Schluss mit dem Schlossmuseum – eine ungeordnete Polemik

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Aber ein Schlossneubau das ist Disney-like
Wer sowas sehn will, der soll nach Braunschweig!

(Pigor – Baut den Palast der Republik wieder auf!)

1. Kaum ist man drin …

Ein Freund von mir ist ein ausgemachter Museumshasser. Vor kurzem konnte ich ihn allerdings überreden, das Braunschweiger Schlossmuseum zu besuchen. Nach Besuch des Museum beim gemütlichen Bier im Riptide gab er folgenden Kommentar zum Museum: „Das ist das erste Museum, das mir gefällt. Kaum ist man drin, ist man schon wieder draußen!“

2. Ein Spielzeug für Freizeithistoriker

Das Schlossmuseum ist ein teures Spielzeug für Freizeit-Historiker. Oder wie es Wulf Otte, Wissenschaftler im Landesmuseum, am 2.9.2010 in der Braunschweiger Zeitung treffend beschrieb:

 Wenn es in dem neuen Museum tatsächlich nur um die Geschichte des Schlosses ginge, hätten wir nichts dagegen. Aber hier soll offenbar die gesamte Landesgeschichte, die bei uns in den Händen kritischer Wissenschaftler liegt, von einem Gremium von Freizeit-Historikern übernommen werden. Das ist so, als wollte im Herzog-Anton-Ulrich-Museum jemand, der gerne Bilder anguckt, Ausstellungen kuratieren.

3. Ein Museum für abstrakte Kunst

Das Schlossmuseum ist durchaus interessant, wenn man es als eine abstrakte Kunst-Installation betrachtet. Ein Stuhl, auch Thron genannt, auf den man sich nicht setzen darf. Ein Bett, auf dem man nicht liegen darf. Und jetzt neu zum großartigen Event 1913-2013: eine Tafel, an der man nicht essen darf.

4. Ein Museum der Revolution

Das Schlossmuseum müsste eigentlich ein „Museum der Revolutionen“ sein. Der Schlossplatz ist in seiner Bedeutung für Deutsche Revolutionen ebenso wichtig wie die Bastille in Paris, der Tahrir-Platz in Kairo und der Taksim-Platz in Istanbul. Im Braunschweiger Schloss fand 1830 die erste erfolgreiche deutsche Revolution mit der Vertreibung des Herzogs Karl II. statt. 1918 kam es dann zur zweiten erfolgreichen Revolution, der Novemberrevolution, die zur Abdankung des Herzog Ernst August führte. Als Ort zweier erfolgreicher Revolutionen ist das Schloss eine bundesweite Einmaligkeit. Fürs Stadtmarketing ist das ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem man viel Aufmerksamkeit erreichen kann.

5. Museum Knutsch

Das Café Okerterrassen wurde früher auch das „Café Knutsch“ genannt, weil es dort ein gemütliches Erkerfenster gab, in dem Paare abgeschieden vom Trubel des Cafés Kuchen essen, Kaffee trinken und knutschen konnten. Wenn man heute in der Innenstadt einen Ort sucht, wo man als Pärchen Ruhe vom geschäftigen Treiben der Innenstadt findet, dann ist das Schlossmuseum die beste Adresse. Mit nur rund 15 bis 20 Besuchern täglich hat man hier die beste Chance, unter sich zu sein.

6. Das Geld ist nicht weg …

Das Schlossmuseum ist ein Fall für den Bund der Steuerzahler. Über die Kosten schreibt die Taz in einem Artikel am 12.4.2011:

Gut drei Millionen haben der Innenausbau und die Einrichtung des Museums direkt neben dem Shopping Center in der Braunschweiger Schlosskulisse gekostet. Davon übernahmen heimatverbundene Sponsoren den Löwenanteil, die Kommune rund 900.000 Euro und sogar aus dem staatlichen Konjunkturpaket II flossen knapp 300.000 Euro. Womit man andernorts marode Schulen saniert hätte: In Braunschweig floss es in die Nachbildung von sechs ehemals herzoglichen Sälen und einem Vestibül.

Viel Geld, das jetzt von einer privaten Stiftung ohne jeglichen Einfluss des Steuerzahlers verwaltet wird.

7. … es fehlt nur an anderer Stelle

Ein paar Zahlen:

  • Die jährlichen Kosten des Schlossmuseums betragen rund 260 Tausend Euro.
  • Dem gegenüber stehen Einnahmen von rund 20 Tausend Euro.
  • Im Jahr 2012 haben weniger als 7 Tausend Personen Eintritt im Schlossmuseum bezahlt.
  • Jeder Besucher des Schlossmuseums wird mit mehr als 30 Euro Steuergelder subventiert.
  • Für 30 Euro könnte man auch jedem Besucher des Schlossmuseums die 1264-Seiten lange Geschichte des Braunschweigischen Landes schenken oder drei schöne Okerfahrten inklusive historischer Stadtführung schenken. Stattdessen: Ein schnöder Thron, ein teuer restauriertes Bett, ein Vestibül.
  • Die Projekt-Etat für die freie Theaterszene beträgt in Braunschweig rund 50 Tausend Euro jährlich. Das Schlossmuseum bekommt rund fünf Mal so viel.
  • Hannover hat 13 soziokulturelle Zentren. Braunschweig hat eins. Im Fußball würde man sagen: 13:1. Für ein weiteres Zentrum ist allerdings kein Geld vorhanden, stattdessen: ein praktisch besucherleeres Schlossmuseum. Viele meiner Freunde besuchen regelmäßig Hannover, wenn sie Konzerte oder Kunstausstellungen besuchen, für die in Braunschweig kein Geld und kein Raum vorhanden ist. Indirekt trägt so das Schlossmuseum zu Stärkung der Hannoveranischen Identität bei.

8. Ein Vorschlag

Eine echte Attraktion für Touristen kann man auch mit wenig Geld schaffen. Mein Vorschlag: Eine Umbenennung eines Teils des Schlossplatzes in: „Platz der Residenzschlossfassadenteilrekonstruktionsarkaden“. Dies wäre der längste Name eines Platzes in Europa und ich bin sicher, dass sich täglich mehrere Hundert Touristen unter dem Schild positionieren würden, um sympathische Fotos für ihre Freunde und Verwandten zu knipsen.

9. Das Ende der Demokratie

Das Schlossmuseum ist ein Beispiel für postdemokratische Strukturen. Verantwortlich für die Ausstellungen ist die „Stiftung Residenzschloss Braunschweig“. Bezahlt wird das Museum hingegen fast ausschließlich von Steuerzahlern. Die Stadt Braunschweig hat nur eine von fünf Stimmen in der Stiftung und somit praktisch keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die Ausstellung. Schlimmer noch: Der Stiftungsvertrag ist unbegrenzt gültig, so dass unabhängig vom Wechsel der politischen Mehrheiten im Rat die Stadt praktisch bis in alle Ewigkeiten verpflichtet ist, den Betrieb des Schlossmuseums zu bezahlen.

Ein persönliches Fazit:

Braunschweig ist eine Stadt der Museen. Das Herzog-Anton-Ulrich-Museum ist zum Beispiel das älteste zugängliche Kunstsammlung Deutschlands und präsentiert die größte und bedeutendste Kunstsammlung in Niedersachsen. Das Schlossmuseum hingegen ist eine undemokratische Groteske, die in der hiesigen Museumslandschaft nichts zu suchen hat. Als Demokrat frage ich mich, wie man mit Verträgen umgehen soll, bei denen die Demokratie faktisch ausgehebelt wurde. Ist man als Demokrat dazu gezwungen, das Schlossmuseum abzubrennen, da ein demokratischer Ausstieg aus den Verträgen nicht vorgesehen ist? Oder ist es an der Zeit für eine dritte Revolution, bei der private Hobbyhistoriker aus dem Schloss gejagt werden? Oder kommt der Stadtrat endlich in die Puschen und kümmert sich darum, dass die Stadt aus den unsäglichen und für Demokraten unerträglichen Verträgen mit der Stiftung Braunschweiger Residenzschloss aussteigt?

Wie auch immer: Schluss mit dem Schlossmuseum!

Ein Nachtrag:

Was man im Schlossmuseum leider nicht zu sehen bekommt, ist der interessante Umgang zeitgenössischer Künstler mit der Braunschweiger Schlossfassade. Beispielhaft genannt seien hier das Picknick auf dem Schlossplatz und zwei Musikvideos von Pigor und der Band Loudog, die man hier betrachten kann:

 

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