Wir brauchen harte, gesicherte Fakten statt nur scheinbar objektive u. Diskussion

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Labor Foto: Michal Jarmoluk auf Pixabay

Man braucht nur gut 2000 Stichproben nach dem Zufallsprinzip erheben, um einen objektiven Überblick von der Durchseuchung Deutschlands zu erhalten. Im Vergleich zu 350.000 Tests je Tag ist das ein nichts. Island hat das bereits getan, Österreich hat es vor. So etwas zu unterlassen ist reiner Dilettantismus. Ich spreche damit keineswegs gegen die Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von Covid-19, sondern bin für strenge Auflagen. Zu dem Thema das folgende Interview mit dem Statistikprofessor Gerd Bosbach und im Anschluss eine Kritik zu dem Interview von Andreas Matthies. Darüber hinaus empfehle ich den Kommentar von Uwe Meier zu lesen! (b.k.)

Neue Ansage durch die Bundeskanzlerin: Bis mindestens 19. April bleibt der Shutdown der Gesellschaft bestehen. Erst wenn sich der Anstieg der Infiziertenzahlen deutlich verlangsamt hat, sollen Lockerungen denkbar sein. Die Zielvorgabe ist so schwammig, wie sie mit immer mehr Tests praktisch unerreichbar wird. „Dann kann man noch Monate so weiter machen“, meint Statistikprofessor Gerd Bosbach. Im Interview mit den NachDenkSeiten appelliert er an die Bundesregierung, endlich belastbare Daten zur Verbreitung des Corona-Virus in der Gesamtbevölkerung zu liefern. Erst dann könne man sich ein Bild zur Gefährlichkeit der Krankheit machen und die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen auf ihre Sinnhaftigkeit prüfen. Das Gespräch führte Ralf Wurzbacher. Das Interview.

Kritik dazu von Andreas Matthies (11:30 Uhr 4.März):

Bosbach zeigt m. E. einige Schwachstellen:

Dass die Bundesregierung oder das RKI ständig Infizierte mit Erkrankten verwechselt, stimmt nicht. Von Anfang an nicht.

Dass die Regierung plötzlich vom 10-Tagesziel abgerückt sei, das sie zu Beginn der Maßnahmen als Ziel angegeben habe, ist ebenfalls nicht zutreffend. Denn sie hat keineswegs anfangs so etwas wie das 10-Tagesziel vorgegeben, nach dessen Erreichen die Maßnahmen gelockert würden. Das ist zwischendurch mal durch die Medien gegangen, aber nie offiziell als Zielvorgabe genannt worden.

Dass das RKI nur zweimal die Testzahlen angegeben hat, mag sein. Bosbach erklärt es z. T. selber aus den objektiven Schwierigkeiten. Dass er dann aber als bewusste Absicht unterstellt, es halte die Zahlen zurück, ist dreist und entspricht nicht der Wahrheit. Ich schaue mir oft die Pressekonferenzen des RKI an, da stellen viele Journalisten alle möglichen Fragen, die dann auch beantwortet werden. Dass bestimmte Daten nur dank des „Rechercheeifers von Journalisten“ herausgekommen sind, ist völlig überzogen.

Der von ihm unterstellte Altersrassismus ist eine seltsame Einbildung seitens Bosbachs. Er sagt, „Alte auszugrenzen nutzt Jungen gar nichts“. Aber wer macht das, wer behauptet, dass die Alten als Virusträger für die Jüngeren besonders gefährlich sind? Ich kenne niemanden. Vielmehr werden die Alten zu Recht als besonders gefährdete Gruppe angesehen. Hier liegt er komplett daneben.

Das Vorhaben, eine repräsentative Stichprobe zu versuchen, ist sicher gut. Das wird ja nun in Heinsberg und in München, und da im großen Stil, versucht. Ob es uns wirklich weiter bringt, wird man sehen. Sicher ist es nicht.

Seine Bemerkung, man könne die Verhältnisse in Luxemburg und in Österreich mit geringen Abstrichen dann auf Deutschland übertragen, halte ich für völlig willkürlich. Sowieso besteht ja bei einem Test innerhalb Deutschlands die Frage, wie die respräsentative Gruppe ausgewählt werden kann; Heinsberg ist sicher nicht dafür geeignet (für andere Zwecke aber sehr), München wohl auch nicht. Die Regionen unterscheiden sich eben sehr. Anders als bei einer politischen Repräsentativumfrage, wo man ziemlich gesicherte Grundlagen hat, ist hier ja das Problem, eine sichere Grundlage überhaupt zu finden.

Es stimmt zwar, dass man, wenn man mehr testet, auch mehr Infizierte findet. Aber: alle kritischen Geister haben von Anfang an gefordert, testen, testen, testen! Und immerhin ist ja interessant, dass bei den Tests in Deutschland nur zwischen 7 und 8 % positiv sind. Und das, obwohl Bosbach selber feststellt, dass die Testpersonen oft schon Symptome zeigen, also eine Negativauswahl sind. Das wiederum könnte (!) darauf hindeuten, dass die Dunkelziffer nicht so hoch ist, wie oft unterstellt wird. Jedenfalls beruft sich Drosten etwa darauf, dass wir in Deutschland sehr früh zu testen begonnen haben, während in Italien viel zu spät damit begonnen wurde. Wenn das so ist, sollte man es nicht nur anerkennen, sondern benennen, weil sich darauf ergeben könnte, dass die Dunkelziffer in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich sein kann.   

In anderen Aspekten hat er sicher Recht, auch mit der Kritik an der Untätigkeit des RKI in wichtigen Fragen. Dass das RKI seine Rolle von Anfang an nicht richtig ausgefüllt hat, lässt sich ja schon an der mangelhaften Vorbereitung erkennen. – Aber insgesamt lässt er sich doch zu unpassenden Unterstellungen hinreißen und scheint mir, ehrlich gesagt, in mehreren wichtigen Aspekten nicht ganz auf der Höhe zu sein.

1 Kommentar

  1. Das RKI ist eine wissenschaftliche Institution UND ein Bundesinstitut. Es ist also nicht unabhängig.
    Mir verweigerte man trotz schwerer Sympome eine Probenahme auch mit dem Hinweis, dass die Kapazitäten nicht ausreichten. Der offizielle Hinweis war, dass nur die Symptome nicht ausreichen für eine verdachtsorientierte Probenahme, ich müsse auch aus einem ausgewiesenen Befallsgebiet kommen. Das hätte das RKI so vorgeschrieben. Das sind natürlich keine wissenschaftlichen RKI-Vorgaben sondern politische. Mein Hinweis, dass ich aber wahrscheinlich mit einem Corona-Positiven Menschen zusammen war, war zu dem Zeitpunkt nicht überzeugend. Eine Woche später jedoch war mein Argument auch in der RKI-Richtline.

    Übrigens bin ich Positv getestet worden, weil ich auf einem Test bei einem anderen Arzt bestand und die Kostenübernahme garantierte. In der Zwischenzeit hätte ich noch viele Menschen anstecken können, wenn ich mich nicht selbst in Quarantäne gestellt hätte.

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