Gerhard Schröder –

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Buchbesprechung. Gerhard Schröder: „Entscheidungen“ – Mein Leben in der Politik. Hamburg, Hoffmann und Campe, 2006. ISBN (10) 3-455-50014-5

Eine spätere Rezension hat den Vorteil, das literarische Wirken unseres jungen Altkanzlers mit einigem Abstand beschreiben zu können. Außerdem wollte ich Duzfreund Gerhard nicht das Weihnachtsgeschäft verderben. Gerade jetzt, wo er das Geld doch so dringend braucht. Bereits die Promotion-Tour war bemerkenswert. Da arbeitete er zur Ueberraschung vieler mit Bild zusammen. Noch vor einem Jahr von ihm öffentlich gerügt. Auf die Frage, was ihn veranlasst habe, seinen Zorn zu überwinden, kam die Antwort, man müsse auch vergessen können. Mit einschlägigen, eigenen Zitaten konfrontiert, trat Ex-Fussballer „Acker“-Schröder schließlich nach. Bild sei weiterhin „unfair“. Dieser Gerhard Schröder kam mir schon einigermaßen bekannt vor.

Es ist zudem interessant, das Buch eines Mannes zu rezensieren, mit dem man eng zusammengearbeitet hat – auch in Extremsituationen. Den man überdies selbst literarisch „verarbeitet“ hat. „Wildwest auf der Chefetage“ zeichnet Gerhard Schröders holprigen Weg ins Kanzleramt nach. Ein Weg durch einen mörderischen Polit-Dschungel, gespickt mit Fallgruben übelster Art. Stets im Kugelhagel von Feinden, Todfeinden und Parteifreunden. Wobei sich Letztere als die mörderischsten entpuppten. Die Krönung des Gerhard Schröder als SPD-Kanzlerkandidat fand im mafiös-amoralisch-wirtschaftskriminellen Umfeld der West LB-Paten Rau und Neuber statt. Eine Krönung der ganz besonderen Art. Milliardenmanipulationen der West LB-Tochter Preussag AG wurden „politisch“ gedeckelt. Zehntausende bezahlten diesen Kanzler-Deal später mit ihrem Job. Kein Nachfolger traute sich bislang an das Betrugspaket heran. Was schreibt Gerhard dazu?

Zum Buch selbst: 544 Seiten. Davon unzählige völlig leer oder sparsamst bedruckt. Bemerkenswert zudem: Linker und rechter Rand zusammen ebenso breit, wie der grobzeilige Text selbst. Ein wenig mehr Sparsamkeit und mehr als die Hälfte, der für dies Buch geschlagenen Bäume könnte heute noch stehen.

Dazu Fotos ohne Ende. Auf den meisten von insgesamt 94 (vierundneunzig) Bildern, davon 27 doppelseitig – nicht gerechnet das Front- und Rückfoto – lächelt er, so wie man ihn kennt. Gerhard Schröder, „Shooting-Star der gepflegten Unterhaltung“. Welch Gegensatz zu Büchern seiner Vorgänger. Helmut Schmidt verzichtet in seiner „Suche nach einer öffentlichen Moral“ auf jegliches Bild. Nicht anders Helmut Kohl in seinen „Tagebüchern“. Schröder hingegen vermittelt dem Leser in eindeutigen Posen – und ganz sicher unbewusst – wie er sich selbst sieht. Ein Politiker, wie er im Buche steht. Ein Bild von einem Kanzler. Gerhard Schröder – Superstar!

Ein Mann mit vielen Talenten. Insbesondere im Schauspielfach. Die Krönung: Das Bild auf Seite 80. Gerhard im Zwiegespräch mit Willy Brand – in Bronze. Dazu hammerharte Sätze wie dieser: „Die Bedeutung der Ernährung für die Gesundheit der Menschen, insbesondere für die körperliche Entwicklung von Kindern, ist unbestritten“. Damit profiliert er sich sogar für Gastbeiträge in der Apotheken-Umschau.

Und dann dies Schicksal. Ebenfalls wie aus dem Bilderbuch. Immerhin hat er in seiner Zeit als Kanzler sehr vielen Kindern in Deutschland die Chance gegeben, es ihm nachzutun. So nachhaltig ist das Prekariat noch nie gewachsen. Millionen stehen neu in den Startlöchern. Von dort, wohin ihr Vorbild sie brachte, können sie sich nun nach vorne arbeiten.

Milde Worte der Kritik zu seinem wirklichen Todfeind Johannes Rau. Sein pathetisches Resümee, während seiner Kanzlerschaft „immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben“ – eine glatte Lüge. Allein die Folgen seines o. g. Kanzler-Deals kosteten Zehntausende im West LB/Preussag/TUI-Umfeld den Job. Kein Wort dazu im Buch.

Meine Frage beim Lesen war: Finde ich den Mann, den ich recht gut kenne, in seinem Buch wieder? Die Antwort: eindeutig ja! Schröder der selbstverliebte Ultra-Opportunist. Absolut lupenrein! Seite 94/95 zeigt den Schröder, den ich kenne, schon recht treffend. Mit einem Gläschen Schampus in der Hand. Neuerdings kann er es sogar in Englisch sagen: „Dufte Fete – Se paty is gudd“.

Meine zweite Frage: Muss man das Buch kaufen? Die Antwort: eindeutig nein! Das Schröder-Buch ist bestens geeignet als Schröder-Familien-Poesie-Album. Als richtiges Buch – auch für andere Menschen – ist es eine Zumutung.

Prof. Dr. Ing. Hans-Joachim Selenz www.hans-joachim-selenz.de

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