Braunschweiger Flash-Mob am 8.8.09: Was nun?

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(Vorschläge für die Stadtverwaltung)
08.08.09, 16.00- 18.00: Der Platz zwischen den Reiterstandbildern ist voll mit Picknickern. Während in den früheren Jahren zum Flash-Mob auf dem Schlossplatz 70 Leute kamen, waren es diesmal -nachlässig geschätzt- 300 Personen, vielleicht auch deutlich mehr.

Dieser Erfolg des Mobs geht in erster Linie auf die Stadtverwaltung zurück, die durch ihr repressives Verhalten im Vorfeld der Veranstaltung aus dem an sich unpolitischen Flash-Mob ein Politikum gemacht hat. Man darf entsprechend vermuten, dass viele der gestrigen Flash-Mobber ihre Teilnahme auch als Protest gegen eben diese reaktionäre Stadtpolitik verstanden.

Der Flashmob also als ein Zeichen von beginnender Aufsässigkeit in der Bevölkerung? Eine Niederlage also für die Stadtverwaltung? Nicht unbedingt: Am Ende ist alles nur eine Frage der Interpretation.

Bislang neigte man in der Pressestelle und der BrZ in solchen Fällen zum Kleinreden. Wenn Pressestelle und BrZ diese Strategie auch diesmal verfolgen, dann dürfte morgen in der BrZ in etwa folgendes zu lesen sein:

War da was? – Ein Großereignis, das nicht stattfand

… hatte OB Hoffmann für den Flashmob 10 000 – 15 000 Personen erwartet. „Angesichts der historischen und kulturellen Bedeutung des Schlossplatzes wäre das das absolute Minimum gewesen.“ so der OB: „Wenn auf dieser Insel Sylt schon 5000 Leute zusammenkommen, um sich den Sand in die Pobacken…na lassen wir das; jedenfalls bietet unser hochwertiges Schlossplatzpflaster doch vergleichsweise -und auch absolut gesehen- höchsten Sitzkomfort.“ Den Umstand, dass am Ende nur 90 Personen vor dem Ottmer-Prachtbau herumsitzen wollten, wertet Hoffmann als neuerliche Niederlage von Bibs- Ratsherrn Rosenbaum. „Dass nur ein winziger Bruchteil der von mir erwarteten Teilnehmer kam, beweist doch, dass an so einem Firlefanz in Braunschweig kein Bedarf besteht. …

Das wäre der altbewährte Ansatz, mit unliebsamen Demonstrationen umzugehen. Dieser Flash-Mob war jedoch keine normale Demonstration, der Stachel sitzt tiefer:

  • Da ist dieser Lord Schadt, der Initiator des Flash-Mobs, der die Stadtverwaltung einfach lächerlich machte, indem er der amtlichen Aufforderung, seinen Mob abzublasen, nur zu gerne nachkam und also überall verkündete: „Picknicken Sie am 8.8.09 zwischen 16.00 und 18.00 NICHT auf dem Schlossplatz.“
  • Da ist der überregionale Spott über die Stadtverwaltung, die scheinbar aus repressivem Reflex eine so erfreuliche wie harmlose Veranstaltung unterbinden wollte; der Spott über ein Amt, das doch so handeln musste wie es handelte, weil es satzungsgemäß die Würde des Schlossplatzes zu wahren hat.
  • Da ist schließlich die tatsächlich mutwillig und absichtsvoll verletzte Würde des Schlossplatzes: Hundertfach verletzt von Leuten, die sich einfach auf seinem hochwertigen Pflaster niedersetzten.
  • Und was vielleicht das Schlimmste ist: Da ist die Ohnmacht der Braunschweiger Ordnungshüter, die gegen diese in einer rechtlichen Grauzone angesiedelten Sitzung nicht eingreifen konnten, ohne bundesweit endgültig blamiert zu sein. Also mussten sie gute Miene zum bösen Spiel machen.

Wie kann man mit all dem als Braunschweiger Patriot noch weiterleben, wie vor sich selbst noch bestehen und zugleich all den feixenden Mießmachern und Spöttern den Mund stopfen?
Da hilft nur eine radikale Neuinterpretation all dieser unerfreulichen Ereignisse: die Flucht nach vorne. Diese könnte sich in einem BrZ-Artikel wie folgt niederschlagen:

800 Braunschweiger huldigtem spontan dem Schloss – Schwere Niederlage für Rosenbaum. OB Hoffmann in seiner Politik von der Jugend eindrucksvoll bestätigt.

Zugegeben, am Anfang gab es Irritationen auch bei der Braunschweiger Verwaltung. Wie soll man auch als Ordnungshüter reagieren, wenn sich eine Anzahl von jugendlichen Personen spontan vor dem Portikus des Welfen-Schlosses treffen will – nicht etwa, um in den beliebten SCHLOSS-ARKADEN auf Schnäppchenjagd zu gehen oder sich auf dem Balkon des Herzogs einen dieser köstlichen TIZIANO-Eisbecher auf der Zunge zergehen zu lassen, sondern um auf dem Schlossplatz zu picknicken!

„Natürlich hatten wir zunächst unsere Sorgen“ so ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes: „diese jungen Leute…Sie wissen schon.“ Nach einer kurzen Beratung mit dem Stadtmarketing sei man aber zu der Überzeugung gelangt, dass das Picknik zu unterstützen sei.
„Es ist doch so: Jede Generation erfindet ihre Ausdrucksmittel neu. Wenn wir dem Schloss huldigen wollten, so machen wir das selbstverständlich mit einem Zapfenstreich.“ Das sei aber nicht die Ausdrucksform der jungen Leute, es ist sozusagen nicht ‚cool’.

Das Schloss aber ist ‚cool’; auch und vor allem bei den jungen Leuten: Und zwar so wie es ist: mit den beliebten SCHLOSS-ARKADEN gleich hinter dem Portikus. Und diese jungen Leute drängt es nicht anders als uns, ihre Gefühle dem Schloss gegenüber zum Ausdruck zu bringen, nur eben auf ihre Weise. Und ihre Weise ist eben ein Picknick vor dem wiedererstandenen Ottmer-Prachtbau.

„Als wir begriffen haben, dass sich hier 1000 Menschen treffen wollen, um dem Schloss zu huldigen, haben wir das Picknick im Vorfeld wohlwollend begleitet, indem wir immer wieder ausdrücklich darauf hinwiesen, dass wir da natürlich nichts verbieten.“ so der Mitarbeiter des Ordnungsamtes mit einem augenzwinkernden Lächeln.

Geradezu Panik vor dem Picknik gab es dagegen bei den selbsternannten Gegnern der erfolgreichen Politik unseres OB, die im Schlossbau ihren hochwertigsten Ausdruck gefunden hat. In den Internet-Foren überschlug sich die Bibs-Rosenbaum-Gruppe mit Aufrufen, nicht an der geplanten Schloss-Huldigung teilzunehmen: „Don’t picnic“ plakatierten sie, und ein sogenannter Lord Schadt, der jüngst in der Szene Furore mit einem Schmähbrief gegen den OB und das Schloss gemacht hat, forderte immer und immer wieder geradezu beschwörend : „Erscheinen Sie am 8.8.09 NICHT auf dem Schlossplatz.“ -Vergebens! Die Blüte der Braunschweiger Jugend, weit über 1200 an der Zahl, wollte sich von diesen Nörglern nicht vorschreiben lassen, was sie gut findet und was nicht: Sie findet das Schloss gut, und sie will das auch zum Ausdruck bringen: egal ob das einem Herrn Rosenbaum und einem Lord Schadt nun passt oder nicht.

Damit wäre die Blamage der Stadtverwaltung zweifellos ins Positive gewendet. Ein Problem aber bliebe: Die Wiederholungsgefahr eines von der Stadtverwaltung unkontrollierten Flash-Mobs auf dem Schlossplatz. Um das auszuschließen, muss das Äußerste gewagt werden: sich an die Spitze der Bewegung stellen! Der Artikel in der BrZ, in der sich dieser Coup der Stadtverwaltung niederschlüge, könnte einige Tage später nachgeschoben werden und sich wie folgt lesen:

Stadtmarketing plant Schloss-Mob für 2010

„Da es in der Braunschweiger Jugend offensichtlich einen nicht zu unterdrückenden Bedarf gibt, ihrer Begeisterung für ihr Schloss und meine Politik Ausdruck zu verleihen, wird mit solchen spontanen Kundgebungen auch in Zukunft zu rechnen sein.“ nahm Dr. Gert Hoffmann zu der spontanen pro-Schloss-Manifestation vom 8. 8. mit fast 1500 meist jugendlichen Braunschweigern Stellung. „Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Schließlich leben wir ja in einer Demokratie.“

Aber so was müsse natürlich kanalisiert werden. Deshalb habe er das Stadtmarketing angewiesen, in Zukunft am 8. 8. eines jeden Jahres unter dem Namen ‚Schloss-Mob’ ein Picknick auf dem Schlossplatz zu veranstalten, wo sich der begeisterte Ausdruck der Massen spontan Bahn brechen kann. Dieser solle in Form und Inhalt an den diesjährigen Flash-Mob mit gut 1700 Teilnehmern anknüpfen‚ aber natürlich besser organisiert sein, wie Dr. Hoffmann betont. Im einzelnen sei daher folgendes geplant:

  • Eine Woche vor dem Schloss-Mob werden in der Braunschweiger Zeitung ganzseitige Anzeigen erscheinen, in denen Wolfgang Sehrt unter dem Pseudonym „Lord Flocki“ dazu aufruft, am 8. 8. zwischen 16.00 und 18.00 nicht auf dem Schlossplatz zu picknicken.
  • Dieser Aufruf ist der Startschuss für den Vorverkauf der Eintrittskarten für den Schloss-Mob. Diese sind zum Preis von 19,95 € exclusiv bei Firma BOREK erhältlich. Diese übernimmt auch die Organisation der Veranstaltung, da einzig durch sie die Authentizität der Veranstaltung und hochwertige Bestuhlung des Schlossplatzes für die Dauer des Ereignisses garantiert ist.
  • Die Bewirtung des Schloss-Mobs erfolgt ausschließlich durch das beliebte Eis-Cafe TIZIANO.
  • Schirmherr des Schloss-Mobs ist der OB, der für die Dauer der Veranstaltung den Ehrennamen „Lord 8.8.“ annimmt.

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