Braunschweig schau hin, nicht auf!
“Wenn der Kapitalismus wankt und der Glaube an den allein seligmachenden Markt zerfällt, dann hat doch der Braunschweiger etwas, zu dem er aufschauen kann…“ schreibt eine kluge Braunschweigerin vor meinereiner. Ich frage mich, ob das nicht sogar doppelt fatal ist? Wenn man den schwarzen Freitagen, Montagen und Donerstagen des Kapitalismusgottes Mammon nicht mehr trauen kann, sollte man zumindest keine falschen Gottheiten als anbetungswürdig auf falsche Schlösser montieren. NEULICH… ziemlich ratlos!
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Brunonia – woher du Himmelsgleiche?
Angeblich ist „unsre Stadtgöttin“ Brunonia die von den sog. Brunonen abgeleitete, symbolhafte Landesgöttin des Herzogtums und des Landes Braunschweig. Allein schon dafür finden sich jedoch keinerlei Belege. Ist die zu Doppelkinn neigende, einen recht unmodischen Hut der Création „Stadtmauer“ tragende, etwas massige Masse, das, was ein Braunschweiger anbeten und sich eine (wesentlich attraktivere) Braunschweiger zum Aufblicken, als Vorbild nehmen möchte? Ist sie zudem aber Göttin?
Ich fürchte nein – zuerst gilt es hier die Wurzeln dieser „Gottheit“ zu erforschen, was uns zu den Brunonen kommen lässt, angeblich ja die, die der Göttin ihren Namen gegeben haben. Diese waren, wie uns bescheidene Quellen künden, ein Adelsgeschlecht des 10. bis 11. Jahrhundert, wo man bereits weitestgehend – auch hierzulande – zum Christentum überzugehen pflegte. Teilweise auch, indem man als guter heidnischer (Nieder)Sachse dabei unter Karls Christeneifer sprichwörtlich seinen Kopf dabei verlor.
Der angebliche Stammesname „Brunonen“ soll sich vom vermeintlichen Stammvater Herzog Brun (auch Bruno genannt) von Sachsen abgeleitet haben. Brun verstarb jedoch um 880, mehr ist über ihn nicht bekannt. Ein Typ namens Brun soll zudem auch Braunschweig gegründet haben, dem die Stadt zudem ihren Namen verdankt. Graf Brun I. trat erst um 1002 erfolglos als Bewerber um die Krone an und zwischendurch gab es keine Bruns oder Brunos, die den Stammesnamen weiterführten. Man legte offensichtlich nicht allzuviel Wert auf die Bruns und so dürfte jeder langsam ahnen, dass mit diesen Ahnen mit Sicherheit keine Göttin gleichen Namens vorhanden gewesen sein dürfte. Im eigentlichen Sinne dürfte es zudem auch offiziell keine „Brunonen“ gegeben haben.
Diese Benennung haben spätere Historiker mangels anderer Bezeichnungen hervor gebracht – alle Abkömmlinge Bruns wurden in Brunonen kategorisiert. Ein Stamm, der sich von sich aus so benannt hat, ist eher nicht vorhanden gewesen.
Wo kein Brunonenstamm – da auch keine Göttin gleichen Namens
So betet man u.U. ein falsches Ebenbild an. Aber das ist vielleicht nur bei den Katholen strafbar, weiß ein Narr wie meinereins nicht so genau. Protestanten und -onkel dürfen also zu falschen Göttern aufblicken, schau – schau! Weshalb aber dann eine erfundene Stadtgöttin? wird sich hier mancher zu fragen beginnen.Tja, es ist offensichtlich ein wenig so, wie die kluge Autorin vor mir deutlich machte. Hinzu kommen aber auch sich immer wiederholende „Zelebrations“ diverser politisch Ambitionierter.
Schöpfer der Göttin – Hohwaldt
Die falsche Göttin ist eine Erfindung unserer Christenstadtväter aus dem 18. Jahrhundert und eine Wiederbeatmung der Kopflosen durch unsere jetzigen Stadtväter. Sie wurde damals – welch‘ Zufall – zeitgleich mit Germania hergestellt. Und auch eine Germania gab es nie. Geschaffen hat sie der Erzgießer Howaldt, der reichlich Geschäfte damit zu machen wusste und sich eine Dynastie hier in Braunschweig und zudem in Kiel (Howaldt-Werft) aufbauen konnte. Die Howaldts gossen Göttinnen genausogut wie Schiffe zur Rüstungindustrie. All diese merkwürdigen „Schöpfungen“ zeigen, dass man gerade in verzweifelten Jahren mangels anderer problemlösender Innovationen lieber zu Altbewährtem greift und gegriffen hat – zum personifizierten Gott-hilf-uns! – hier in weiblichem Gewande erscheinend.
Auch heutzutage scheint den Verantwortlichen in Land und Stadt – wie auch unserem Braunschweiger Rat(losen) nichts anderes als solche Vergöttlichung oder Attrappen anderer Art einzufallen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gingen die Bestrebungen, das in Kleinstaaten aufgeteilte Deutschland wieder zu vereinigen, mit einem Anwachsen des deutschen Nationalismus einher. Das Ganze wurde untermauert mit Figuren, Symbolismus, Historismus und Besinnung auf die ur-deutschen bzw. -germanischen Werte. Ein Schelm, wer hier Böses vermutet. Ein Weiser jedoch, wer hier weder jubelt, in Anbetung niedersinkt noch ehrfürchtig auf- – sondern hinschaut, und zwar recht genau … sieht Ulenspiegel