EU-Lobbyreport: Konzerne haben zu viel Macht in Europa

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Es ist ein großes Wort, das derzeit mit Blick auf die Europawahl Ende Mai die Runde macht: „Schicksalswahl“. Tatsächlich steht diesmal viel auf dem Spiel. Der Brexit und das Erstarken anti-demokratischer Kräfte in ganz Europa belegen, dass die EU an einem Scheideweg steht.

Ein Grund dafür ist sicher auch das ungelöste Lobbyismus-Problem, wie unser heute vorgestellter EU-Lobbyreport belegt. Auf 44 Seiten dokumentieren wir, dass Brüssel Berlin und anderen Hauptstädten Europas in Sachen Lobbytransparenz teilweise weit voraus ist. Doch das reicht nicht.

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Noch immer können Unternehmen, Verbände oder Lobbyagenturen zu viel Einfluss nehmen. „Teilweise können sie Gesetze und politische Prozesse regelrecht kapern“, sagte unsere Geschäftsführerin Imke Dierßen heute bei der Pressekonferenz in Berlin mit Blick auf den Dieselskandal oder die Steuerpraxis großer Konzerne.

Der EU-Lobbyreport wird auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt.


Um beim letzten Beispiel zu bleiben: Europa lässt es ja weiterhin zu, dass Konzerne und Reiche ihr Vermögen in Schattenfinanzplätze verschieben und sich so ihrer Steuerverantwortung entziehen. Zwischen 50 und 70 Milliarden Euro Steuereinnahmen entgehen den EU-Ländern dadurch, schätzt die EU selbst. Jahr für Jahr. Zum Vergleich: Das ist fünf bis sechs mal so viel, wie die EU pro Jahr für Forschung und Bildung ausgibt.

Während mancher gerade das Heil im Nationalstaat sucht, zeigen wir auf, dass die Nationalstaaten beim Lobbyismus häufig eher Problem als Lösung sind. Über den intransparenten Rat der EU boxen nationale Regierungen immer wieder die Interessen ihrer heimischen Industrien durch. Die Bundesregierung verwässerte oder verzögerte zum Beispiel wirksame Abgastests oder Regeln beim Kampf gegen Steuervermeidung.

Im Lobbyreport nennen wir acht Faktoren für die Macht der Konzerne in Brüssel. Dazu neben der Rolle des Rates auch das Anwerben von Politikern als Lobbyisten, die Abhängigkeit der EU-Bürokratie von Unternehmensexpertise oder privilegierte Zugänge durch Exklusiv-Veranstaltungen wie das von Günther Oettinger veranstaltete „Europa-Forum-Lech“.

Dass der Lobbyismus in Europa Schlagseite hat, sieht man auch bei der EU-Kommission, die rund 72 Prozent ihrer Lobbytreffen mit Unternehmensvertretern hat. Spitzenreiterin ist die für Binnenmarkt zuständige Kommissarin Bieńkowska mitsamt ihrem Kabinett, die sich bei ihren 1074 Lobbytreffen seit 2014 zu 87 Prozent mit Unternehmensvertretern trafen. Zum Vergleich: Gewerkschaften hatten 1,5 Prozent der Treffen, Nichtregierungsorganisationen 8,9 Prozent.

Auch in anderen Bereichen sieht man das Missverhältnis. So besteht die Expertengruppe „Emissionen im praktischen Fahrbetrieb – leichte Nutzfahrzeuge“ zu 70 Prozent aus Vertretern der Autoindustrie. Laut Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments zum Dieselskandal hat diese Gruppe unter anderem dazu beigetragen, ein effektiveres Testverfahren für den Schadstoffausstoß von Fahrzeugen um Jahre zu verzögern.

Europa könnte ein Schutzschild sein

Dabei könnte Europa durchaus ein Schutzschild gegen Konzernmacht sein. Das haben die Datenschutzgrundverordnung und viele EU-Gesetze wie die Katalysatorpflicht oder Regeln zur Begrenzung von Schadstoffemissionen gezeigt, mit denen die Luftqualität langfristig zum Teil erheblich verbessert werden konnte.

Wir brauchen mehr solcher positiven Impulse von Europa. Mehr Lobbytransparenz und strenge Regeln für Lobbyisten sind dafür essentiell.

Deshalb haben wir einen 5-Punkte-Plan zur Begrenzung schädlicher Lobbyeinflusse aufgestellt.

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