PTB hält Umweltinformationen zurück: Gerichtsverhandlung

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Links oben der Stadtteil Watenbüttel, rechts am Rand der Stadtteil Kanzlerfeld
Foto: Physikalische-Technische Bundesanstalt; links oben der Stadtteil Watenbüttel, rechts am Rand der Stadtteil Kanzlerfeld

Bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) ist etwas passiert, das eigentlich nicht passieren durfte: aus der Kapsel einer Messeinrichtung ist radioaktives Krypton-85 in die Umwelt entwichen. Nach dem Strahlenschutzgesetz müssen solche umschlossenen Strahlenquellen „ständig von einer allseitig dichten, festen, nicht zerstörungsfrei zu öffnenden inaktiven Hülle umschlossen oder in festen, inaktiven Stoffen so eingebettet sein, dass bei üblicher betriebsmäßiger Beanspruchung ein Austritt radioaktiver Stoffe mit Sicherheit verhindert wird“. Wie konnte das radioaktive Gas trotzdem entweichen? Lag ein Produktionsfehler vor? Oder ein Verstoß gegen die Bestimmungen zur üblichen betriebsmäßigen Beanspruchung? Entwich das Gas schlagartig oder schleichend? Viele Fragen waren zu klären.

Die PTB beauftragte einen Sachverständigen des TÜV Nord, die Ursachen des „besonderen Vorkommnisses“ zu untersuchen. Als dessen Gutachten fertig war, beantragte ein Anwohner, der gleichzeitig Redakteur des Braunschweig-Spiegel ist, dieses Gutachten zur Verfügung gestellt zu bekommen, eventuell mit geschwärzten Stellen. Begründung: die Anwohner wie die breitere Öffentlichkeit haben nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) das Recht, über die Ursachen solcher Unfälle informiert zu werden; natürlich wollen sie wissen, was dazu geführt hat, nicht zuletzt wollen sie so Sicherheit gewinnen, dass sich ähnliche Vorfälle nicht wiederholen können. Das besonders bürgerfreundliche Gesetz soll die Bevölkerung und Umweltverbände in die Lage versetzen, „Vollzugsdefizite und mögliche Gefahren, Probleme und neue Aufgaben zu erkennen“.

Haben die Bürger ein Informationsrecht oder gelten sie als „Unbefugte“?

Die PTB verweigert die Veröffentlichung. Sie behauptet, das Umweltinformationsgesetz gelte hier nicht; die Veröffentlichung sei rechtlich untersagt; nach einer Bestimmung in der Strahlenschutzverordnung dürften solche Informationen nicht an „Unbefugte“ weitergegeben werden. Inzwischen wird sogar die Position vertreten, dass nicht einmal im Einzelfall geprüft werden müsse, welche Informationen herausgegeben werden können und welche nicht; vielmehr seien sie „a priori der Herausgabepflicht nach dem Informationsrecht entzogen“. Das würde dann allerdings für alle Betriebe gelten, die mit radioaktiven Stoffen umgehen, also etwa für die Braunschweiger Firma Eckert und Ziegler, aber auch für Atommülllager wie Schacht Konrad, die Asse, das Lager in Morsleben oder auch das Zwischenlager auf dem Gelände der PTB (161 Tonnen schwach- und mittelaktiver Atommüll, eine Hinterlassenschaft der Forschungsreaktors der PTB).

Die PTB will also vor Gericht eine Position durchsetzen, die – milde gesagt – die Rechte der Bürger stark beschneidet. Die PTB untersteht dem Bundeswirtschaftsministerium. Sollte tatsächlich ein Ministerium eine Position unterstützen, die das Umweltinformationsrecht erheblich einschränkt? Um darüber Klarheit zu erlangen, wurde der Minister Robert Habeck persönlich angeschrieben, zweimal – per Einschreiben. Der Rückschein kam zurück, aber der Minister schwieg.

Nun – nach inzwischen drei Jahren – muss die Rechtslage vor Gericht geklärt und entschieden werden. Die Verhandlung ist öffentlich, sie findet am 19.September um 13.30 Uhr statt, im Sitzungssaal 1 des Verwaltungsgerichts, Wilhelmstraße 55.

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