Internationaler Künstlerischer Wettbewerb zum Kolonialdenkmal Braunschweig
bis 11. April 2023 im Städtischen Museum Braunschweig
Der internationale künstlerische Wettbewerb zum Kolonialdenkmal in der Jasperallee in Braunschweig ist das erste Teilprojekt der Initiative „Koloniales Erbe in Braunschweig“.
Und es ist ein konkreter Schritt der Stadt Braunschweig, sich mit ihrem – damit also auch unserem – kolonialen Erbe auseinanderzusetzen.
Wie manches andere Mal auch , stellt sich die Frage, warum es notwendig zu sein scheint, für die gesamte Stadtgesellschaft wichtige Projekte mit englischen Projektnamen zu versehen, wie für einen beliebigen Werbetext.
Idee und Ziel des internationalen Wettbewerbs ist es, ein konkretes, künstlerisches Gegen-Modell zum bestehenden Kolonialdenkmal in der Jasperallee zu schaffen, das 1925 durch den “Verein ehemaliger Ostasiaten und Afrikaner” aufgestellt wurde
“Um den Gedanken an unsere Kolonien wachzuhalten und das Interesse dafür im deutschen Volke zu wecken, vor allem aber auch um unseren weitab von der Heimat im fremden Weltteil gefallenen Helden, die im gleichen Kampfesmut bis zum Ende für unsere heißumstrittenen Kolonien gekämpft und gelitten haben, sinnbildlich monumental Unsterblichkeit zu verleihen …“ (Braunschweigische Landeszeitung vom 1. April 1925).
Die damaligen Vereinsmitglieder waren natürlich nicht die Einwohner der ehemaligen deutschen Kolonien, die sich nach ihren früheren Kolonialherren zurücksehnten, sondern es waren genau diese ehemaligen Kolonialherren, die schmerzvoll-nostalgisch der Zeit nachweinten, als sie noch Herren waren und nicht Bürger sein mußten.
Der verwundete, aber noch kampfbereite Löwe auf der Vorderseite des Denkmals, der seine rechte Pranke mit dem Ausdruck von Besitzanspruch auf den Globus legt, ist genauso Ausdruck ihres brutal-sentimentalistischen Geschichtsverständnisses wie der eingemeißelte weinerliche Spruch:
„Gedenkt unserer Kolonien und der dort gefallenen Kameraden“
In die schmalen Seiten des Denkmals sind die Namen der ehemaligen Kolonien eingemeißelt, durch die Deutschland zwischen 1885 und 1918 zur drittgrößten Kolonialmacht nach Großbritannien und Frankreich wurde.
Kurzbeschreibungen der sechs Vorschläge der Ausstellung DECOLONIZING PUBLIC SPACE im Stadtmuseum Braunschweig
- They Who Bring Kola von Samuel Baah Kortey, Ghana.

Die Kola-Nuss steht im weiteren afrikanischen kulturellen Kontext u.a. für Gastfreundschaft, Einheit, Frieden und Versöhnung, ist aber auch bitter. Das vorgeschlagene Denkmal beherbergt das physische Symbol des Gesprächsbeginns – Kolanüsse und umschließt einen Raum, der von hinten betreten werden kann.
2. To serve thee unto the end von Gladys Kalichini, Sambia.

Die künstlerische Intervention besteht aus fünf identischen Bronzeskulpturen aus kreisrunden Blumenkränzen. Die 5 Kränze stehen für die 5 Punkte der Sternenkonstellation des Kreuz des Südens, das auf dem Kolonialdenkmal neben dem lateinischen Motto “per aspera ad astra” dargestellt ist.
3. Liberating the Monument von Patricia Kaersenhout, Niederlande.

Eine erhöhte Plattform aus glänzendem schwarzen Granit wird das Denkmal umgeben. Diese Plateau wird die gleiche Höhe haben wie der Sockel des Denkmals und es umfassen. Der schwarze Granit fungiert als schwarzer Spiegel, in dem die dunkle Kolonialgeschichte widergespiegelt wird.
4. Shrine for the forgotten souls von Satch Hoyt GB/Deutschland.

Der sich großzügig öffnende Schrein, ein Kuppeldom mit Ähnlichkeit zu antiker Architektur Europas und Afrikas, lädt die Öffentlichkeit ein, über das koloniale Narrativ Deutschlands zu meditieren und nachzudenken. Es ist eine nicht eingefasste afrofuturistische zeitgenössische Struktur. Das Material der Domstruktur besteht aus allttäglichen, aus sehr robustem Polymerharz hergestellten Flaschen.
5. Unearthing von Jeannette Ehlers, Dänemark.

Das Denkmal wird aus in den ehemaligen deutschen Kolonien gesammelter Erde errichtet, gebaut mit Vertretern der ehemaligen Kolonien gemeinsam mit der ehemaligen Kolonialmacht. Es ist also ein Hybridkonstrukt aus früheren kolonialen Böden.
6. Denkmalschutz aufheben von Anike Joyce Sadiq, Deutschland.

Der Vorschlag für diese kritische Auseinandersetzung mit dem Kolonialdenkmal besteht aus drei Teilen:
1. Antrag auf Aufhebung des Denkmalschutzes.
2. Zwei bronzene Bodenplatten vor Ort (50x50cm), die die Antragstellung zur Aufhebung des Denkmalschutzes dokumentieren.
3. Eine Publikation “Denkmalschutz Aufheben” versammelt den bisherigen Diskurs um deutsche Kolonialdenkmäler aus postkolonialer Perspektive.
Diese kurzen Informationen sollen einen allerersten Eindruck geben. In der Ausstellung ist jeder Vorschlag sehr ausführlich beschrieben und mit Fotos oder Illustrationen zu sehen.
Die sechs noch bis zum 11. April ausgestellten Entwürfe von international agierenden Künstler*innen hat eine unabhängige Fachjury, bestehend aus Expert:innen der zeitgenössischen Kunst- und Kulturszene, in einem mehrstufigen Auswahlprozess gewählt.
Einer dieser sechs Entwürfe wird dann ausgewählt, bis 2024 im öffentlichen Raum der Stadt realisiert und soll dann zum Diskurs über dekoloniale Fragestellungen, die damit verbundene kritische Reflexion deutscher Kolonialgeschichte und zur Würdigung von Opfern und Gegner*innen von Kolonialismus und Ausbeutung beitragen.
Die Entwürfe der Künstler*innen zeigen sehr unterschiedliche und originelle Herangehensweisen und in gewisser Weise auch die Schwierigkeiten, den unterschiedlichen zeitgeistigen Konzepten von aktuell gewünschter Erinnerungskultur zu entsprechen.
Schön wäre es gewesen, wenn interessierte Besuchende sich in irgendeiner Form direkt zu den Entwürfen äußern könnten. Das hätte sicher auch dem Auswahlgremium “Kuratorium Künstlerischer Wettbewerb” geholfen, sich zu entscheiden.
Leider gibt es für Interessierte keine Möglichkeit, sich interaktiv mit den Entwürfen auseinander zu setzen oder auch nur einen Favoriten auszuwählen.
Die Ausstellung „Decolonizing Public Space“ läuft bis zum 11. April 2023 im Städtischen Museum, Haus am Löwenwall, Steintorwall 14, 38100 Braunschweig
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag: 11 bis 17 Uhr
Der Eintritt in die Ausstellung ist frei.
Weitere Informationen auf der Website:https://www.braunschweig.de/politik_verwaltung/nachrichten/decolonizing-public-space.php