EMPOWERMENT – WE ALL SHOULD BE FEMINISTS!

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Künstlerin Laetitia Ky - copyright) Kunstmuseum Wolfsburg

Kunstausstellung vom 10.09.2022 bis 08.01.2023 im Kunstmuseum Wolfsburg

EMPOWERMENT zeigt seit dem 10. September rund 100 Arbeiten von feministischen Künstler*innen aus 50 Ländern aller Kontinente. Die Ausstellung bietet so einen faszinierenden globalen Überblick über Kunst und Feminismen seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts.

„What if women ruled the world“, Yael Bartana. Foto: M. Brandes

Die opulente 2000 qm große Ausstellungsfläche ermöglicht den Besucher*innen durch die offene und kluge Architektur der Schau eine faszinierende, kreative, feministische Weltreise durch die Kontinente, fordert und weitet unseren Blick auf die unglaublich unterschiedlichen Formen der Diskriminierung und ihre künstlerische Verarbeitung. Vor allem aber begeistert sie für die Werke der Künstler*innen, die so wunderbar dramatisch, ergreifend, berührend, traurig, poetisch, humorvoll und natürlich auch polemisch sind.

„Pool side kebab“, Nidi Emefiele. Foto: M Brandes

Die Künstler*innen der vierten feministischen Welle gehen von einem neuen Körper- und Selbstverständnis aus – Stichwort etwa Body und Sex Positivity –, thematisieren darüber hinaus aber auch viele weitere weltweite Konfliktfelder wie Intersektionalität, Postkolonialismus, soziale Ungleichheit zwischen globalem Norden und Süden oder die Klimakatastrophe. Besonders prägend für diese vierte Welle ist die Schärfung des Bewusstseins für die Vielzahl geschlechtlicher Identitäten und deren Akzeptanz. Klar erkennbar aber bleibt immer die Situation in ihrem Land das entscheidende Treibmittel für die künstlerische Arbeit.

„Embarazada“, Sejla Kameric. Foto: M. Brandes

Sieben Themenfelder geben der Ausstellung eine lockere Struktur. In diesen Bereichen werden mit und durch Kunst Fragen erörtert wie zum Beispiel: Wie arbeiten Künstler*innen in der postkolonialen Welt und im Zeitalter digitaler Kommunikation? Welche Vorstellung von Emanzipation haben sie? Wie soll eine Zukunft aussehen, in der der planetarische Feminismus eine wesentliche Rolle für Problemlösungen spielt?

Kuratorisch arbeitende Kollektive haben in “Guest Spaces” innerhalb der Ausstellung eigene Bereiche kuratiert und künstlerisch begleitet: Nacional TROVOA (Brasilien), Njabala Foundation (Uganda), What the hELL she doin! (Großbritannien/Kenia/Südafrika/Uganda), AXA projects (China/Deutschland) sowie Sandbox Collective (Indien).

Auf der Empore können die Besucher*innen auf einem Zeitstrahl die wichtigsten Ereignisse zu Feminismen weltweit nachlesen, selbst forschen oder ausruhen, miteinander ins Gespräch kommen und eigene Gedanken und Statements auf einer Feedback-Wand hinterlassen.

Besucher*in sollte sich bei der Lektüre des umfangreichen Katalogs und des begleitenden Textmaterials möglichst nicht von der dort manchmal sichtbar werdenden, überschäumenden Begeisterung für die Welt der feministischen Formulierungen und funkelnd neuen Worthülsen irritieren lassen. Es ist wohl die Zeit dafür gekommen, wenn auch manchmal in ihrer kaskadenhaft auftretenden Häufigkeit etwas gewöhnungsbedürftig. Und vielleicht auch ab und zu von der künstlerischen Originalität der gezeigten Arbeiten ablenkend. Allerdings – viel zu sehr sind es immer noch die tradierten maskulinen Wortkaskaden, die unsere Sprache prägen. Aber die Ablösung ist ja schon da.

Museumsdirektor Andreas Beitin neben Laetitia Kys „Pow`Hair (instead of power)“. Foto: M. Brandes

In dieser außerwöhnlichen Wolfsburger Ausstellung sehen wir sicher keine bequeme Kunst mit anerkannt ikonischen Werken, bei deren Besuch man nichts falsch machen kann. Doch die ausgestellten Arbeiten haben ihre eigene und imaginative Kraft und Macht und können bei näherer Betrachtung Überwältigen. Wir sehen intelligente, provozierende, realistische, phantasievolle Kunstwerke, Installationen, Videos – und alles was hier zu sehen ist fasziniert, und vieles ist bereits anerkannter Teil der Weltkunst.

In dieser Fülle und Qualität ist es aktuell sicher die wichtigste und bedeutendste feministischen Kunstausstellungen in Deutschland und weit darüber hinaus.

“Guess Who’s Coming to Dinner Too”, Patricia Kaersenhout. Foto: M. Brandes

Das zeigt zum Beispiel die gleich beim Betreten zu sehende Installation “Guess Who’s Coming to Dinner Too”, die von Patricia Kaersenhout konzipiert wurde. In ihrer postkolonialen Version der berühmten Arbeit von Judy Chicago “The Dinner Party”, finden bis zu 60 Schwarze Frauen aus mythologischen, historischen und zeit- genössischen Kontexten Platz, deren Bedeutung nicht nur aufgrund ihrer weiblichen Identität, sondern auch aufgrund ihrer Hautfarbe übergangen wurde. Die Glasarbeiten auf den Tischen sind von den gemeinschaftlichen Essgefäßen inspiriert, die bei den Ritualen in der präkolumbianischen Moche- und Chavin-Kultur (Peru) zu rituellen „Essen mit den Toten“ verwendet wurden. 2017 wurden Frauen* aus dem Amsterdamer Kolenkit-Viertel und eine Gruppe von Künstler*innen, Flüchtlingen und weiblichen Opfern häuslicher Gewalt zu einem Gemeinschaftsstickerei-Workshop eingeladen, in dem die ersten Tischläufer entstanden, die anschließend in Dakar von erfahrenen Perlensticker*innen verziert wurden. Die Präsentation dieser künstlerischen Arbeit wird von einem Rahmenprogramm begleitet.

„Badges“ von Lin Tian Miao. Foto: M. Brandes

Badges von Lin Tian Miao ist eine Installation aus über sechzig bestickten, rund und oval aufgespannten Stickrahmen. Sie sind mit englischen und chinesischen Wörtern bestickt, die abwertende Begriffe für Frauen wie etwa “Slut”, “Bitch” oder „Gold Digger“ bezeichnen und zeigen, wie sich die Art und Weise, wie Frauen in der chinesischen Gesellschaft wahrgenommen werden, dramatisch verändert hat.

„Shell,“ Mari Katayama, Foto: M. Brandes

Mari Katayama wurden als Kind beide Beine amputiert. Sie verwandelt diesen Schicksalsschlag in ihrem Werk in persönliche Stärke. In fotografischen Selbstporträts wie in “Shell” entwirft sie ein Schönheitsbild, das die herkömmlichen Vorstellungen von einem idealen Körper unterläuft.

“Oracles, Owls… Some Animals Never Sleep”, Ann Lislegaard. Foto: M. Brandes

Mit ihrem Werk “Oracles, Owls… Some Animals Never Sleep” versetzt Ann Lislegaard die Betrachter*innen in das Jahr 2050, ans Ende der menschlichen Zivilisation. Zu ihnen spricht eine animierte Eule einen prophetischen Monolog aus Aphorismen und Fragmenten aus dem I-Ching. Der Monolog der Eule wird durch komprimierte und verzerrte Samples aus dem Film “Blade Runner” (1982) unterbrochen.

„Scale of Injustice“, Kawita Vatanajyankur. Foto: M. Brandes

Kawita Vatanajyankur konzentriert sich In ihrer künstlerischen Praxis auf zwei miteinander verwobene Kernthemen: die Zuschreibung häuslicher Tätigkeiten an Frauen, ihre Objektivierung aufgrund des Festhaltens an traditionellen Geschlechterrollen im asiatischen Raum sowie die Ausbeutung von Arbeiterinnen durch sexuelle Belästigung, niedrige Einkommen und harte, ungleiche Behandlung. In ihren Video- Performances wie Scale of Injustice nutzt Kawita Vatanajyankur den Schmerz als Zeichen und Instrument des Widerstands.

Die Ausstellung bietet auch ein außergewöhnlich umfangreiches und interessantes Begleitprogramm, darunter am 08.10. 2022 einen FEM ART DAY – in Zusammenarbeit mit der Städtischen Galerie und dem Kunstverein Wolfsburg.

Detaillierte Informationen gibt es auf der Website des Kunstmuseums: www.kunstmuseum.de

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