Als im Jahre 2020 die Zukunft begann

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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Von Daniel Deimling in „Makroskop

Die Coronakrise führt uns vor Augen, was die Mängel des gegenwärtigen Wirtschaftssystems sind. Gleichzeitig aber ist sie ein Wegweiser, wie eine zukunftsfähige Organisation der Wirtschaft aussehen könnte.

Das Schöne an MAKROSKOP ist, dass kritische Stimmen unterschiedlichster Couleur zu Worte kommen. Eine große Klammer um all diese Stimmen ist eine Kritik des neoliberal entfesselten Kapitalismus.

Vereinfacht würde ich mich selbst als Marxisten bezeichnen, beziehungsweise genauer formuliert als Wertkritiker. Hinter der Kritik am Neoliberalismus steht auf Basis der Wertkritik eine grundsätzliche Kritik am Verhältnis von Kapital und Arbeit, an der Kapitalverwertung und an den Besitz- und Herrschaftsverhältnissen im Kapitalismus. Das gegenwärtige Krisenszenario bietet eine gute Möglichkeit, um das Bild einer wünschenswerten Ökonomie zu zeichnen, die in Teilen auf dieser Kritik basiert.

Gekennzeichnet ist der gegenwärtige Zustand unserer Wirtschaft durch eine drastisch verminderte Produktion, eingeschränkten (stationären) Handel, eingeschränkten Im- und Export, einen durch diese Faktoren bedingten Einbruch der Erwerbsarbeit, eingeschränkte Mobilität und eine Form des Konsums, die sich erzwungenermaßen auf das Notwendigste reduziert. Stellen wir uns einmal vor, dieser oder ein ähnlicher Zustand wäre ein dauerhafter (ich habe bereits hier und hier darüber geschrieben, dass dieses Szenario im Kontext von Peak Oil kein unwahrscheinliches ist).

Was brauchen wir für ein menschenwürdiges Leben?

Was würde dies für unsere Gesellschaft bedeuten? Wir bräuchten dauerhaft weniger Arbeitskräfte in der industriellen Produktion sowie im Handel, Konsumoptionen würden dauerhaft wegfallen. Wir bekämen dadurch eine riesige »Surplusarbeiterpopulation« (Marx), die nicht mehr gebraucht würde. Die zentrale Frage in einem solchen Systemzustand ist folgende: Was brauchen wir, von der Versorgungsseite her gedacht, um ein menschenwürdiges Leben zu führen?

Meine Antwort lautet: Nahrungsmittel, Wohnraum inklusive Ausstattung, Kleidung, medizinische Versorgung, Bildung, Mobilität, Kommunikation mit Mitmenschen, Kunst und Unterhaltung. In diesen Bereichen brauchen wir also weiterhin dringend Arbeitskräfte. Wenn Sie derzeit einen Supermarkt betreten, können Sie anhand dessen, was chronisch ausverkauft ist, problemlos ableiten, welche Güter des täglichen Bedarfs die Menschen zum Überleben brauchen respektive zu brauchen glauben.

Im Supermarkt meiner Wahl sind das in erster Linie Toilettenpapier, Handseife, Mehl, Hefe, Nudeln und Tomatendosen. Damit kommt man recht weit. Was derzeit ebenfalls händeringend benötigt wird, sind Kranken- und Altenpfleger, Ärzte, Krankenhäuser, Medikamente und medizinische Instrumente. Nach drei Jahrzehnten neoliberaler Verwüstung gibt es von Allem zu wenig, allerorten haben wir im Gesundheitssystem derzeit einen Mangel an Arbeitskräften und Ausstattung.

Wir haben also auf der einen Seite eine sprunghaft gewachsene Surplusarbeiterpopulation, auf der anderen Seite einen Mangel an Arbeitskräften unter anderem im Gesundheits-, Pflege- und Bildungsbereich sowie in der Landwirtschaft, weil die günstigen Erntehelfer aus Osteuropa aufgrund eingeschränkter Mobilität diese Saison zum Teil wegfallen.

Die folgenden Vorschläge gelten zum einen für die derzeitige Situation, zum anderen sind es Vorschläge für eine zukunftsfähige Ökonomie, die dauerhaft gekennzeichnet ist durch ein »Weniger« (an Produktion, Handel, Konsum, Mobilität). Denken wir diese Vorschläge doch einmal (wie Matthias Horx) von einem Zeitpunkt in der Zukunft aus rückwärts (sagen wir aus dem Jahre 2040). Weiter

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