Die Braunschweigerinnen Ute Lampe und Friederike Speitling wollten mit weiteren deutschen Friedensaktivisten nach Palästina einreisen und kamen immerhin ins Gefängnis. Das Medienecho war weltweit groß. Auch die Braunschweiger Zeitung informierte ausführlich. Unsere beiden Braunschweigerinnen wurden verhaftet, in ein Gefängnis gesteckt und nach 2 Tagen abgeschoben. Der Braunschweig-Spiegel kündigte die Reise über eine Pressemitteilung des „Friedensbündnis Braunschweig“ an und hat mit der Aktivistin Ute Lampe ein Gespräch geführt.
Warten in Tel Aviv auf die israelischen Reaktionen
BS Was war schlimmer, das Gefängnis an sich oder die Kakerlaken, Frau Lampe?
L. Die Kakerlaken waren für mich unmittelbar sehr unangenehm. Das Gefängnis war in dieser kurzen Zeit erträglich. Meine Wahrnehmungen waren aufgrund des Gesamtstresses auch reduziert. Die Eindrücke der Inhaftierten in der Gefängnissituation insgesamt waren sehr unterschiedlich.
BS Sind Sie korrekt behandelt worden?
L. Die Rosen unserer Gastgeber zur Begrüßung lagen im Staub – zertreten. Draußen standen Soldaten zwischen den Rosen. Zu Beginn wurden wir nicht korrekt behandelt. Auf den LKW kamen auf 15 qm 24 Frauen. Nichts zu trinken, Toilette war nicht möglich. Es war menschenunwürdig.
BS Konnten Sie sich das nicht denken, warum fahren Sie denn da überhaupt hin? War das nicht eine Provokation?
L. Ich betrachte meine Reise nicht als Provokation. Wir hatten friedliche Absichten und folgten einer Einladung unserer palästinensischen Freunde. Etwas durchaus Normales. Das Problem lag bei den israelischen Behörden, die uns nicht zu unseren Freunden, die uns erwarteten, lassen wollten. Ein Problem war, dass unser Reiseziel Palästina war und nicht Israel. Das dulden die israelischen Behörden nicht. Es scheint so zu sein, dass es für Israel Palästina nicht gibt.
BS Wenn es Palästina für Israel nicht gibt, gibt es denn Aussicht auf den palästinensischen Staat?
L. Für Israel nicht. Die Westbank wird von Israel als Land der Vorväter der Juden betrachtet und wird im israelischen Sprachgebrauch als „Judäa“ und „Samaria“ bezeichnet. Diese Sichtweise führt zu der weltweit umstrittenen Siedlungspolitik.
Wir werden sehen wie Israel reagiert, wenn der palästinensische Präsident den Staat Palästina im September 2011 bei der UN ausruft. Ich bin voll Hoffnung mit viel Skepsis.
BS Hat die Betreuung durch die Deutsche Botschaft im Gefängnis funktioniert?
L. Ja, sie wurde informiert und nahm dann sofort Kontakt auf. Darum haben sich die israelischen Behörden schnell bemüht, auch mit dem Ziel, uns möglichst schnell loszuwerden. Die Botschaft hat uns von Rechtsschritten abgeraten. In den israelischen Medien wurde das Vorgehen gegen uns auch kritisch begleitet.
BS Drei Aktivistinnen sind im Gefängnis geblieben (eine Deutsche, zwei Australierinnen). Wie ist es denen ergangen?
L. Die sind freiwillig im Gefängnis geblieben und haben Rechtsmittel eingelegt. In einer Gerichtsentscheidung wurden die Maßnahmen des Innenministeriums gegen uns als überzogen und rechtswidrig bewertet. Die zwei Australierinnen (Aktivistinnen) mussten daraufhin freigelassen werden. Die deutsche Aktivistin ist heute abgeschoben worden, weil sie wegen „Willkommen in Palästina“ angereist war.
BS Wie bewerten Sie die Aktion im nach hinein?
L. Positiv, weil es bei unserer Einreise nach Palästina eine Öffentlichkeit hinsichtlich der Willkür der israelischen Behörden erzeugt hat. Israel will nicht, dass die Menschenrechtsverletzungen in den besetzten palästinensischen Gebieten bekannt werden. Wir machen das öffentlich, was auch im Interesse des demokratischen Israels sein sollte.
Durch das Gerichtsurteil ist ein Präzedenzfall geschaffen worden, der die Einreise mit dem Ziel Westbank bzw. Palästina in Zukunft erleichtern könnte. Als Friedensaktivistin lege ich Wert darauf, dass ein demokratischer Rechtsstaat, wie sich Israel bezeichnet, sich auf die Einhaltung der eigenen Rechtsnormen stützt und sie pflegt.
BS Sie waren im letzten Jahr auch beim Gaza-Freiheitsmarsch von Ägypten nach Gaza. Welchen Unterschied sehen Sie bei diesen Aktionen?
L. Der Gaza-Freiheitsmarsch richtete sich gegen die reale Blockade des Gaza-Streifens durch Israels. Auf internationaler Ebene erfolgte die Mobilisierung aus den USA – von den Codepink- Frauen. Diese Friedensmission „Willkommen in Palästina“ kam aus Europa, speziell aus Frankreich. Beide Aktionen haben gemeinsam, dass unterschiedliche palästinensische Organisationen jeweils vor Ort einladen.
BS Friedensorganisationen in Deutschland und auch in Braunschweig sind sich in dem Vorgehen zur Friedensentwicklung im Nahostkonflikt nicht einig. Was sagen Sie dazu?
L. Das ist richtig. Es gibt unterschiedliche strategische Auffassungen. Einige Gruppen sehen in diesen Aktionen die Gefahr einer Provokation, die den Anliegen im Rahmen eine Konfliktlösung nicht dienlich ist. Ich bin gegenteiliger Auffassung, weil wir internationale Öffentlichkeit herstellen wollen, um auf die massiven Menschenrechtsverletzungen hinzuweisen. Ich sehe, dass nur durch öffentlichen Druck neue Impulse in die Friedensverhandlungen kommen können.
BS Welche Möglichkeiten sehen Sie noch den Druck auf einen Friedensprozess zu erhöhen?
L. Es gibt einen Aufruf zum Boykott israelischer Waren aus den besetzten palästinensischen Gebieten (BDS-Kampagne). Auch der Kulturbereich und die Wissenschaft sind betroffen. Dieser Aufruf geht von Palästinensern in den besetzten Gebieten aus. Der Boykott ist ein Mittel der Zivilgesellschaft, dass zusätzlich Bewegung in den Friedensprozess bringen soll. Vergleichbar ist das mit dem Südafrika-Boykott gegen die Apartheit. Dass diese Kampagne, die schon seit Jahren läuft, wirkt, erkennt man daran, dass Israel durch ein Gesetz reagiert hat, durch das Menschen, die dazu aufrufen, für die volkswirtschaftlichen Schäden aufkommen müssen.
BS Würden Sie eine solche Aktion noch einmal machen?
L. Ja!
BS Frau Lampe, ich danke für das Gespräch