Vor 80 Jahren: Mitglieder der „Roten Kapelle“ hingerichtet

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Von Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR)

Kurz vor Weihnachten, am 22. Dezember 1942, wurden in der Hinrichtungsstätte Plötzensee in Berlin elf Frauen und Männer aus dem deutschen antifaschistischen Widerstand wegen Hochverrats hingerichtet, darunter Harro Schulze-Boysen und seine Ehefrau Libertas sowie Arvid Harnack. Die Gestapo sah in ihnen die führenden Köpfe eines internationalen antifaschistischen Netzwerkes, was sie unter dem Namen „Rote Kapelle“ zusammengefasst hatte.


Tatsächlich gab es ein solches Netz, dem auch die Schulze-Boysen/Harnack-Organisation zugerechnet werden kann, das von Leopold Trepper in Paris, Brüssel und weiteren Orten aufgebaut worden war. Sie leisteten neben praktischem Widerstand gegen die deutschen Okkupanten auch nachrichtendienstliche Aufklärungsarbeit im Auftrag des sowjetischen militärischen Nachrichtendienstes (GRU). Trepper selber erklärte in einem Bericht vom Sommer 1943, dass von Mai 1940 bis November 1942 durch dieses Netzwerk in Frankreich, Belgien, Holland und Deutschland 1500 Funksprüche nach Moskau gegangen seien.  

Namentlich bekannt sind bis heute ca. 400 Personen, die dem Netzwerk der „Roten Kapelle“ zugerechnet werden können. Wie die Forschung heute weiß, waren sie in gut zehn verschiedenen Organisationszusammenhängen eingebunden. Sie druckten illegale Flugblätter, halfen politisch und rassisch Verfolgten und dokumentierten die Verbrechen des NS-Regimes.

Im Deutschen Reich umfasste das Netz etwa 150 Künstler, Studenten, Arbeiter, Beamte und Intellektuelle, darunter viele Frauen, die in kleinen informellen Zirkeln auf Initiative von Harro Schulze-Boysen und dem Regierungsrat Arvid Harnack zusammenarbeiteten. Da Schulze-Boysen als Offizier im Reichsluftfahrtministerium Informationen über den geplanten Angriff auf die Sowjetunion besaß, übermittelte er am 17. Juni 1941, fünf Tage vor dem Überfall, eine Warnung an die sowjetische Botschaft in Berlin, die diese nach Moskau weiterleitete. Nach dem Überfall versuchten Mitglieder der Gruppe, selber Funkkontakt nach Moskau herzustellen, um militärische Informationen direkt weiterzugeben.

Darüber hinaus halfen die Nazigegner Verfolgten bei der Flucht, versorgten Zwangsarbeiter mit Lebensmitteln, versuchten, das Ausland über deutsche Kriegspläne zu informieren und klebten in Berlin antifaschistische Zettel an Hauswände. Bereits im Frühjahr 1942 verbreitete die Gruppe die Parole: „Dieser Krieg ist verloren“.

Es dauerte bis Herbst 1942, bis es der Gestapo gelang, diesen deutschen Teil des Netzwerkes zu enttarnen. Über 100 Frauen und Männer wurden verhaftet. Der erste Prozess fand vor dem Reichskriegsgericht statt, obwohl die meisten von ihnen Zivilisten waren. Natürlich war es kein rechtstaatliches Verfahren. Die Urteile standen fest. In den Prozessen wurden 30 Männer und 19 Frauen vom Kriegsgericht zum Tode verurteilt. Elf der Urteile wurden bereits am 22. Dezember 1942 in Berlin Plötzensee vollstreckt – durch den Strang oder das Fallbeil. Die übrigen Angeklagten wurden zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt.

Im November 1942 war es der Gestapo auch in Frankreich gelungen, Aktivisten der „Roten Kapelle“, darunter Leopold Trepper zu verhaftet. Bei den Verhören ging Trepper zum Schein auf das Angebot der Gestapo ein, als Doppelagent ein „Funkspiel“ für den deutschen Auslandsgeheimdienst zu betreiben. Bei dieser Tätigkeit gelang ihm am 13. September 1943 die Flucht aus der Gestapo-Haft. Er hielt sich einige Monate illegal in Frankreich verborgen, bevor er schließlich am Kriegsende nach Moskau fliehen konnte.

Um diesen antifaschistischen Widerstand gab es insbesondere in der deutschen Erinnerung viele Jahre scharfe geschichtspolitische Auseinandersetzungen. In der BRD wurde der „Roten Kapelle“ viele Jahrzehnte die Anerkennung als Widerstandsgruppe verweigert. Geprägt durch das Denken des kalten Krieges betrachtete man sie vor allem als „sowjetische Spionage-Organisation“, was keine Würdigung als Widerstandskämpfer zuließ. Selbst der US-Geheimdienst CIC beobachtete seit 1947 überlebende Mitglieder der Roten Kapelle als angebliche Sowjet-Spione.

In der DDR dagegen wurde der Widerstand dieser Gruppe vor allem auf die Kundschafter-Tätigkeit fokussiert, die sie während des Krieges auf Weisung des sowjetischen Geheimdienstes für die gute Sache betrieben hätten. Auch damit wurde der Widerstand in seiner ganzen Breite auf einen Bereich reduziert.

Die FIR würdigt das Handeln dieser Frauen und Männer der „Roten Kapelle“ als großartigen Beitrag des internationalen Widerstands in den Reihen der Anti-Hitler-Koalition.  

1 Kommentar

  1. Ich möchte ergänzen, dass auch Adam Kuckhoff (1887-1943) zur Roten Kapelle gehörte. Kuckhoff hatte eine lange Beziehung zu Wolfenbüttel. Er war nacheinander mit zwei Wolfenbütteler Frauen verheiratet und hat sehr dazu beigetragen, dass der beabsichtigte Abriss des Lessinghauses nicht erfolgte. Er wurde am 5. August 1943 in Plötzensee hingerichtet.
    Jürgen Kumlehn, Erinnerer

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