ASSE II – Forschungslager – Zwischenlager – Endlager. Das deutsche Atomerbe für zig Generationen

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Das Transparent hing am Zaun der Schachtanlage Asse II am 1.1.2023, anlässlich des Neujahresspazierganges der Wolfenbütteler Atomausstigesgruppe (WAAG) .

Von Paul Koch, Sozialdiakon i.R., Asse-Region

Am 17.01.2023 stellte die CDU/CSU–Fraktion im Deutschen Bundestag den Antrag „Endlagersuche beschleunigen – Akzeptanz sichern“. In diesem Antrag wird eingangs auf folgenden Sachverhalt hingewiesen:

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) Zeitkorridore für die weitere Suche nach einem Endlagerstandort für hochradioaktive Abfälle dargestellt und in einem Diskussionspapier vorgelegt. Demnach könnte sich die Suche nach einem bestmöglichen Standort – je nach Terminrisiken und Beschleunigungspotenzialen– von dem ursprünglich geplanten Jahr 2031 bis in die Jahre 2046 oder sogar 2068 hinziehen. Diese erhebliche Verzögerung um potenziell mehrere Jahrzehnte ist überraschend und wirft erhebliche Fragen auf.

Zu den Orten, die von dieser zeitlichen Verzögerung betroffen sind, gehört die Region um den maroden Schacht Asse II bei Remlingen im Landkreis Wolfenbüttel (Niedersachsen).

Diese Schachtanlage und ihre Geschichte ist ein Beispiel, wie Anspruch und Wirklichkeit bei Transparenz und Fairness der Entscheidungsprozesse trotz vieler gegenseitiger Erklärungen auseinanderklaffen.

1965 wurde das Bergwerk Asse II von der Bundesrepublik gekauft, um dort die Endlagerung radioaktiver Abfälle zu erforschen. (BGE – www.bge.de/asse). In der Praxis sah diese Forschung so aus: Erst wurden die Atommüllfässer fein säuberlich hochkant, später flach, eingelagert. Obwohl die Strahlung von diesen Atom-Fässern angeblich nicht stärker sein sollte, als die Strahlung eines Fernsehers, wurde aus Sorgfaltspflicht gegenüber den Mitarbeitern im Schacht Asse II die Einlagerungstechnik geändert. Die Atommüll-Fässer wurden in leere Abbaukammern des Bergwerks einfach abgekippt. Damit bekamen die Mitarbeiter möglichst wenig Strahlung ab, vor allem aber konnte viel mehr Atommüll, viel billiger als zuvor, beseitigt werden.

Die Bilder von dem Radlader, der Atommüllfässer abkippt, dürften auch bundesweit bekannt sein! Für die Anwohner der Region rund um die Asse, waren diese Informationen und Bilder ein deutlicher Hinweis, dass die Sache mit dem „Forschungslager“ nur eine Farce war. Noch schlimmer für sie war die Information, dass radioaktiv kontaminiertes Wasser aus den Atommüll-Kammern heraussickert und ohne Genehmigung in die tiefsten Bereiche der Schachtanlage verbracht wurden.

Tatsächlich kam es danach zu Unruhen („Verbalattacken“ und „Handgreiflichkeiten“) zwischen Bürgern der Region und Asse II-Mitarbeitern (die auch vor Ort wohnen). Diese Situation rief kirchlich–seelsorgerliches Handeln auf den Plan. Die Pfarrer und Pfarrerinnen in der Region waren doppelt betroffen. Zum einen betraf sie
persönlich diese Entwicklung, zum anderen haben sie einen Auftrag zur Seelsorge gegenüber ihren Kirchenmitgliedern und der Bevölkerung allgemein. Im Juni 2008 luden sie deshalb zur ersten „Asse-Andacht“ vor den Toren des Schacht Asse II ein. Ein ökumenisches Netzwerk bildete sich und bietet seither vierteljährliche Andachten am Asse-Schacht an.

Mehr zu den Asse-Andachten hier.

Nach dem das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) 2009 Betreiber des Asse-Schachts wurde, keimte in der Region Hoffnung auf. Nun stellte sich die Frage: Wie geht es weiter mit diesem maroden Atommüll-Lager? Der vormalige Betreiber des Schachts Asse II, das Helmholtz-Zentrum München, wollte das Bergwerk stilllegen, mit Spezialbeton alle Lücken im Bergwerk schließen und quasi einen „Deckel drauf“ machen.

Die Vermutung, dass an der Stelle, an der das Wasser in das Bergwerk eintritt (diese Stelle ist bis heute nicht genau lokalisiert) bei Fest-Verschließung des Bergwerks das Wasser wieder austritt – jetzt aber atomar belastet, wollte die Bevölkerung nicht hinnehmen. Es kam zu einem Optionsvergleich des BfS an dessen Ende die Rückholung des Atommülls als einzige Lösung ausgewiesen wurde, die die atomrechtlich geforderte Langzeitsicherheit sicherstellen kann. Das wurde inzwischen in ein Gesetz (Lex Asse) gegossen – allerdings mit der Maßgabe, dass die technische Machbarkeit gegeben sein muss. Da ein vorzeitiges Absaufen der Schachtanlage nicht ausgeschlossen werden kann, wird parallel zur Rückholung an einen Notfallplan gearbeitet.

Mit der Übernahme der Verantwortung versprach das BfS maximale Transparenz, richtete Info-Zentren (Asse, Konrad, Morsleben) ein. Im ökumenischen Netzwerk wurde in dieser Zeit kurz überlegt, ob diese Asse-Andachten noch notwendig sind. Leider hakte es auch bei der Transparenz des BfS und die Asse-Andachten finden immer noch vierteljährig (jeweils zum Jahreszeitenwechsel) statt, auch nach der Übernahme der Schachtanlage durch den jetzigen Betreiber, dem Bundesamt für Endlagerung (BGE).

Aber auch die Zivilgesellschaft wurde aktiv. Bürgerinitiativen entstanden oder bekamen neuen Auftrieb. Monatliche Mahnwachen finden seitdem in der Fußgängerzone in Wolfenbüttel statt. Hin und wieder organisieren Bürgerinitiativen, aber auch der derzeitigen Betreiber der Schachtanlage Asse II (BGE) Veranstaltungen zu speziellen Asse-II-Themen.

Schon 2008 wurde von den politisch Verantwortlichen ein als vorbildlich gedachter Begleitprozess mit dem Betreiber der Schachtanlage, Vertreter von Kommunen, Bürgerinitiativen und unabhängigen Wissenschaftlern, die die Bürgerinitiativen beraten konnten, eingerichtet. Leider hat sich später herausgestellt, dass die BGE (als von der Politik beauftragtes Bundesunternehmen) nur begrenzt entscheidungskompetent ist. An der Standortfrage des notwendigen Zwischenlagers zeigte sich, dass dieser Prozess eigentlich nicht als „Begleit-Prozess“, sondern ein „Konsens-Prozess“ gemeint war. Man hatte offensichtlich gehofft, dass man mit entsprechenden Informationen und Kommunikationsprozessen die Bürgerinitiativen von der Richtigkeit des politischen Vorgehens überzeugen, und ihre Zustimmung erhalten könne. Aber diese Rechnung ging nicht auf. So wurde der erste Begleitprozess torpediert, und ein zweiter Begleitprozess mit auseinander gezogenen Strukturen und mehr Beteiligung der Zivilbevölkerung (die sich vorher nur wenig mit dem Thema Asse II befasste), wurde eingerichtet. Am 22.12.2022 wurde auch dieser Begleitprozess aufgegeben. Das BMU gab bekannt: „Bundesumweltministerium und Asse-2-Begleitgruppe beenden bisherigen Begleitprozess und fassen Neustart ins Auge“.

Mitte 2020 stellte die BGE erstmals ihr Konzept der Rückholung als Ganzes vor. Zentrale Aussage des Konzeptes: Das nötige Zwischenlager für den rückgeholten Atommüll kommt auf die Asse. Statt in 750 m tiefe, in 750 m Entfernung vor der nächsten Ortschaft. Als die im damaligen Begleitprozess zur Beratung der regionalen Vertreter tätige Gruppe „unabhängiger“ Wissenschaftler einen Standortvergleich mit Asse-fernen Standorten zu dem vom Betreiber favorisierten Platz forderte, verkündete der online zugeschaltete Staatssekretär des Bundesumweltministeriums Flassbarth:

Die Entscheidung ist gefallen: Das Zwischenlager kommt auf die Asse! Egal was die Region dazu meint.

Damit wurde deutlich, dass der Begleitprozess keine Beteiligung der Region beabsichtigte, sondern nur an Akzeptanzwerbung gedacht war. Die Betroffenheit der Bürger war groß. Deshalb gab die BGE (nach beharrlicher Kritik der Bürgerinitiativen und der Begleitgruppe) eine juristische Prüfung in Auftrag, die den bisherigen Vorgang der Standortentscheidung des Zwischenlagers „beleuchten“ und prüfen sollte, ob das Verfahren korrekt war. Das Ergebnis der Prüfung gab den Bürgerinitiativen Recht: Ihre Forderung nach alternativen Standorten zu suchen ist legitim. Inzwischen ist wieder Zeit vergangen und nun sagt die BGE: Jetzt haben wir dafür keine Zeit mehr!

Im Zusammenhang mit Asse II kann man das Jahr 2022 als „ereignisreich“ bezeichnen. Umso mehr verwundert es, dass dieses Thema im Jahresrückblick der Landrätin des Landkreis Wolfenbüttel nicht vorkommt. Obwohl sie den Begleitprozess leitet, und obwohl sie einen „Asse-Fond“ mit jährlich 3 Millionen Euro verwaltet und viel Gutes für Ihren Landkreis damit machen kann, und gemacht hat. Der Jahresrückblick der Landrätin war natürlich in der Tages- und in der Sonntagszeitung wortwörtlich abgedruckt (und ist zu finden auf der Homepage des Landkreis Wolfenbüttel.

Die lokale Presse druckt das ab, scheinbar ohne es selbst zu lesen. Jedenfalls fehlt jeder Kommentar dazu. Mein „Offener Brief“ an die Landrätin, der einige der gravierenden Asse II – Ereignisse des Jahres 2022 aufzählt, die in einen Jahresrückblick gehören würden, wurde von der lokalen Presse nicht aufgenommen – also ein Tabu-Thema?

Die Frage ist, warum wird hier von den lokalen Journalisten nicht nachgefragt und recherchiert wird. Warum bleibt das Thema Asse II ein regionales Thema obwohl es um bundesdeutschen Atommüll geht.

Die bundesdeutsche Öffentlichkeit wird nur über Vorgänge im maroden Atommülllager Asse II informiert, wenn etwas „Großes“ oder „Schlimmes“ passiert ist (z.B. als bekannt wurde, dass das Wasser, dass in das Bergwerk eindringt, auch in die Atommüll-Kammern gelangte und von dort die Kammern kontaminiert wieder verließ). Ansonsten ist sich die Region rund um den idyllischen Höhenzug Asse selbst überlassen und fühlt sich wie „David gegen Goliath“.

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