Kinderarmut in Braunschweig: Nach acht Wochen Schweigen gibt Dr. Hoffmann nach

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Nach hartnäckigen Appellen von Kirchen und immer mehr Verbänden, nach einer großen Zahl empörter Leserbriefe und nachdem große und kleine Sponsoren ihre Bereitschaft zur Hilfe erklärt haben, bricht Dr. Hoffmann sein Schweigen und ändert seine Position. Etwas verklausuliert erklärt er, dass die Stadt nun doch zum Schulkostenfonds für arme Kinder beitragen könnte. Genau das hatte der Oberbürgermeister bisher abgelehnt.

Als vor zwei Monaten die beiden christlichen Kirchen und die jüdische Gemeinde auf Initiative des Diakonischen Werks die Öffentlichkeit darauf hinwiesen, dass jedes vierte Braunschweiger Kind von Armut betroffen ist, dass in den Hartz IV – Regelsätzen schlicht zu wenig Geld für die Ernährung der Kinder und gar kein Geld für Schulkosten (schlicht vergessen) veranschlagt sei, löste das bei vielen Bürgern – nach erstem ungläubigen Staunen – Betroffenheit aus. Es folgten Hilfsbereitschaft, aber auch die Forderung, die Stadt müsse einspringen, bis das Problem auf Bundes-ebene gelöst sei. Dabei wurde auf die 1,2 Millionen Euro verwiesen, die die Stadt für die inneren Verzierungen der Räume hinter der Schlossfassade hergegeben hatte, auf die Subventionierung des Hubschrauberkonzertes und anderes mehr. So schrieb etwa Richard Hartwig: „Wo bleibt das soziale Gewissen auch für eine Interimslösung. Ich frage mich zusätzlich, wo ist der soziale Anstand des Chefs der Verwaltung, Oberbürgermeister Dr. Hoffmann?“ Dessen Reaktion hatte lediglich darin bestanden, gleich drei Dezernenten zur Pressekonferenz vorzuschicken, um – nach Verkündung einiger kleiner, unzureichender Verbesserungen – die Stadt für nicht zuständig zu erklären. Besonders tat sich Erster Stadtrat Lehmann hervor, der gleich in die Vollen griff: „Vielmehr gingen die Kommunen letztlich pleite, wenn sie ständig bei wichtigen Aufgaben für Bund und Land finanziell einspringen würden.“ (Pressemitteilung Stadt Braunschweig, 21.09.07) Aber auch Sozialdezernent Markurth ging so weit, andere Städte wie Osnabrück und Göttingen anzugehen: deren freiwillige Ausgabe kostenlosen Essens und die Erstattung der Schulkosten für arme Kinder sei ein Fehler (BZ, 22.09.07)!
Der „Chef“ schwieg.

Es half nichts: schon früh hatte der DGB die Vorschläge der Kirchen unterstützt, es folgten Kinderschutzbund, Stadtelternrat und andere mehr. Norbert Velten vom Diakonischen Werk freute sich über die „breiteste soziale Bewegung in der Stadt seit Jahren“. Die Parteien im Rat seien einbezogen worden, nur die CDU habe nicht reagiert (BZ, 2.11.07). Sponsor Staake brachte auf den Punkt, was viele Braunschweiger empfinden: Der Gedanke, in einer Stadt zu leben, in der Kinder hungern müssen, ist für mich unerträglich.
Der „Chef“ schwieg weiter. Insgesamt mehr als acht Wochen, wir haben es überprüft.

Erst am 14. November stellt er sich „nach längerem Zögern“ (BZ) dem Thema: sollten die Sponsoren ihre Hilfe davon abhängig machen, dass die Stadt etwas dazugebe, könne darüber geredet werden. (Es mag sein, dass sein Erkenntnisprozess durch die Aussicht beschleunigt wurde, dass die Stadt vom Bund einige Hunderttausend Euro für Kinder aus sozial schwachen Familien erhalten soll.) Nun dämmert es auch ihm: „Die Kommunen können wohl doch besser als der Bund erkennen, wo wirklich Not herrscht und wie gezielt geholfen werden kann.“ Und: Armin Kraft, Propst im Ruhestand, solle sich ein Bild von der Kinderarmut machen und „mir direkt berichten“.

Nachtrag:
Die Braunschweiger Zeitung hat in dieser Frage einmal die Rolle gespielt, die man sich für unsere Stadt wünscht: sie hat recht umfassend informiert, hat den Lesern durch Reportagen die Lage der Betroffenen nahe gebracht und hat auch die kritischen Stimmen zu Wort kommen lassen. Die Leserbriefschleuse wurde, soweit wir es beurteilen können, weit geöffnet. Hätte sie die – leider – gewohnte Rolle gespielt, hätte der „Chef“ vielleicht noch länger schweigen können.

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