Die Irrtümer der Befürworter von Sanktionen

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Die Wirtschaft auf Talfahrt Foto Pixabay

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland wirken – ganz sicher jedenfalls auf die eigene Bevölkerung, allerdings weniger gegen die russische Fähigkeit, den Krieg weiterzuführen. Normal wäre es angesichts dieser Lage, dass die Regierung überprüft, ob ihre Annahmen über die Wirkung der Sanktionen richtig waren, und dann, falls sie zu dem Ergebnis kommt, dass die erwartete Wirkung verfehlt wurde, diese Politik abändert. Ebenfalls normal wäre es, dass die Medien die Sache selbständig untersuchen, um wenigstens die Vor- und die Nachteile aufzuzeigen und dann eventuell Konsequenzen anzuregen: die Rücknahme bestimmter Sanktionen oder die Änderung der gesamten Sanktionspolitik. Aber von dieser Normalität sind wir offensichtlich weit entfernt.

Geht doch: Pro und Contra Sanktionen in einer Zeitschrift

Aber es gibt eine kleine Oase in dieser Wüste des Wegschauens und des Gar-nicht-wissen-Wollens. In der Zeitschrift „Internationale Politik“ (Auflage etwa 5000 Exemplare) beginnen zwei Wissenschaftler die sachliche Auseinandersetzung über die Sanktionspolitik (Ausgabe 25.10.2022). Der eine, Heribert Dieter, kommt zu folgendem Ergebnis:

„Der Nutzen ist begrenzt, aber die von den Sanktionen verursachten Kollateralschäden … sind enorm. … Schon im Interesse der eigenen Bevölkerung wäre es geboten, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufzuheben.“

Sein Kollege, Guntram Wolff, zieht dagegen folgende Schlussfolgerung: „Die Sanktionen haben Russlands wirtschaftliche und militärische Fähigkeiten erheblich geschwächt. Deutschland sollte sie mit Partnern aufrechterhalten und verschärfen, um die Ukraine weiterhin zu unterstützen.“

Beide legen ihre gut nachvollziehbaren Argumente auf je fünf Seiten dar, die hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden können. Vielmehr soll auf den besonders wichtigen Aspekt der Energiesanktionen eingegangen werden, die sowohl die eigene Bevölkerung als auch viele Entwicklungs- und Schwellenländer besonders hart treffen.

Energiesanktionen insgesamt ineffektiv“

Heribert Dieter kann hier kaum Anzeichen einer wirtschaftlichen Schwächung Russlands erkennen. Bei den Ölexporten seien die russischen Einnahmen gegenüber dem Vorjahr sogar um ein Drittel gestiegen. Russland sei flüssig genug, um auch ohne Gasexporte nach Europa gut zurechtzukommen. Aber auch Guntram Wolff kommt in dieser Frage zu einem ähnlichen Ergebnis: Die Einnahmen Russlands seien „nicht signifikant reduziert“, die Weltmarktpreise für Energieträger seien „nach oben getrieben“, deshalb sei festzustellen: „Mit den verbliebenen Exporten verdient Putin aber weiterhin gutes Geld“. Sein Fazit:

„Insgesamt waren die Energiesanktionen ineffektiv.“

Also: der Teil der Sanktionen, der uns Bürgern schwer zu schaffen macht und der unsere Wirtschaft ins Schlingern zu bringen droht, ist wirkungslos. Er hat sein Ziel verfehlt! Was läge da näher, als zumindest diese Sanktionen zurückzunehmen oder gezielt abzuändern?

Aber, wie Dieter mit Bedauern feststellt:

„Wenig diskutiert wird indessen, ob die Wirtschaftssanktionen kluge Politik sind. Die Frage, was geschieht, wenn der sanktionierte Staat seinen Angriffskrieg nicht beendet, fand und findet nur wenig Raum in den Debatten. Dies ist fahrlässig.“

Augen zu und durch“ – keine kluge Politik!

Von einer guten Regierung hätte man erwarten können, dass sie die verschiedenen Folgewirkungen der Sanktionspolitik von ihren Fachleuten vorher durchspielen lässt, um eine zielgerichtete Politik ohne große Schäden für die eigene Bevölkerung zu entwickeln. Das ist offenbar versäumt worden.

Aber dass nun, wo der Fehler offensichtlich geworden ist, einfach nach dem Motto „Augen zu und durch“ verfahren wird, das ist sträfliche Unterlassung. Immerhin hat jedes Mitglied der Regierung im Bundestag geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Zwar hat die Regierung Einiges auf den Weg gebracht, um diesen Schaden zu verringern, dies aber nur teilweise, zu einem hohen Preis und ziemlich sicher nicht auf Dauer.

Dabei ist es ganz einfach: Irrtümer muss man sich eingestehen und sie dann korrigieren. Das ist in der Politik nicht anders als im Leben eines jeden Menschen.

Nachbemerkung: Die genannten Aufsätze finden sich unter der Überschrift „Was bringen die Sanktionen gegen Russland?“ in der Zeitschrift „Internationale Politik“ (25.10.2022), die von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) herausgegeben wird.

Dabei nennt Wolff (PRO) einige Sanktionen (v. a. fortschrittliche Technologien betreffend), die durchaus eine Wirkung haben. Dieter (CONTRA) weitet den Blick auf die vielen Länder, die von den Sanktionen heftig betroffen sind, aber vorher nicht von den westlichen Ländern konsultiert oder gar um Zustimmung gebeten worden seien. Er weist auch auf negative Folgen für die Weltwirtschaft hin, die den Westen selber teuer zu stehen kommen können.

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