Ehemaliges Krankenhaus Langer Kamp – Bürgerinitiative gegen Baumkahlschlag und Zerstörung des historischen Gebäudekomplexes

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Die derzeitige Planung sieht den Verlust des Großteils des Gebäude- und Baumbestandes vor

Die derzeitige Planung sieht den Verlust des Großteils des Gebäude- und Baumbestandes vor (Bild: Stadt Braunschweig, Wolfgang Wiechers)

Das Grundstück des ehemaligen Krankenhauses Langer Kamp im östlichen Ringgebiet zeichnet sich durch mehrere Besonderheiten aus. Im Randbereich und in der Mitte gibt es einen großen alten Baumbestand. Alte Backsteinmauern an der Gliesmaroder Straße und am Langer Kamp fassen das Grundstück im Süden und Westen ein. Ein biotopartiger Froschteich mit zahlreichen Fröschen und Fischen befindet bzw. befand sich im Norden des Grundstücks. Der südliche Teil wird  durch das historische Gebäudeensemble des alten Lazaretts im Zusammenhang mit großen alten Bäumen geprägt. Diese Grundsituation gilt es nach Auffassung der Bürgerinitiative weitgehend zu erhalten, da sie heute noch eindrucksvoll die städtebauliche und geschichtliche Bedeutung für die umliegenden Quartiere zeigt.

 Architektenwettbewerb und Bebauungsplan

„ Auch wenn die Lazarettgebäude keinen Denkmalcharakter aufweisen, so handelt es sich städtebaulich und historisch betrachtet, um einen erhaltenswerten Gebäudekomplex“, schreibt die Verwaltung. Sie legte 2009 zu Beginn des Verfahrens einen Testentwurf vor, der zeigt, wie man den bisherigen Charakter des Grundstücks in eine Neubebauung integrieren kann. Leider hat die Verwaltung es versäumt, diese Ziele in der Ausschreibung für einen Architektenwettbewerb festzuschreiben. Warum das Preisgericht bei seiner Entscheidung für den ersten Preis diese wesentlichen Kriterien nicht berücksichtigt hat, ist unverständlich.

Die Stadt Braunschweig hat vor ca. 5 Jahren (Mai 2009) parallel zum Wettbewerb den Aufstellungsbeschluss für den B-Plan „Langer Kamp“ gefasst mit dem Ziel „Neues Wohnen“ und einen Lebensmittel-Vollsortimenter auf dem Grundstück unterzubringen. Die Bebauung soll ein „nachhaltiges und ressourcenschonendes Vorhaben“ werden. „Der Bebauungsplan wird als Bebauungsplan im Sinne des §13a BauGB aufgestellt … die umgebende Mauer und das identitätsstiftende Klinikgebäude an der Gliesmaroder Straße sowie der prägende Baumbestand im Kernbereich sollen möglichst weitestgehend erhalten bleiben.“ heißt es von Seiten der Verwaltung.

Diese Forderung erfüllt der prämierte Entwurf bei Weitem nicht. Es muss daher bezweifelt werden, ob hier die Aufstellung eines B-Planes nach 13a BauGB überhaupt gerechtfertigt ist. Nach § 13a soll. „der Bebauungsplan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen haben, die nach §2, Abs. 4, Satz 4 BauGB zu berücksichtigen wären“ Das heißt, es wird hier auf eine Umweltprüfung verzichtet, obwohl ca. 50 alte große Bäume mit einem Durchschnittsalter von 110 Jahren und einem 1,0 bis 4,5 m bei dem bisher verfolgten Entwurf abgesägt werden müssen. Außerdem wurde bereits vor der Offenlegung des B-Planes ohne Bürgerbeteiligung ein hier vorhandener Froschteich zugeschüttet, in dem mehr als 350 Teichfrösche und über 1.800 Fische lebten (Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage von Dr. Dr. Büchs/ BIBS vom 18.08.2014).Wie viele Lebewesen dabei verendeten, bleibt offen. Das Gewässer soll überbaut werden und das ohne Notwendigkeit. Der Testentwurf der Verwaltung und ein Alternativentwurf des Umweltzentrums und des Netzwerks Gemeinsam Wohnen zeigen, dass es auch anders geht. Im Gegenteil der biotopartige Teich wäre für das Wohngebiet eine Bereicherung gewesen und sollte daher wieder hergestellt werden. Die Anregung, den Bebauungsentwurf zu modifizieren, wird im Rahmen der Auslegung mit Sicherheit kommen. Es muss daher geprüft werden, ob die vorzeitige Beseitigung nicht unrechtmäßig erfolgt ist. Auf jeden Fall stellt sie einen Vertrauensbruch gegenüber den Bürgern dar.

Es muss auch bezweifelt werden, ob es sich hier um ein beschleunigtes Verfahren im Sinne des §13a handeln kann. Immerhin sind seit dem Aufstellungsbeschluss 5 Jahre vergangen und es gibt nicht mal einen Auslegungsbeschluss, geschweige denn einen Satzungsbeschluss. Außerdem werden zurzeit viele große Baugebiete entwickelt (z.B. Weststadt, Nordstadt, Kälberwiese), so dass hier eine besondere Dringlichkeit  nicht erkennbar ist

Das Grundstück (Bild: Stadt Braunschweig)

 Landschaftsrahmenplan

„Das Plangebiet ist gemäß Landschaftsrahmenplan ein kleinflächiger Bereich mit hoher Bedeutung für das Naturleben im Ortsteil.“ Viele derartige Flächen gibt es nicht mehr im Stadtgebiet. Die wenigen müssen unseres Erachtens geschont und nicht durch eine übermäßige Ausnutzung (die geplante Grundflächenzahl und  vorgesehene Geschossflächenzahl liegen hier weit über den Regelwerten der Baunutzungsverordnung) zerstört werden. Auf diesem Grundstück bleiben von ca 130 Bäumen nach der bisherigen Planung nur 24 Bäume stehen.

 Tiere, Pflanzen, Landschaft

„In der Wahrnehmung aus dem öffentlichen Raum kommt dem Plangebiet aufgrund des in die benachbarten Straßenräume wirkenden Altbaumbestandes eine hohe Bedeutung für das Ortsbild zu ).“ So die Verwaltung. Nach dem vorliegenden Entwurf werden fast alle Bäume im Randbereich abgeholzt. Das es auch anders geht, wenn man die Neubebauung Langer Kamp von der Straße abrückt und die drei Altgebäude erhält, zeigen die Entwürfe der Stadt und des Netzwerks Gemeinsam Wohnen.

„Grundsätzlich ist das Plangebiet als Lebensraum für Brutvögel und Fledermäuse geeignet. Zu erwarten sind brütende heimische Vögel.“ Durch die geplanten Eingriffe würde sich der Lebensraum für die oben genannten Tierarten auf ein Minimum verringern.

 Klima, Luft

„Die Neuversiegelung bewirkt zusammen mit der Beseitigung von Vegetationsstrukturen den Verlust von Flächen zur Frischluftproduktion .“ Dem sollte durch die beschriebenen Modifizierungen entgegengewirkt werden.

 Verkehr

Zur internen Verkehrserschließung ist eine Durchgangsstraße vom Langer Kamp zur Gliesmaroder Straße geplant. Das muss nicht sein. Die Straße sollte als „Einhänger“ ausgebildet und das Stück zur Gliesmaroder Straße als Fußweg gestaltet werden. Dann könnten mehr größere Bäume stehen bleiben und der innere Bereich stärker verkehrsberuhigt werden.

 Städtebauliches Konzept

„„Das Leitbild für die Konversion des Areals des Klinikum Gliesmaroder Straße leitet sich unmittelbar aus der vorhandenen hohen Qualität des bestehenden Parks mit seinem imposanten Baumbestand ab“, sagt die Verwaltung. Der vorliegende Entwurf würdigt diesen Tatbestand allerdings völlig unzureichend. Es wird eine unangemessene hohe Verdichtung durch das hohe Maß der baulichen Nutzung erzeugt. Das zieht u.a. einen hohen Stellplatzbedarf nach sich. Die erforderlichen Tiefgaragen wirken erheblich nachteilig in den Naturraum ein.

 Gesamtabwägung

Eindeutig werden in der Abwägung die ökologischen und sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung sowie des Belange des Umweltschutzes nicht genügend berücksichtigt. In der Abwägung schwankt die Verwaltung zwischen den Aussagen „weitgehende Berücksichtigung der vorhandenen Baumsubstanz“ und „den verursachten Verlustes eines großen Teils der vorhandenen Bäume durch die derzeitige Planung“ hin und her. Sie hat wohl gemerkt, dass da etwas nicht stimmt. Große Gewinne aus hochpreisigem verdichteten Wohnungsbau scheinen wichtiger zu sein als Umweltbelange und soziale Bedürfnisse der Bevölkerung.

 Forderungen der Bürgerinitiative

Die Bürgerinitiative fordert, dass die Planung noch einmal im Sinne der beiden beschriebenen Bebauungsvarianten modifiziert wird. Es sollen mehr Bäume erhalten, der biotopartige Froschteich wieder hergestellt werden und vor allem auch die drei wertvollen historischen Gebäude erhalten und für Mehrgenerationenwohnen mit einem Nachbarschaftstreffpunkt umgebaut werden, wie es auch der Stadtbezirksrat Östlicher Ring wünscht. Statt 24 alter Bäume könnten ca. 70 alte Bäume auf dem Grundstück erhalten werden. Das wäre eine zeitgemäße nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die für nachfolgende Generationen die historischen und ökologischen Besonderheiten für das Quartier bewahrt.

Es handelt sich hier um ein ganz besonderes Grundstück, dass sich hervorragend für neue Wohnformen wie z. B. eine in Grün eingebettete autofreie Wohnsiedlung eignet. Eine hochverdichtete formalistisch pathetische geprägte Bebauung ist hier nicht angebracht Dafür gibt es genügend andere Baugrundstücke. Die Krankenhausgebäude sollten auf jeden Fall entsprechend der historischen Grundfigur erhalten und umgenutzt werden.

Die Bürgerinitiative wird vom Umweltzentrum, dem Netzwerk Gemeinsam Wohnen, dem BUND, und dem Braunschweiger Forum unterstützt. Weitere Vereine und Verbände haben ihre Unterstützung angekündigt.

 

Der Froschteich (Foto: Wolfgang Wiechers)

 

 Das städtebauliche Konzept des Netzwerks Gemeinsam Wohnen erhält die alte Bausubstanz und viel Grün (Grafik: Wolfgang Wiechers)

 

Das Netzwerk plant Mehrgenerationswohnen in den drei ehemaligen Krankenhausgebäuden (Grafik: Wolfgang Wiechers)

 

Kontaktadresse: 

Umweltzentrum e.V. Braunschweig  Ferdinandstr. 7 

38118 Braunschweig  0531 / 1259921

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