„Wir rocken das Leben“

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Seit gut einem Jahr gibt es auf dem Städtischen Friedhof ein Mahnmal für Braunschweiger Opfer der NS-„Euthanasie“. Am 28. Mai 2019, fast auf den Tag genau, feierten die Gedenkstätte Friedenskapelle (Helmstedter Straße) und die Projektgruppe Mahnmal den ersten Jahrestag seiner Einweihung mit einem lebensfrohen Konzert.

„Erinnern und Mahnen ist wichtig, und das müssen wir auch weiterhin tun“, sagte Regina Blume vom Vorstand der Gedenkstätte in ihrer Begrüßungsrede. „Doch wir müssen den Blick auch von der Vergangenheit lösen und auf das Heute schauen“, fuhr sie fort. „Unsere Projektgruppe wollte und will noch immer dazu beitragen, dass ‚so etwas’ nie wieder passiert. Doch wenn man sich in unserer Welt umschaut, dann sieht man, dass ‚so etwas’ nach wie vor passiert.“ Und sie erläuterte, warum die Stele des Mahnmals aus Glas ist: Man steht vor der Stele und liest die Namen der 27 Menschen, die „Ballast-Existenzen“ genannt und ermordet wurden. Und der Blick geht durch das Glas hindurch auf den grünen Rasen, auf die Büsche und Bäume, auf den Lauf der Jahreszeiten – auf das Hier und Jetzt.

Foto: © Adriano Velardo

Deshalb gab es an diesem Abend keine besinnliche Gedenk- und Erinnerungsstunde. Die Veranstalter wollten ein Zeichen setzen: Wir rocken das Leben! Hier und Heute! „Wir müssen die Menschenwürde schätzen und schützen. Jeder Mensch kann das Leben der anderen bereichern, gemeinsam können wir tolle Dinge erleben“, so Regina Blume. Wer verkörpert das besser als die inklusive Band The Mix aus Neuerkerode. „Wir sind unterwegs für Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Bei uns läuft’s ganz gut, aber es gibt ganz viele andere Ecken, wo es noch ein bisschen besser laufen könnte“, sagte Peter Savic, der Bandleader.

Foto: © Adriano Velardo

Und dann heizte die Band, die dieses Jahr ihr 10-jähriges Jubiläum feiert, den Gästen richtig ein. Der Funke sprang sofort auf das Publikum über. Von „Lass mich sein, wie ich bin“ bis „Wo geht die Reise hin“ – die kraftvolle Botschaft für die Grundrechte von Menschen mit Behinderung war nicht zu überhören. An den Wänden und Decken der Friedenskapelle stumme Zeugnisse von Krieg und Gewalt, im Raum Menschen, die laut und lebhaft das Leben und das Miteinander feiern und die 27 Ermordeten nicht vergessen haben. Der Abend war ein eindrucksvolles Bekenntnis zu Vielfalt, Solidarität und Offenheit, gegen Ausgrenzung, menschenfeindliche Einstellungen und Hass. Krass (übrigens auch ein Titel von The Mix)!

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