Zwischenruf des Denkwerks Zukunft „Zukunftssehnsucht“

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Derzeit hat die Sehnsucht nach verlorener nationaler und kultureller Größe wieder Konjunktur. Der Konservative schaut generell sehnsuchtsvoll auf das Gewesene, Hergebrachte, es macht ihn aus, es ist eine Eigenart, die ihn von Liberalen, Sozialisten und Garantisten unterscheidet, wie ein anthropologisches Sosein, das so berechtigt ist wie dunkle Haare. Doch an seinem rechten oder präziser: tiefen Rand wuchert immer schon seine Zuspitzung, die das vergangene Eigene monströs überspitzt. Wie schön war doch das große deutsche (italienische, osmanische, russische, spanische, europäische usf.) Reich! Jetzt ist alles im Dreck. Schuld ist der Westen bzw. Amerika, sind die Liberalen, der Markt, bisweilen die Juden, die Feministinnen usf., die jene großen Zeiten verachten. Von Curzio Malaparte über Ernst Jünger bis Botho Strauß reicht die Riege der tiefkonservativen Modernekritik. Was genau so schön war damals, bleibt bewusst unklar. Die Zukunft jedenfalls ist düster.

Gegen jenes misanthrope, in der Regel von zerknitterten Männern vorgetragene Denken halte ich es mit der Zukunftssehnsucht. Ich freue mich jeden Tag auf den Gang zum Briefkasten und, leider der Konzentration abträglich, auf mein Emailpostfach. Was kommt, ist vielleicht nicht immer gut, aber in der Summe immer besser als das, was war. Ist das einfach nur Optimismus oder Naivität? Ich nenne diese Haltung Zukunftssehnsucht, weil sie sich auf Morgen und über Kreativität, über Poesis und Poesie freut, neugierig ist, Neues wissen will. Zukunftssehnsucht ist die Haltung der Zukunftsforschung.  
 
Prof. Dr. Michale Opielka ist wissenschaftlicher Direktor des IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin und lehrt an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. – Weitere Zwischenrufe des Denkwerks Zukunft finden Sie hier.

 

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