noch bis zum 29. Februar in der Stadtbibliothek Braunschweig
Viel Raum braucht sie nicht, diese wichtige, informative, berührende Schau in der ersten Etage der Braunschweiger Stadtbibliothek.

Komprimiertes Wissen auf Schautafeln, die vielleicht gerade wegen ihrer dokumentarischen Sachlichkeit und Kompetenz emotional so berührend sind, erzählen die Geschichte der sogenannten „Polenaktion“ .


Durch diese formal legale Massendeportation wurden Ende Oktober 1938 rund 25.000 Menschen aus dem Deutschen Reich bei Nacht und Nebel brutal nach Polen „ausgewiesen“.

Verfolgt wurden sie als Jüdinnen und Juden polnischer Staatsangehörigkeit, die allerdings mehrheitlich seit Jahrzehnten oder seit ihrer Geburt in Deutschland ansässig waren und meist auch die polnische Sprache nicht beherrschten.

Durch das „Reichsgesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“ vom 14. Juli 1933 wurden sie mit einem Federstrich zu unerwünschten Ausländern erklärt.


Den Gesetzestext auf der Schautafel nachzulesen, sollte Besucher*in auf keinen Fall versäumen. Schon Paragraf 1 gibt zu denken. Unmittelbar beim Lesen stellen sich bereits grauenvolle Parallelen zu aktuellen Denkmodellen her. Die Formulierungen jedenfalls klingen im Tenor vertraut und im Gründe müsste nur das Datum aktualisiert werden:
Reichsgesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933:
§ 1
Einbürgerungen, die in der Zeit zwischen dem 9. November 1918 und dem 30. Januar 1933 vorgenommen worden sind, können widerrufen werden, falls die Einbürgerung nicht als erwünscht anzusehen ist.

Die biografischen Tafeln erzählen die Lebenswege und Schicksale von Menschen aus deutschen Orten, deren Leben und Existenz durch den legalisierten Raub von bürgerlichen Rechten zerstört wurde.

Auf Kontexttafeln werden kurz und kompetent Hintergründe erläutert. Gezeigt werden neben Dokumenten der Verfolgung und Ermordung auch private Familienfotos, die das Leben vor der Ausweisung veranschaulichen oder vom Weiterleben nach 1945 erzählen.

Auch der Braunschweiger Familie Kanowski und ihrem Schicksal, das bestimmt wurde durch juristisch legalisierten Judenhass und institutionalisierte Fremdenfeindlichkeit, ist eine der emotional ergreifenden Kontext-Tafel gewidmet.


Führung durch die Ausstellung mit der Kuratorin Dr. Alina Bothe : Samstag, 17.02.24, 13:00 Uhr
Thematisch anknüpfende Stadtführung zu Stolpersteinen: Samstag, 10.02.24, 13:00 Uhr
Treffpunkt ist jeweils vor dem Eingang der Stadtbibliothek.
Der Eintritt ist frei und jederzeit während der Öffnungszeiten der Stadtbibliothek (Mo-Fr, 10-18 Uhr, Sa 10-14 Uhr) möglich.
Weitere Informationen auf:
Eine sehr wichtige Ausstellung! Ich frage mich, ob die sogenannten „Boxheimer Dokumente“
die Vorbereitung für die Deportationen 1933 waren. Die DFGVK Darmstadt hat dazu recherchiert. Unter dem Link https://dfg-vk-darmstadt.de/Lexikon_Auflage_2/BoxheimerDokumente.htm sind die grausamen Vorbereitungen veröffentlicht. Es sind durchaus Parallelen zum geheimen Treffen der Rechtsradikalen in der Potsdamer Villa Adlon zu erkennen.
Bleiben wir wachsam!