„Sparkassencup Boykott“ – so steht es gesprüht und geklebt auf allerlei Hauswänden und Verkehrsschildern in der Braunschweiger Innenstadt. Ich bin zufrieden, ja, geradezu glücklich, denn ich komme nicht umhin, diesen Aufruf als die Manifestation eines kritischen, antikapitalistischen Bewusstseins zu interpretieren, das die breiten Volksmassen ergriffen hat. Das Proletariat ist erwacht! Endlich!
Der Imperialismus liegt ja bekanntlich schon seit den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm in den allerallerletzten Zügen, die Mächtigen sind nur zu faul zurückzutreten und scheuen auch die daraus resultierenden Konsequenzen. Sie wollen eben nicht wie der letzte chinesische Kaiser blümchenpflückend hinter Gefängnismauern enden.
Diese harsche Kritik – „Sparkassencup Boykott“ – des warengesellschaftlichen Alltagslebens macht die Radikalität der globalisierungskritischen Bewegung mehr als deutlich. Man will sich nicht länger von den Vertretern des Finanzkapitals hinters Licht führen und mit billigen Vergnügungen abspeisen lassen! Ha! Und ist es nicht sogar noch mehr? Eine Kritik des Sparfetischs der bürgerlichen Gesellschaft vielleicht? Ein Aufschrei gegen die Qualen des Leistungssports möglicherweise? Zack, da habt Ihr!
Trotzdem bin ich mir nicht ganz sicher, warum ausgerechnet der Sparkassencup boykottiert werden soll. Und was ist der Sparkassencup überhaupt?
Nach meinen aufwändigen Recherchen (zwei Klicks im Internet) finde ich die entsprechenden Boykottaufrufe und bin ernüchtert. Ich erfahre, dass der Sparkassencup – ein Turnier der vier besten niedersächsischen Fußballvereine – ein heimtückisches, um nicht zu sagen: menschenverachtendes Ziel hat. „Die Feindschaft zwischen den teilweise rivalisierenden Anhängern“ soll abgebaut werden! Und, noch unfassbarer: Sogar „Werbung“ soll es dort geben – im Unterschied zu den sonstigen, gänzlich unkommerziellen Spielen der besagten Bolzplatzmannschaften natürlich. Die Mittel hierzu sind nicht minder niederträchtig: ein „Familienfest“ ist geplant, das „weit entfernt von authentischer und gewachsener Fußballfankultur“ sei. Und das, wo das Derby „gegen die Roten“ aus „Scheiß Hannover“ bekanntlich „das wichtigste Spiel im Leben eines wahren Eintracht-Fans“ ist und nicht verdient „durch derartige Spaßveranstaltungen bagatellisiert und zu einem unsinnigen Freundschaftsspiel gemacht zu werden“. So ist er, der verachtete „moderne Fußball“.
Familienfeste, Spaßveranstaltungen und Freundschaftsspiele als Feinbilder – ich fürchte, die Revolution wird wohl doch noch ein oder zwei Jahre auf sich warten lassen.
Link zum letzten Bericht aus Bumsdorf