Gabriel: Russland niederringen, Bundeswehr in einen Krieg führen?

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Sigmar Gabriel hat dem STERN ein Interview gegeben (12. Juni), das so ziemlich alles bisher Gesagte in den Schatten stellt, jedenfalls was die sozialdemokratische Partei betrifft. Geht es um eine beabsichtigte Provokation oder meint er es ernst? Wir fürchten, er meint es ernst. 

Gabriel fordert „das klare Signal an Putin“: 

„Stopp diesen Krieg – oder wir tragen ihn zu Dir.“

Wer ist mit ´wir` gemeint? Offenbar die NATO, auf jeden Fall aber muss Deutschland dabei sein, denn:

„Niemand wünscht sich, die Bundeswehr in einen Krieg führen zu müssen. Aber…“

Als Beispiel nennt er, dass die Bundeswehr in der Ukraine „helfen“ soll, Flugverbotszonen einzurichten, was konkret bedeutet, dass deutsche Soldaten russische Flugzeuge abschießen. Und die Drohung, den Krieg nach Russland zu tragen, zeigt, dass noch viel weitergehendere militärische Vorgehensweisen durchaus mitgemeint sind. 

Auch sprachlich lässt er es krachen:

Wir müssen „Putin unseren Eisenfuß entgegenstellen“. Das erinnert nicht wenig an die Wochenschauberichte aus früheren Zeiten, damals war allerdings von „den bolschewistischen Verbrechern“ die Rede.

Vor allem aber gibt er ein Ziel vor, das erschreckend umfassend ist:

„Aber wir werden Russland noch einmal so niederringen müssen, wie wir das im Kalten Krieg mit der Sowjetunion gemacht haben.“

Also Russland soll niedergerungen werden? Was bedeutet das? Die Atommacht Russland soll militärisch zur Kapitulation gezwungen werden? Eine mörderische wie selbstmörderische Zielsetzung. Denn ohne den großen Krieg zwischen NATO und Russland ist das nicht denkbar. Und es wäre vermutlich der letzte.

Aber es steckt noch mehr in dieser Aussage, nämlich: wir haben die Sowjetunion im Kalten Krieg niedergerungen. Damit übernimmt Gabriel die Sichtweise der Neokonservativen in den USA, deren Präsident Bush bekanntlich 1990/91 gegen grundlegende Kompromisse mit der russischen Führung war, weil „wir gewonnen haben – und nicht die“. 

Willy Brandts Erbe wird von Gabriel mit Füßen getreten

Der legendäre Vorsitzende der SPD, Willy Brandt, hat seine Entspannungspolitik, um die es hier geht, ganz anders angelegt: um den Frieden zu sichern, komme es darauf an, Vertrauen zwischen dem Westen und dem Osten aufzubauen. Das bedeutete zunächst einmal, Feindbilder abzubauen, kleine Vereinbarungen zu schließen, um dann zu größeren Gemeinsamkeiten zu kommen – das alles trotz der erheblichen Unterschiede und Gegensätze zwischen den Systemen, die übrigens viel grundlegender waren als die heutigen zwischen dem Westen und Russland. Diese Politik führte schließlich zu grundlegenden Verträgen, zur größeren Entspannung und zu einem Bewusstseinswandel auch in den Völkern. Willy Brandt war überzeugt, dass „ohne Frieden alles nichts ist“. Für ihn war die Entspannungspolitik nicht nur eine besonders raffinierte taktische Maßnahme, um die Sowjetunion niederzuringen. Es ging ihm um einen grundsätzlichen Wandel im Osten wie im Westen. Und der wurde ja dann auch erreicht und sogar noch mit der deutschen Wiedervereinigung belohnt.

Wenn Gabriel also von einem „Niederringen der Sowjetunion“ spricht, tritt er das Erbe und das Vermächtnis von Willy Brandt mit Füßen. Ein Erbe übrigens, an dem Gabriel selber viele Jahre mitgewirkt hat; aber vielleicht trifft das Wort „mitgeschwommen“ es besser. Wie viele Sozialdemokraten wollen das widerspruchslos hinnehmen?

Deutschland als ehrlicher Makler? Das war einmal!

Aber tun wir Gabriel nicht vielleicht doch unrecht? Immerhin spricht er doch von einer „zweiten Friedenskonferenz“ und meint, „Deutschland könnte einen solchen Vorschlag glaubwürdig einbringen“. Ob er das wirklich glaubt? Deutschland, das seine Zurückhaltung und ein gewisses besonnenes Verhalten längst aufgegeben hat, wird von Russland klar als wichtiger Teil des inzwischen feindlichen Westens wahrgenommen. Das macht die russische Führung nun wirklich hinreichend deutlich. Die Rolle eines angesehenen Vermittlers ist von der deutschen Führung längst aufgegeben worden. Das weiß Gabriel auch; vor allem arbeitet er mit seinem Interview daran, den Gegensatz zwischen Deutschland und Russland nur noch weiter zu vertiefen. Da liegt dann doch die Vermutung nahe, dass es sich bei dieser Äußerung Gabriels eher um eine Nebelkerze handelt, die das abgrundtief Gefährliche seiner wie immer locker vorgetragenen Position zumindest ein bisschen verschwimmen lässt.  

3 Kommentare

  1. Das blaue Bild suggeriert mir: Da wird gerade das Blaue vom Himmel gelogen. Gabriel und die anderen Transatlantiker sind in heller Panik, weil inzwischen klar ist,dass die Ukraine diesen Krieg verlieren wird, wenn nicht noch etwas Gravierendes passiert. (Siehe das Interview mit Harald Kujat.) Das kann letztlich nur der Kriegseintritt der NATO sein. Gabriel will wohl den totalen Krieg. Aber er weiß doch, dass dann in Deutschland die Zielkoordinaten russischer Raketen liegen. Für wen und wozu ist diese törichte Kriegsrhetorik gedacht?

  2. Wir koennen ja Gabriel nach Moskau schicken.
    Putin kann Karate, aber vielleicht kann Gabriel ja Sumo …

    „Eisenfuss“ … vielleicht kann er Putin bewusstlos quatschen?

  3. Am 8. Juli hält Michael Müller in der Paulikirche einen Vortrag. Thema: Ist Frieden mit Russland noch möglich? Nach allem, was man von ihm weiß und lesen kann, vertritt er eine Position, die zur Gabriel´schen nicht gegensätzlicher sein kann. Müller hatte schon zusammen mit Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer zur Friedensdemonstration 2022 in Berlin aufgerufen. Man kann nur hoffen, dass auch viele Sozialdemokraten sich seine Position anhören werden, um dann „Eisenfuß“-Gabriel umso entschiedener entgegenzutreten.

    Es handelt sich übrigens nicht um den ehemaligen namensgleichen Berliner Bürgermeister. Dieser Herr Müller war lange Bundestagsabgeordneter und auch Staatssekretär im Umweltministerium unter Minister Gabriel; vermutlich war er schon damals in Umweltfragen wesentlich kompetenter als sein Chef. Jedenfalls bleibt er nicht nur in Friedensfragen aktiv, sondern mindestens genauso in Fragen des Klimas und der Umwelt; unter anderem gehört er zum Kreis der Herausgeber von „Klimareporter.de“. Um es in seinen eigenen Worten zu sagen:
    „Der Menschheit droht nicht nur eine atomare Auslöschung, der Menschheit droht auch die ökologische Selbstvernichtung.“

    Also dann, am 8. Juli um 18.30 Uhr in der Paulikirche!

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