanden

  • Förderprogramme Stadtbegrünung (Dach-, Fassaden-, Hofbegrünung)

Nürnberg: seit 2014

Braunschweig: seit 2019

  • Baumpatenprogramm

Nürnberg: seit 2010

Braunschweig: nicht vorhanden

  • Mobilitätsbeschluss

Nürnberg: 2021 verabschiedet

Braunschweig: nicht vorhanden

  • Umgang mit Protestierenden

Nürnberg: Das fast zweijährige Klimacamp am Rathaus wurde toleriert; Forderungen wurden im Rat diskutiert, aber nicht übernommen. Allgemeinverfügung gegen Letzte Generation erlassen.

Braunschweig: kein Klimacamp; Allgemeinverfügung gegen Letzte Generation erlassen.

Fazit

Braunschweig begann gegenüber Nürnberg deutlich verzögert, sich mit „Klimaanpassung“ zu befassen. Das ist bekannt – hierin lag der Grund für die Einladung einer Referentin aus Nürnberg. Über die Ursache der Verzögerung lässt sich nur spekulieren. Wahrscheinlich hing sie zumindest teilweise mit der Grundorientierung des Oberbürgermeisters Hoffmann zusammen, der bis 2014 im Amt war. Überraschend ist aber, dass auch seit 2017, als die Thematik im ISEK aufgegriffen wurde, herzlich wenig passiert ist. Die Dringlichkeit des Themas wurde nicht erkannt und nur sehr schleppend daran gearbeitet. In Nürnberg stand das Klimaanpassungskonzept am Anfang des Themenblocks, in Braunschweig sind wir noch weit vom Beschluss solch eines Konzeptes entfernt.

Eindrücklich ist auch der Unterschied beim „Freiraumkonzept“: Während in Nürnberg in den letzten zehn Jahren zehn Projekte abgeschlossen wurden (nicht mitgezählt solche, die nur aus Planungen bestehen), kann Braunschweig seit 2017 nur über eins berichten.

Was völlig fehlt, ist die sachbedingte Notwendigkeit einer Priorisierung von Klimaanpassungsmaßnahmen. Aktuell wird das daran deutlich, dass im Rahmen von Etatkürzungen die Einsparungen gleichmäßig über alle Verwaltungseinheiten verhängt wurden. Folge ist, dass für 355 Bäume, die in den Hitzejahren abgestorben waren, jetzt keine Ersatzpflanzungen zur Verfügung stehen (siehe auch Braunschweig Spiegel: „Herkulesaufgabe“ Klimaanpassung – aber die Stadt hat nicht einmal das Geld für 355 Ersatz-Bäume!). Eine angemessene Priorisierung hätte Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen ausgenommen.

Eine Besonderheit von Nürnberg ist die „Baumpatenschaft“. Damit haben Nürnberger Bürger*innen Bewässerung und Pflege von Baumscheiben verbindlich übernommen. Das bedeutet eine langjährige Zusammenarbeit zwischen den Paten und der Verwaltung und fördert eine aktive Mitverantwortung der Bürger*innen für ihre Stadt. Ein anderes Beispiel für einen Kommunikationsstil, bei dem der Partner als solcher wahrgenommen wird, ist die Akzeptanz für das fast zweijährige Klimacamp in Nachbarschaft des Rathauses. Zwar wurden die Forderungen der Protestierenden von der Politik nicht angenommen, aber immerhin haben Politik und Verwaltung diese Form des Gespräches über einen langen Zeitraum ausgehalten. Baumpatenschaft und Klimacamp haben eine wertschätzende Grundhaltung  gegenüber den Bürger*innen gemeinsam, aus der heraus ein Vertrauen für eine Mitwirkung an der Stadtentwicklung erwächst  – eine Voraussetzung für eine gelingende Klimaschutz- und Klimaanpassungsstrategie.  

Was kann Braunschweig von Nürnberg lernen? war die Ausgangsfrage. Zusammenfassend möchte ich folgende Punkte aufführen:

  • dringende Notwendigkeit eines Grund- und Langzeitkonzeptes im Bereich Klimaanpassung. Daran wird gearbeitet.
  • Notwendigkeit von Priorisierungen für den Bereich Klimaanpassung
  • angemessenes schnelleres Tempo der Maßnahmen. Braunschweig muss aufholen!
  • Ansprache der Bürger*innen als Mitwirkende, die Verantwortung übernehmen können

Alles zusammen kein Ruhmesblatt für Braunschweig, aber es gibt Hoffnung!

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