Von Christian Gaedt
Werbung ist, wenn sie über die reine Produktinformation hinaus geht, Manipulation. Ihr Wirken muss, wenn sie erfolgreich sein will, unbemerkt bleiben. Darüber regt sich kaum jemand auf. Vielleicht glaubt der Konsument gar sie erkennen zu können und damit nicht manipulierbar zu sein. Anders ist es bei der Propaganda, die auf ähnlichen manipulativen Techniken beruht wie die Werbung. Die wird negativ gesehen und gilt als verwerflich zumal wenn der politische Gegner sie nutzt.
Jeder weiß, dass er im Alltag den Einflüssen der Werbung ausgesetzt ist, jeder weiß auch, dass hinter einer guten Werbung Profis stecken, die mit wissenschaftlich begründeter Psychologie ihre manipulativen Kampagnen entwerfen und mit viel Geld (BRD 2023: voraussichtlich ca.28 Mrd. €) umsetzen. Durchaus erfolgreich. Als Meisterleistungen der manipulativen Kunst gelten noch heute die Kampagnen von Edward Barnays in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Es war für ihn zum Beispiel kein unüberwindbares Problem, die US-Amerikaner von ihrem klassischen Frühstück (Toast, Kaffee, Orangensaft) abzubringen und es durch Spiegelei, Schinken und Speck zu ersetzen. Vielleicht nicht ganz so gesund, aber der Auftraggeber – die Schinken und Speck verkaufende Beech-Nut Packing Company konnte zufrieden sein. Inzwischen haben sich die Werbemethoden noch weiter verbessert und an ihrer Effektivität in Bezug auf Änderungen der Einstellungen und des Lebenstils kann kein Zweifel mehr bestehen. Nach diesem Kurzbeitrag öffnet die Veröffentlichung „Woran erkennt man Propaganda“ spannende Einblicke.
Der Umsatz dieser Branche in Deutschland liegt aktuell bei 28 Mrd. Euro. Die „geheimen Verführer“ (Vance Packard) sind allgegenwärtig. Es wirkt schon mysteriös, dass man trotzdem kaum jemanden finden wird, der sich betroffen fühlt. Niemand wird von sich sagen, dass er in seinem Konsumverhalten durch Werbung manipuliert sei. Erfolgreiche Manipulation merkt man eben nicht.
Dass Werbung Manipulation ist, wird allgemein nicht als besonders aufregend empfunden. Bei der Propaganda, die auf denselben oder sehr ähnlichen manipulativen Techniken beruht, sieht es anders aus. Hier geht es um große Politik, zum Beispiel um Krieg und Frieden. Anders als die Werbung, die in der Regel nicht negativ gesehen wird, ist Propaganda in unserer Zeit immer etwas Verwerfliches, gleichbedeutend etwa mit Irreführung oder Vernebelung. Deswegen wird mit dem Begriff Propaganda ausschließlich die Informationsstrategie des jeweiligen politischen Gegners oder im Kriegsfall des Feindes bezeichnet. Hier wird die Propaganda des Gegners gefürchtet, die eigene wird nicht thematisiert.
Wie anfällig sind Menschen für Propaganda? Wie manipulierbar sind sie? In der derzeitigen Situation (Ukrainekrieg) wird die gegnerische (russische) Propaganda zum Beispiel von der EU-Kommssion als so gefährlich eingeschätzt und gleichzeitig die EU-Bürger als so wehrlos angesehen, dass sie es für notwendig erachtet hat, das sonst so hoch gehaltene Prinzip der Medienfreiheit (der freie Zugang zu Informationen ist ein Grundrecht!) außer Kraft zu setzen und russischen Sendern die Lizenz europaweit zu entziehen (siehe Pressemitteilung der EU-Kommission vom 2.3.22). Der europäische Bürger kann nach dieser Sichtweise offenbar nur durch Verbote davor bewahrt werde, Opfer der „toxischen Lügen“ der Russen zu werden. Nun wird im Allgemeinen nicht ernsthaft bestritten, dass in einem kriegerischen Konflikt nicht nur der Kriegsgegner Propaganda betreibt, sondern auch der eigene Staat. Sie wird hier allerdings nicht so benannt, sondern z.B. als Aufklärung oder Öffentlichkeitsarbeit bezeichnet. Wichtigstes Ziel ist immer, die bedingungslose Zustimmung für die jeweiligen als alternativlos dargestellten Kriegsziele und die daraus sich ergebenden Maßnahmen zu verstärken und die Opposition dagegen möglichst klein zu halten. Ist ein EU-Bürger, der russische Informationen nicht als Propaganda entlarven kann, fähig, die Propaganda des eigenen Staates bzw. der EU-Kommission zu erkennen?
Und hier wird das Kernproblem deutlich. Wer schützt die Bürger vor der Propaganda des eigenen Staates? Die jeweiligen von den Repräsentanten des eigenen Staates vertretenen Ziele könnten ja falsch sein und Widerstand dagegen könnte zum Wohle der Gesellschaft erforderlich sein. Wird das kritische Denken durch den „toxischen“ Propagandanebel des eigenen Staates geschwächt, können die für eine Demokratie notwendigen politischen Auseinandersetzungen nicht mehr stattfinden, das heißt, die Demokratie würde schaden nehmen. Wie kann man das verhindern?
„Glaube wenig – Hinterfrage alles – Denke selbst“ ist der Titel eines lesenswerten Buches von Albrecht Müller (Westend Verlag). Es hat den Untertitel „Wie man Manipulationen durchschaut“. Der Titel dieses Buches verweist auf den einzig gangbaren Weg, sich gegen Propaganda zu immunisieren. Man muß sich selbst dagegen wappnen. Um die Chance zu haben, Propaganda zu durchschauen, braucht man Wissen, viel Wissen.
Der angegebene Link oben könnte einen kleinen Beitrag dazu leisten. Er führt zu einem Vortrag (2018) von Dr.Uwe Krüger auf einer Tagung der Deutschen Sektion der „International Association of Lawyers against nuclear Arms (IALANA)“. Der Vortrag ist im IPPNW Forum Nr.153/2018 veröffentlicht worden.
Hinweis: Am 12.09.2023 hält Dr. Thymian Bussemer in der Ev. Akademie Abt Jerusalem einen Vortrag: Der Vortrag wird heißen: „Propaganda als Herrschaftstechnik“.