Kampfpanzer: Die kluge Zurückhaltung des Bundeskanzlers

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Leopard Foto:pixabay

Der Beobachter des Kriegsgeschehens in der Ukraine fühlt sich hin- und hergeschüttelt. Im Herbst sagten die vermeintlichen Experten, die ukrainische Armee habe nun das „Momentum“ auf ihrer Seite, sie sei Im Vormarsch, während die russische Armee erfolglos an diversen Schwierigkeiten herumlaboriere. Nun aber, im Januar, sieht es ganz anders aus. Die vermeintlichen Experten sagen nun, ohne die Lieferung von diversen Kampfpanzern sehe es schlecht aus für die ukrainischen Streitkräfte. Und innerhalb von wenig mehr als einer Woche stimmt der große Chor der deutschen Medien unisono ein: Kampfpanzer müssen her! Deutschland muss endlich liefern!

Der Druck auf den deutschen Kanzler kommt von vielen Seiten: von Polen, von den osteuropäischen NATO-Verbündeten, von den USA, aber auch von den Koalitions“partnern“ der SPD, den Grünen und der FDP (von CDU und CSU sowieso). Die dreisteste Aktion hat sich der Grünen – Abgeordnete Bütikofer geleistet: auf seinen Antrag hin hat das Europäische Parlament die deutsche Regierung zur Lieferung von Kampfpanzern aufgefordert!

US-Kampfpanzer Abrams nicht geeignet? Ben Hodges: „Alles Ausreden!“

In dieser Lage ist Kanzler Scholz eine gute Idee gekommen: er telefonierte am Dienstag mit US-Präsident Biden und erklärte, dass Deutschland Kampfpanzer liefern würde, wenn die USA dasselbe täten. Denn die Verbündeten müssten alle Schritte gemeinsam unternehmen.

Biden soll sich in dem Gespräch bedeckt gehalten haben.

Am nächsten Tag hat das US-Verteidigungsministerium erklärt, man werde keine Abrams-Panzer liefern. Die Begründung wirkt fadenscheinig: Staatssekretär Colin Kahl bezeichnete den Abrams-Panzer als „sehr kompliziert“ und als teuer; außerdem erfordere er eine schwierige Ausbildung und verbrauche sehr viel Treibstoff. Auch die Wartung sei schwierig.

Deutsche Fachkreise sagen dagegen, die Wartung des Abrams sei nur geringfügig aufwendiger als die eines Leopard 2, vor allem aber sei sie deutlich einfacher als bei den alten sowjetischen Kampfpanzern, mit denen die Ukrainer bislang kämpften. Der Gasturbinenantrieb könne mit nahezu jedem Treibstoff betrieben werden. Der frühere Kommandeur der amerikanischen Landstreitkräfte in Europa, Ben Hodges, bewertet die Ausführungen von Kahl und anderen denn auch unmissverständlich mit dem Satz, das seien „alles nur Ausreden“ (alle Informationen aus FAZ, 20.1.2023).

Warum liefern die USA keine Kampfpanzer?

Der Führung der USA ist offenbar bewusst, dass die Lieferung von Kampfpanzern die Schraube der Eskalation ein ganzes Stück weiterdrehen würde; man nähme das erhöhte Risiko in Kauf, dass die russische Seite ihrerseits mit härteren Maßnahmen zurückschlägt. Es macht einen Unterschied, ob diese härteren Maßnahmen gegen die gesamte NATO oder nur gegen die Staaten erfolgt, die Kampfpanzer geliefert hätten; die russische Führung würde vermutlich vor Schlägen gegen die NATO als Ganzes, also auch gegen amerikanische Einrichtungen, eher zurückschrecken als vor Schlägen gegen einzelne Länder. FAZ-Redakteur Nikolas Busse drückt es so aus:

Dass man in Amerika bereit wäre, in einen Krieg gegen Russland zu ziehen, um Waffenlieferungen zu decken, zu denen man selbst nicht bereit war, ist nicht gesagt.“

(FAZ, 18.1.2023)

Schon bisher habe der Westen die Kampfkraft der gelieferten Waffen nur schrittweise erhöht, um eine heftige russische Reaktion wegen Verletzung roter Linien zu vermeiden.

Amerikanische Regierungsvertreter würden dieses Vorgehen „den Frosch kochen“ nennen: ein Frosch, den man in einen Topf mit kochendem Wasser setzt, würde sofort aus dem Topf hüpfen; wenn man aber die Temperatur im Topf in kleinen Schritten erhöht, würde der Frosch nicht sofort reagieren.

Großbritannien ist bisher das einzige Land, das die Lieferung einer kleinen Zahl an Kampfpanzern angekündigt hat; allerdings hat Großbritannien eine eigene nukleare Abschreckung, worüber Deutschland und (bis auf Frankreich) die anderen europäischen NATO-Mitglieder nicht verfügen.

Die USA wollen also den Europäern – vor allem den Deutschen – gern den Vortritt lassen, wenn es um eskalierende Maßnahmen geht. Das hat Kanzler Scholz heute erst einmal verhindert. Meinungsumfragen in der deutschen Bevölkerung zeigen, dass er damit nicht alleinsteht (aktuell YouGov, siehe Welt.de 19.1.2023).

Generalstabschef Milley: Langwieriger Abnutzungskrieg? Besser Verhandlungen.

Ob er dabei bleibt, ist nach allen bisherigen Erfahrungen unsicher; ebenso, ob die Führung der USA auf Dauer bei ihrer Haltung bleiben wird. Denn Stimmen wie die des US-Generalstabschefs Mark Milley scheinen dort wenig beachtet zu werden. Milley geht davon aus, dass nach dem Rückzug der russischen Armee bei Cherson für die ukrainische Armee nicht viel mehr zu erreichen sein wird. Vielmehr würde nun ein langwieriger Abnutzungskrieg folgen, mit vielen toten Soldaten auf beiden Seiten, mit dem Leiden der Zivilbevölkerung und mit der fortschreitenden Zerstörung des Landes. Deshalb sei nun der Zeitpunkt für Verhandlungen gekommen.

Entgegen dieser Einschätzung des obersten Militärs der USA, dem mehr wichtige Informationen der Geheimdienste zur Verfügung stehen als fast jeder anderen Person auf diesem Planeten, setzen die entscheidenden Kräfte bislang darauf, durch immer neue Waffenlieferungen den „Preis für Putin hochzutreiben“. Die Folgen für das ukrainische Volk sind absehbar, die Risiken der damit verbundenen Eskalation, die uns allen drohen, steigen.

3 Kommentare

  1. „Warum lässt sich Deutschland vorführen?“ Ein Kommentar von Eric Bonse, dem unabhängigen Europakorrespondenten und TAZ-Kolumnisten. https://lostineu.eu/panzerdebatte-warum-laesst-sich-deutschland-vorfuehren/
    Das findet sogar “dpa” merkwürdig. “Dass ein Regierungschef eines EU-Landes namentlich in einem Bericht des Europaparlaments zu etwas aufgefordert wird, gilt als außergewöhnlich – zumal der Antrag von einem Mitglied der an der Bundesregierung beteiligten Grünen eingebracht wurde”, schreibt die Agentur.

  2. Auch wenn die USA Panzer liefern würde, sollten wir uns hüten, dies zu tun. Heute stand eine entsprechende massive Forderung von Christian Kerl in der BZ. https://helmutkaess.de/wp-content/uploads/2023/01/Leopardpanzer-BZ.pdf Bundeskanzler Olaf Scholz wird von Christian Kerl gescholten, weil er bisher der Ukraine die Kampfpanzer Leopard verweigert.
    Aber, wie verschiedene Fachleute sagen, z.B. Ex-NATO-General Kujat, gegen eine Nuklearmacht kann es keinen Sieg geben, weil sie notfalls Atomwaffen einsetzt. Das war von Beginn an klar. Dann würden noch viel, viel mehr Menschen sterben, und von Deutschland bliebe nichts übrig. Dies ist, wie jeder Mensch weiß, der sich näher mit diesem Krieg beschäftigt, ein Krieg der USA gegen Russland, und gemeint ist auch China.

    Die USA wollen Monolateralismus gegen Multilateralismus, wollen die alles beherrschende Weltmacht bleiben. Wir sollten den Monolateralismus nicht unterstützen, sondern die Charta der UN, die keinen Monolateralismus kennt.

    Der Krieg wäre durch erfolgte Verhandlungen im April schon vorüber gewesen, mit viel weniger Toten und viel geringeren Schäden, aber für die Nato hat Boris Johnson es bei seiner Reise nach Kiew verhindert. Sofortiger Waffenstillstand mit Blauhelmen zwischen den Kriegsparteien muss die Devise sein, um das furchtbare Desaster zu stoppen!

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