Staatstheater: Thementage zu Flucht und Migration

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Generalintendantin Dagmar Schlingmann (mit Mikrofon) stellte die Themenwoche „Escape to Life“ im Staatstheater Braunschweig vor. Foto: Klaus Knodt

Mit dem Bühnenstück „LeHavre“ wurde das Sujet bereits thematisiert, jetzt legt Braunschweigs Staatstheater noch eine Schippe drauf: Vier Tage in der ersten Aprilwoche widmen sich Großes und Kleines Haus dem Thema „Europa und die Chronologie der Flucht“ unter dem Titel „Escape to Life“. Dabei setzen die MacherInnen nicht nur auf klassische Arten der Werkvermittlung. Generalintendantin Dagmar Schlingmann: „In Stücken, Konzerten, Performances, Lesungen, Vorträgen und Gesprächen suchen wir nach Verschränkungen zwischen Theater und Musiktheater, wollen zum Teil auch die Zuschauer mit einbeziehen.“ Dazu, so Schlingmann, habe man sich auch in Kooperationen mit dem Land Niedersachsen, dem Deutschlandfunk Kultur, der Mobilen Akademie Berlin und vielen Braunschweiger Persönlichkeiten und Institutionen begeben.

Die Macher der Themenwoche (v. links): Markus Lüdke (Musikland Niedersachsen), Lavinia Francke (Generalsekretärin Stiftung Niedersachsen), Hannah Hurtzig (Mobile Akademie Berlin), Lisa Grolig (Projekt „Schwarzmarkt“), Alice Buddeberg (Regisseurin), Generalintendantin Dagmar Schlingmann, Sarah Hollender (Projekt „Schwarzmarkt“). Foto: Klaus Knodt

Den Auftakt macht am Donnerstag, 5. April, um 20.00 Uhr, das Staatsorchester mit der Uraufführung „The Present in Concert!“. Es hat den syrischen Komponisten Rami Chahin eingeladen, ein Werk für Staatsorchester und nach Deutschland geflüchtete MusikerInnen des Netzwerks ‚Welcome Board’ zu komponieren. Markus Lüdke (Musikland Niedersachsen): „Im ‚Welcome Board’ sammeln sich Musiker vieler Nationen mit völlig unterschiedlichem Background. Zum Teil mit Instrumenten, die wir noch nie gehört haben, zum Teil mit Melodien und Rhythmen, die traditionell ohne Noten auskommen.“ Für die Geflüchteten, die mit dem Verlust ihrer Heimat zugleich ihrer Auftrittsmöglichleiten beraubt wurden, öffnen sich so neue Darstellungswege – mit gleichzeitig befruchtendem Einfluss auf die klassische Musik.

Theater ist… wenn vorn wer spielt und hinten wer zuschaut. Nicht nur im Eröffnungskonzert, sondern auch im Projekt „Mapping the Gap – Gapping the Map“ (Samstag, 7. April, ab 18.00 Uhr) wird dieses Prinzip durchbrochen. Die Mobile Akademie Berlin gastiert an diesem Abend mit ihrem „Schwarzmarkt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen (Untertitel). Dabei bieten 60 ExpertInnen aus Braunschweig und Umgebung den ZuschauerInnen Gespräche zu den unterschiedlichsten Themen an – live, simultan, an Besuchertischen und umringt vom Publikum, dass sich per Kopfhörer zuschalten kann. Kuratorin Lisa Grolig: „Das ganze dauert drei Stunden und man weiß nie, was dabei herauskommt. Für Braunschweig konnten wir u.a den Neurologen Professor Dr. Martin Korte (Klinikum BS) gewinnen, der über die Zwischenräume im Kopf redet.“ Oder die Transgenderin Hanna Jahn, die zwischen dem Vorher als Mann und dem Nachher als Frau „eine Phase diffuser Mehrdeutigkeit“ erlebt hat. Oder den Raumfahrtingenieur Stefan Linke (TU), der den Zwischenraum zwischen Start und Ziel auf fernen Gestirnen ergründet. Eine geflüchtete Wissenschaftlerin aus dem Iran, die den „Übergang“ in eine fremde Kultur verarbeiten mußte. Bloggerin Fiona Dinkelbach, Entwicklungshelferin Heike Miethe Sommer, oder, oder, oder…

Ein weiterer Höhepunkt wird wohl die Premiere von „Transit“ nach Anna Seghers im Großen Haus (7. April, 19.30 Uhr) werden. Regisseurin Alice Buddeberg: „Was bedeutet es, in der Flucht seine kulturellen und sprachlichen Wurzeln zu verlieren sowie Angehörige und Freunde hinter sich zu lassen? Ein menschenunwürdiger Transitzustand, der auch heute für Millionen Menschen bittere Realität ist.“

Einige der Angebote (so die Vorträge und Filme im Aquarium) sind umsonst. Das „radiophone Experiment“ mit dem Titel „Regular Measures“ (7. April, 15.30 Uhr, Aquarium) soll Teil der Deutschlandfunk Kultur Tagung 2018 in Berlin werden. Auch hier werden die ZuschauerInnen als der Teil der Performance eingebunden.

Generalintendantin Dagmar Schlingmann: „Während der Vorbereitung der Thementage hat das Staatstheater völlig neue Kontakte und Netzwerke in Braunschweig knüpfen und festigen können; allein das ist ein riesiger Gewinn. Wir werden solche Thementage jetzt in jeder Spielzeit veranstalten. Schon das ‚Festival Theaterformen’ in der Vergangenheit hat gezeigt, dass die BraunschweigerInnen sich auf neue Angebote gern einlassen.“

Kartenvorverkauf unter 0531-1234567, das Komplettprogramm als .pdf finden Sie hier.

Video der Veranstaltung „Schwarzmarkt“.

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