…was zusammen gehört.
An scharfen Konflikten mangelt es seit Jahrzehnten der agrarpolitischen Debatte nicht. Seit zehn Jahren ist die Bewegung „Wir haben Agrarindustrie satt“ aktiv. Nicht ganz, denn bis zum letzten Jahr hieß es: „Wir haben es satt“. Es wir inzwischen differenziert. Die Gegner sind nicht mehr die konventionellen Bauern. Es gibt Bestrebungen gemeinsam zu agieren.
Frau Klöckner, die Ministerin, hat es noch nicht verstanden. Sie zerstört Visionen einer heilen „Bullerbü“-Welt: Landwirtschaft funktioniere heute nicht mehr so wie in vormodernen Zeiten. „Damit werden wir die Menschen nicht ernähren können“, sagt die Ministerin mit Blick auf angekündigte Proteste. Bauern sollen in Zukunft sogar noch effizienter arbeiten.
Greenpeace entrollte in der Halle des Agrarministeriums das Plakat: „Frau Klöckner, machen Sie Ihren Job“.
Die Trecker beider Seiten sind in Demo-Bewegung. Mit Treckern lässt sich einfach trefflich demonstrieren. Auch die „Konventionellen“ haben das erkannt. Und so sind deren Trecker ebenfalls auf dem Weg nach Berlin gewesen – nur einen Tag vorher. Diese Bauern demonstrieren unter „Land schafft Verbindung“ gegen neue gesetzliche Auflagen. Zum Beispiel sollen sie weniger Stickstoff düngen damit das Nitrat nicht im Grundwasser landet, wobei es in tierreichen Gebieten zu massiven Grenzwertüberschreitungen kommt.
Dritte Spielerin im Agrarquartett ist die Agrarpolitik, die eng am Bauernverband anlehnt und auch personell verquickt ist. Die Demo am Samstag in Berlin richtete sich denn auch gegen die Politik der Agrarministerin, des Bauernverbandes, und als die vierte Spielerin im Quartett, die Agrarindustrie. Die Ministerin, Julia Klöckner, ist die Frontkämpferin, die sich mit ihren Partnern gegen jede Veränderung stemmt, und die Schuld an der Bauernmisere den Konsumenten in die Schuhe schiebt.
Mehrere bemerkenswerte Aspekte waren auf der Demo festzustellen.
- Der Handelsvertrag mit den Mercosurstaaten soll nicht in Kraft treten. Der Bauernverband erwartet beim Fleisch Konkurrenz, und die Ökobauern sind dagegen, weil für die Massentierhaltung Gentech-Soja vermehrt auf den Flächen der Urwaldbrandrodungen angebaut wird. Hier sind sich die Bauern also einig.
- Klöckner und die Bauern wollen Milliardensubventionen an die industriellen Landwirte geben, also an die, die viel Land besitzen, jedoch relativ wenig Subventionen an die Bauern, die umweltorientiert arbeiten. Forderung: Nur für die Bauern Subventionen, die eine gesellschaftlich relevante Umweltleistung bringen.
- Die konventionellen Bauern verstehen langsam, in welchem Lager die Gegner der Bauern zu finden sind: in der Politik und der Agrarindustrie. Nicht ohne Grund müssen seit 60 Jahren hunderttausende Bauern bis heute aufgeben. Natürlich wollen die Bauern, wenn sie Leistungen für den Umweltschutz erbringen, dafür Geld haben. Das sollten sie auch bekommen, so die Meinung in der Gesellschaft.
- Langsam erkennen die Bauerm, dass der Erhalt der Biodiversität auf ihrem Acker Geld in ihre Kassen spülen kann. Und dass der Aufbau von Humus klimatisch hoch willkommen ist, denn Kohlenstoff wird im Ackerboden in Massen gespeichert, mehr als im Wald.
- Die Angriffe der Ökos auf die Konventionellen waren in Berlin höchst moderat. Es wurde erkannt, dass man in einem Boot sitzt und die Gegnerin in Berlin.
Julia Klöckner hat letztendlich auch nur noch eine Idee: Sie will die politische Verantwortung an die Verbraucher abgeben, denn die seien an allem Schuld und kaufen zu billig.
O-Ton Ministerin Klöckner „Von einem Euro für Fleisch kommen beim Landwirt 20 Cent an, das wird auf Dauer nicht so weitergehen“. Kunden zahlten ungern mehr. Es gebe „verbale Aufgeschlossenheit bei gleichbleibender Verhaltensresistenz“. Leider wurde nicht mitgeteilt, wie sie das ändern möchte. Auf die Idee, dass hier Marktversagen vorliegen könnte, kommt sie nicht, denn dann müsste sie den Markt, der ja alles optimal regeln soll, in Zweifel ziehen.
Im Grunde versteht niemand mehr warum diese ehemalige Weinkönigin Ministerin ist, wenn sie die verbraucherpolitische Verantwortung an die Verbraucher abgibt und die agrarpolitische an Industrie und Lobbyverband, ohne auch nur ein Problem gelöst zu haben, wie Hähnchen schreddern, Ferkel kastrieren und Schwanz kupieren ohne Betäubung, Antibiotika in den Ställen, Qualzuchten, Nitrat im Grundwasser, Verödung ländlicher Regionen, Betriebsaufgabe, mangelnde Fruchtfolge, Zerstörung fruchbarer Böden und und und…
Vielleicht liegt es ja gar nicht an Frau Klöckner. Vielleicht ja am System, in dem man nicht enkeltauglich wirtschaften kann. Beim Wirtschaften auf neoliberal kapitalistischer Grundlage steht nun mal das Kapital im Mittelpunkt und nicht das Leben. Und mit Lebewesen arbeit nun mal die Landwirtschaft. Das Lebendige wie Tiere, Pflanzen und lebendiger Boden (Mikroorganismen), lassen sich nun mal nicht nur in Geld ausdrücken. Da steckt mehr dahinter als nur die Marktfähigkeit, nämlich der Respekt vor dem Lebendigen. Erst wenn das erkannt und operationalisiert wird, kann es zu enkelverträglichen Veränderungen in der Landwirtschaft kommen.