Von Gerhard Wysocki
80 Jahre nach Befreiung der Häftlinge
Vom Erinnern an den Massenmord in Rieseberg (1933) zum Erinnern an die systematische Vernichtung von Menschen durch Arbeit als Häftlinge im Konzentrationslager der Büssing NAG an der Schillstraße (1944/45)
Staatlicher Terror, der Krieg in Europa und die Vernichtung von Menschen durch den deutschen Staat mit einer nationalsozialistischen Regierung hatten ein bis dahin unvorstellbares Ausmaß an Leid und Fassungslosigkeit bewirkt, dass ein Teil der deutschen Nachkriegsgesellschaft – unter der Regie der alliierten Besatzungsmächte – beabsichtigte, eine potentielle Wiederholung unter allen Umständen auszuschließen.
Eine der Maßnahmen bestand darin, das Erinnern und Gedenken an die durch das NS-Regime Verfolgten und Ermordeten zu begehen, ohne dass es dafür ein Konzept für die Art und Weise der Erinnerung gegeben hätte, geschweige ein Konzept, das für die politische Bildung geeignet gewesen wäre. Dafür war in den 50er Jahren die zeitliche Nähe zu dicht, denn während Nazi-Täter, Profiteure und Mitläufer damit beschäftigt waren, unterzutauchen, ihre Spuren zu verwischen und sich ahnungslos gaben, weitere Gruppen versuchten sogar in neuen Rechtsparteien das nationalsozialistische Deutschland wieder „zurückzuholen“, litten Verfolgte i.d.R. daran, oft jahrelang ihre Gesundheit halbwegs wieder herstellen und die Traumata der Verfolgung verarbeiten zu müssen. Das Gros der Bevölkerung sorgte sich mithin um sein alltägliches Überleben.
Gleichwohl ragten seit dieser Zeit in Braunschweigt – bis Mitte der 90er Jahre – zwei Gedenkräume von Anbeginn heraus: Zum einen in Rieseberg im braunschweigischen Landkreis Helmstedt, wo am Pappelhof und dem Käthe-Kollwitz-Heim eine zentrale Arbeiterbegegnungs- und –bildungsstätte des Landes bestand und 1933 zehn Arbeiterbetriebsräte durch braunschweigische SS- und Polizeiverbände ermordet wurden; und zum anderen am Schilldenkmal, das 1837 für Major von Schill und seinen 14 durch die napoleonische Besatzungsregierung hingerichteten Gefolgsleuten errichtet wurde und dort nach dem Zweiten Weltkrieg der Volkstrauertag begangen wurde.
Rieseberg:Am 04. Juli d.J. liegt der Massenmord an den 10 Braunschweiger Betriebsräten und Gewerkschaftern und eine weitere nicht bekannte Person 92 Jahre zurück. Nachdem das Nazi-Regime durch die Alliierten militärisch beseitigt worden war, kamen bereits am 04. Juli 1946 mehrere tausend Menschen in Rieseberg zusammen, um der Ermordeten und der Verbrechen des Krieges, mit dem Deutschland Europa überzogen hatte, zu gedenken. Der Massenmord in Rieseberg bildete den deutlichsten Ausdruck dafür, dass 1933 eine echte Zeitenwende eingesetzt hatte.
Schilldenkmal: Mit der „Neuweihe“ des Schilldenkmals an der Schillstraße am 04. September 1955 nutzte an diesem Ort der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge und die Stadt Braunschweig den Ort, um am Volkstrauertag das Gedenken an die Kriegstoten zu begehen, wobei nach Gründung der Bundeswehr die Veranstaltungen auch militärisch zelebriert wurden.