Forschung in Braunschweig: Keine Geldgeber für Corona-Medikament

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COR-101 Vials Foto: Prof. Dr. Holger Ziehr, Fraunhofer ITEM, Braunschweig.

Auch wenn die Entwicklung von Impfstoffen gegen das neue Coronavirus mit nie gekannter Geschwindigkeit vorangeht, richten sich Hoffnungen darauf, dass es auch gelingt, Medikamente zur Behandlung bereits infizierter Menschen zu finden. Wenn man die Politik und die Medien jedoch verfolgt, bekommt man nicht den Eindruck, dass therapeutisch wirkende Corona- Arzneimittel im Fokus stehen. Das überrascht, weil sich das Virus bei uns etablieren wird und wir Corona-Medikamente brauchen werden, um bereits zu heilen, bevor es für die Erkrankten lebensgefährlich wird.

Das junge, hoch innovative Braunschweiger Unternehmen “ CORAT Therapeutics GmbH“ hat ein entsprechendes Medikament, das COR-101, entwickelt. Es zeigt hohe Wirksamkeit im Tiermodell (um die 99 %) und steht bereit für den Einsatz in klinischen Studien zur Behandlung von COVID-19-Patienten. Das Problem: Es fehlen Geldgeber, die die teuren klinischen Studien finanzieren. Das erstaunt, hatte man doch den Eindruck, dass die Bundesregierung ausreichend Gelder gibt für hoch innovative Coronaforschung.

Über das Thema sprach Dr. Uwe Meier vom Braunschweig-Spiegel mit dem CORAT Therapeutics Mitgründer und einem der Entwickler von COR-101, Prof. Dr. Michael Hust.

Herr Hust, am 7. März letzten Jahres erkrankte ich an Corona. Ich kämpfte mit schlimmer Atemnot und wollte nicht ins Krankenhaus. Ich hatte auch keine Diagnose, weil man mich nicht prüfen wollte. Heute weiß ich, dass ich in Lebensgefahr war. Hätte das von Ihnen und Kollegen entwickelte neuartige Medikament mir geholfen, sodass ich beruhigt mich hätte zu Hause auskurieren können?

Antwort: Sie hatten schon schwere Symptome und hätten eigentlich im Krankenhaus aufgenommen werden müssen, deshalb wäre COR-101 eine mögliche Therapie für Sie gewesen. Unser Medikamentenkandidat COR-101 ist für Patienten gedacht, die milde bis schwere Symptome haben, also Patienten, die schon im Krankenhaus sind. Dies ist die Patientengruppe, der wir am dringensten helfen müssen. Für die ambulate Behandlung von milden bis mittleren Symptomen gibt es für die Antikörper von den Pharmaunternehmen Regeneron und Eli Lilly eine Notfallzulassung in Europa. Diese Antikörper können aber nicht bei schwereren Verläufen eingesetzt werden.

Wie weit ist die Entwicklung des Medikaments?

Antwort: Wir haben die GMP Produktion (Produtionsbedingugen für die Medikamente) für die klinische Studie 1b von COR-101 abgeschlossen und die klinische Studie ist in Vorbereitung. In einer klinischen Phase 1 wird im Normalfall die Sicherheit an gesunden Patienten getestet. Ein Phase 1b bedeutet, daß wir gleich Patienten mit milden bis schweren Symptomen behandeln werden, und wir somit neben der Sicherheit auch gleich einen Eindruck von der Wirksamkeit bekommen. Wir hoffen somit auch gleich COVID-19 Patienten helfen zu können.

Wie hoch ist die erwartete Wirksamkeit beim Menschen?

Antwort: Das können wir aktuell nicht abschätzen, denn dafür brauchen wir Daten aus den klinischen Studien.

Sind Nebenwirkungen zu erwarten?

Antwort: Wir erwarten keine Nebenwirkungen, da COR-101 ein komplett menschlicher Antikörper ist. Unser Antikörper ist besonders, da der konstante Teil des Antikörpers (Fc-Teil), der normalerweise das Immunsystem aktiviert, inaktiviert ist. Hier spricht man von „silencing“. Somit wollen wir eine weitere Entzündungsreaktionen in der Lunge bei den Patienten vermeiden.

Die Firma CORAT Therapeutics GmbH“ ist eine Ausgründung aus der YUMAB GmbH und der TU Braunschweig. Wann beginnen bei einer Ausgründung die ersten bürokratischen Hürden und welche sind das?

Antwort: Die bürokratischen Hürden waren eigentlich nicht da. Die Herausforderung ist die Finanzierung der Entwicklung. Wir haben eine Finanzierung durch die NBank und private Braunschweiger Investoren. Im Vergleich: Das Unternehmen Regeneron hat 450 Millionen vom Staat bekommen.

Wurde der jungen Firma geholfen bei der Ausgründung? Zum Beispiel von der TU?

Antwort: Die Technologien der CORAT Therapeutics wurden gemeinsam an der TU und der YUMAB GmbH entwickelt. Der Technologie Transfer der TU Braunschweig hat sehr schnell eine Vereinbarung für den Kauf des Patents möglich gemacht, was essentiel für die Gründung der CORAT Therapeutics und der Entwicklung der Antikörperkandidaten war. Und hier sind wir für den schnellen unkomplizierten Ablauf sehr dankbar.

CORAT Therapeutics GmbH“ hat einen Innovationspreis bekommen. Wofür, wo steckt die Innovation?

Antwort: Die Zusammenarbeit zwischen der TU und YUMAB hat innerhalb kürzester Zeit die Entwicklung eines Medikamentenkandidaten ermöglicht. Dies ist sehr innovativ. Und, wie oben angedeutet, dies mit unserer Technologie, Erfahrung und einem ganze besonderem Teamspirit im Frühjahr 2020.

Gibt es Anlass zur Hoffnung, dass rel. einfach weitere Medikamente gegen andere Krankheiten entwickelt werden können? Und wenn ja, welche Krankheiten?

Antwort: In der YUMAB und an der TU haben wir in den letzten Jahren zahlreiche Antikörper gegen verschiedenste Erkrankungen entwickelt. Gerade an der TU haben wir Antikörper gegen verschiedene Viren, z.B. das Marburg Virus, Ebola Sudan Virus, Westliche Pferdeenzephalitits entwickelt. Hier ist der Wirkmechanismus der gleiche wie bei COR-101. Es wird die Bindung des Viruses an die menschlichen Zielzellen blockiert. Man spricht hier von Neutralisierung. Neben Viren, haben wir auch an Bakterien und Toxinen gearbeitet, z.B. an Antikörpern gegen das Diphtherie Toxin, um die vorhandene Therapie mit Pferdeseren, die mehr als 125 Jahre alt ist, durch einen menschlichen Antikörper zu ersetzen. Die größte Herausforderung ist nicht die eigentliche Entwicklung der Medikamentekandidaten, sondern eine mögliche Finanzierung der Weiterentwicklung.

Ist das Medikament ein gentechnisches Produkt?

Antwort: Ja! Alle modernen biologischen Medikamente, man spricht hier von Biologicals, werden gentechnologisch erzeugt. Beispiele hierfür sind der Brustkrebsantikörper Trastuzumab oder der anti-Rheuma Antikörper Adalimumab.

Werden wir demnächst vor einer Situation stehen, in der geklagt wird, dass es keine Medikamente gibt? Nach dem Motto: Masken zu spät, Impfstoff zu spät, Impfungen zu spät, Entscheidungen zu spät, Schnellteststäbchen zu spät, Medikamente zu spät?

Antwort: Ohne Zweifel, die Medikamentenentwicklung wurde in Deutschland zu spät und zu gering unterstützt.

Besteht die Gefahr, dass Deutschland wissenschaftlich den Anschluss verliert?

Antwort: Wir betreiben großartige Forschung, aber wir müssen die Erkenntnisse auch in die Anwendung umsetzen, um einen Gewinn für die Gesellschaft zu erreichen. Unser Schwachpunkt ist der Technologietransfer aus den Universitäten in Industrie und Startups. Wichtig ist hierfür auch Risikokapital und hier bietet Deutschland weniger Möglichkeiten als, z.B. die USA oder die Schweiz.

Was müssen wir tun, um für die nächste Pandemie gerüstet zu sein („nach der Pandemie ist vor der Pandemie“)?

Die aktuelle COVID-19 Pandemie kommt nicht unerwartet. Coronaviren kommen bei vielen verschieden Tierarten vor. Es sind sogenannte Zoonose-Erreger. Schon 2015 wurde in einer Untersuchung zu Coronaviren in Fledermäusen prognostiziert, dass neue Coronaviren die Artgrenze zum Menschen überschreiten können. Wir müssen jetzt auch schon nach vorne blicken und Strukturen schaffen, um eine dauerhafte „Pandemic Prepardness“ Plattform zu etablieren. Gerade in Niedersachsen sind wir mit der TU, der Medizinischen Hochschule Hannover, der Göttinger Universität, dem Helmholtzzentrum für Infektionsforschung und dem Fraunhofer ITEM sehr gut aufgestellt. Ideal wäre eine stetig finanzierte Struktur mit festen Stellen (zur Erklärung: die meisten Wissenschaftler in der Forschung sitzen auf Drittmittelstellen mit Laufzeiten von wenigen Monaten bis wenigen Jahren), um schnell auf mögliche neue Erreger vorbereitet zu sein. Hier müssen wir selbstverständlich global denken und handeln. Wenn z.B. irgendwo auf der Welt neue Viren oder andere Erreger auftreten, könnten wir mit unseren Technologien und der Erfahrung in wenigen Monaten Antikörper für die Diagnostik und mögliche Medikamentenkandidaten entwickeln. In den meisten Fällen wird sich später rausstellen, dass diese Erreger „nur“ eine lokale Bedeutung haben, aber auch in diesem Fall haben wir wertvolle Antikörper für die Forschung entwickelt und können vielleicht auch lokal helfen. Sich solch eine Struktur zu leisten ist essentiell für die Zukunft, um vorbereitet zu sein. Wir gründen ja auch nicht erst eine Feuerwehr, wenn das Haus angefangen hat zu brennen, sondern schon vorher, um das Haus rechtzeitig löschen zu können.

Herr Prof. Hust, ich danke für das aufschlussreiche Gespräch.

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