Der Klangkünstler Ulrich Eller im Herzog Anton Ulrich Museum:
Begegnungen mit dem ursprünglich Nicht-Vorher-Gesehenen
zu erleben bis zum 16. 03. 2025
Im opulenten Treppenhaus: Töne, Echos, Stimmengewirr.
Stimmen lesen Objekttexte aus der Gemäldegalerie.
Die Texte, die Stimmen vermischen sich, lösen sich auf durch Überlagerungen, Dopplungen, Rückkopplungen, Verdichtungen.
Das Treppenhaus wird zum babylonischen, archaischen Sprachraum.
In der Skulpturengalerie: Rascheln und Knistern aus weißen Papiertüten, aufgereiht auf Schau-Schränken.
Im zweiten Raum: eine sechsteilige Klangskulptur:
Gänsedaunen unter Glasglocken, aufbewahrt in Lautsprechern.
Ein Ton wird abgespielt, der so tief ist, dass man ihn nicht mehr hören kann, doch er bewegt sanft die Daunen.
In der Gemäldegalerie: aus den Sitzinseln klingen, pulsieren feine Tonstrukturen.
Entstanden sind sie durch das Anzupfen von zwei Saiten eines Flügels.
Pling-Plong nennt sie der Künstler.
Sie schaffen in ihrer Neutralität eigene klangliche, aussagelose Kontexte.
Und dann – mitten in all den ikonisch klassischen Gemälden: eine Stahlstruktur „die Himmelsleiter“, behangen, bewuchtert mit kleinen Lautsprechern.
Auch hier pulsieren Tonstrukturen, verknüpfen akkustisch die Räume der Galerie, unterwandern aber auch frech die gewohnte Bildrezeption, konterkarieren das klassische Überwältigungsprogramm (Ulrich Eller) dieser Sammlung erhabener Meisterwerke.
Friedrich von Hardenberg, Salineninspektor und frühromantischer Dichter (da nannte er sich Novalis) schrieb vor 220 Jahren über die Wichtigkeit von Romantisierung, für ihn bedeutete es die qualitative Potenzierung, die magische Aufladung unserer alltäglichen Welt.
Die Werke von Vermeer, Rembrandt, Rubens, Giorgione, Palma Vecchio, Veronese, Rigaud, Boucher, Adam Elsheimer, sie alle kann man heute in seinem dichterischen Sinn durchaus als schwer romantisiert, magisch aufgeladen oder sogar als überladen betrachten.
Und das Museumsgebäude selbst wohl auch, die „Bildermaschine“, wie Ulrich Eller es nennt.
Was passiert wohl mit dieser Maschine (und natürlich den Besuchern), wenn etwas Unerwartetes hinzugefügt wird?
Will der Klangkünstler (und ehemalige HBK Professor) Eller mit seinen Klängen, Objekten, Positionen, Interventionen (oder vielleicht besser Irritationen?) eine anti-magische „Entladung“ provozieren?
Will er ikonische Betrachtungs-Konzepte durch Hörmomente erweitern?
Mit Tönen die traditionelle Bildrezeption unterwandern?
Ist es eine künstlerisch-provokante Unterbrechung der gewohnten Bewunderungs- und Genußrezeption?
Schwingt und klingt vielleicht sogar Ironie in Ellers Pling-Plong, in all den Tönen, Klängen und Objekten mit denen er das HAUM künstlerisch „okkupiert“ hat?
Das wäre natürlich alles wunderbar.
Besucher:in sollte es genießen, so phantasievoll und klug und unterhaltend irritiert zu werden.
In der Sonderausstellung mit der Werkschau des Künstlers im Erdgeschoss wird gezeigt, wie liebevoll, exzentrisch und staunenswert der Künstler, der auch gern bei offenem Fenster Verkehrsgeräusche einer Straße genießt, mit all den Tönen und Geräuschen, die ihm überall begegnen, seine akustischen und visuellen Welten und Kunstwerke schafft.
Bilder entstehen aus von ihm zerstückelten Sätzen auf Grußpostkarten, wir finden eine Serie aus fotografiertem Staub, eine Installation aus Verpackungskartons (mit Klang) oder „Speaker-Paintings“: Lautsprecher mit Städtplänen amalgiert (ohne Klang) Das ist ein toller Blick in den bunten Kreativitätskosmos des Künstlers, seine Lust am Entdecken, Erfinden, Erdenken, Genießen, Provozieren.
„Das ist keine Eintagsfliege, sondern ein Programmauftakt“, so der Leitende Museumsdirektor Dr. Thomas Richter bei der Ausstellungseröffnung.
Und der Programmauftakt ist auf jeden Fall schon mal gelungen.