11. September in Braunschweig – CDU, FDP und der OB zittern

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Heidemarie Mundlos, Braunschweiger CDU-Vorsitzende, gibt es zu: die schwarzgelbe Verbindung in Braunschweig ist seit einiger Zeit in der Minderheit (“nb“, 15. Juni). Das ergibt sich aus einer Umfrage, die ihre Partei selbst in Auftrag gegebenen hat. Es ist also gut möglich, dass Oberbürgermeister Dr. Hoffmann durch die Kommunalwahlen am 11. September seine “schweigende Mehrheit“ verlieren wird. Da er bis 2014 gewählt ist, bliebe er uns dennoch weiter erhalten – allerdings in einer viel aufregenderen Gesamtkonstellation als bisher.

Der Hinweis von Frau Mundlos, dass auch Rotgrün keine Mehrheit habe, wird den OB wenig trösten. Denn das bedeutet ja nur, dass die Wähler der SPD und der Grünen zusammen mit denen der BIBS und der Linken inzwischen eine ziemlich eindrucksvolle Mehrheit in der Stadt bilden. Natürlich kämpft vor allem der OB verbissen gegen diesen Trend an und versucht, mit verschiedenen Mitteln das politische Desaster zu vermeiden (dazu unten mehr).

Machtverlust von CDU und FDP nicht nur durch bundesweiten Trend zu erklären

Wir wollen den Leser nicht langweilen. Natürlich läuft der Bundestrend gegen CDU und FDP. Aber das ist es nicht allein. Fragwürdige Privatisierungs- und PPP-Projekte, Ersetzen des Waggumer Waldes durch eine betonierte Mondlandschaft, “Mitarbeit“ am Millenniumsberg, fünfjährige Hängepartie bis zum Beginn des Baus des Spaßbades, usw. usf.: die Last der Fehlgriffe, der Misserfolge und des Eingehens von schwerwiegenden Risiken für die Stadt, die CDU und FDP in den zehn Jahren ihrer Ratsmehrheit auf sich geladen haben, ist so schwer, dass sie sich vermutlich auf lange Dauer nicht mehr davon frei machen können. Zumal in einigen Projekten veritable Zeitzünder verborgen sind, die erst in Jahren die Stadt vor große Probleme stellen werden (zum Beispiel ab 2014, wenn jedes Jahr an die 30 Millionen für den Ausgleich der Verluste städtischer Gesellschaften fehlen).

Aber auch der doch oft rüde Ton des OB (z.B. in der Auseinandersetzung mit dem Abgeordneten Höttcher) und vor allem das subalterne Verhalten der CDU-Spitze, das der Insider Klaus Langhardt zu Recht als „bestürzende Unterwürfigkeit“ charakterisiert, wirken wenig vertrauenserweckend (siehe dazu im Braunschweig-Spiegel: “Die drei Probleme der Braunschweiger CDU“).

Strategien des Machterhalts

Wie will Dr. Hoffmann nun das Desaster vermeiden? Durch Wohltaten, zum Teil Eingehen auf Bürgerwünsche und jede Menge Erfolgsmeldungen bzw. -ankündigungen. Erinnert sei an den Ausbau des Eintrachtstadions oder die Abschaffung der Kindergartengebühren. Weitere Beispiele? Man muss eigentlich nur die Zeitung aufschlagen und wird fast jeden Tag etwas finden. Zum Beispiel lesen wir in der BZ vom 20. Mai: “Stadt besetzt Stellen wieder ohne Wartezeit“. Nach acht Jahren wird eine Maßnahme aufgehoben, die zu „Frust bei Bürgern“ und „stark belasteten Mitarbeitern“ geführt habe.

Oder nehmen wir die Ausgabe vom 21. Mai: “Rat billigt weitere 600 000 Euro zur Pflege des Stadtgrüns“; nun hat man sogar zwei Maschinen zur Beseitigung von Hundekot geleast! Und für Bürger, die etwas zu bemängeln haben, wird es künftig eine “Grün-Hotline“ geben.

In derselben Ausgabe erfährt man, dass der OB kritischen Broitzemer Bürgern, die gegen ein neues Gewerbegebiet Rüningen-West auftraten, versicherte, das Vorhaben werde auf Eis gelegt und in seiner Amtszeit jedenfalls nicht umgesetzt.

Selbst Erneuerungsinvestitionen für Straßenbahnen (27. Mai) oder für verschlissene Gleisanlagen (15. Juli) werden nun als besondere Leistungen herausgestrichen.

Der Behindertenbeirat kritisiert die Verwaltung und die CDU-Fraktion wegen der Ausstattung des Sozialamtsneubaus – sofort werden 25 000 Euro für weitere Verbesserungen bereit gestellt (9. Juli), was sicher sinnvoll ist, woran man sich aber bisher die Zähne ausbeißen konnte.

Man braucht sich nur das Stakkato der städtischen Pressemitteilungen anzuschauen, dann erkennt man klar die propagandistische Absicht. Immerhin scheinen aber die Zeiten vorbei zu sein, in denen die BZ schamlos die Propaganda einfach nur weiter reichte. Zwar führt nach wie vor so gut wie jede Pressemitteilung der Stadt zu einem Artikel am nächsten Tag, allerdings ist doch ein Bemühen zu erkennen, die Fakten zu bringen und die Propaganda weitgehend auszusieben.

Ein neuer Hoffmann“ oder ein Wolf, der Kreide gefressen hat?

Der “alte Hoffmann“ ist jedenfalls kaum wiederzuerkennen. Er scheint sich auch persönlich dezent zurückzuhalten und lässt in der Regel Dezernent Stegemann, der uns irgendwie an einen Teddybär erinnert, seine Sichtweise vortragen. Schade nur, dass der Wandel erst angesichts des drohenden Machtverlustes eingesetzt hat. Das nährt den Zweifel an der Nachhaltigkeit: hat vielleicht der Wolf nur Kreide gefressen, um “die sieben Geißlein“ (also uns Wähler) zu täuschen und uns dann nach der Wahl wieder “besser fressen zu können“? Dazu kann sich jeder selbst eine Meinung bilden.

Unentschlossenen aber zeigt Dr. Hoffmann im Grunde selbst den Weg: aus Angst vor Verlust seiner „schweigenden Mehrheit“ ändert er fürs Erste (und natürlich nur zum Teil) sein politisches Verhalten. Wenn er diese Mehrheit nun tatsächlich verliert, wird ihm nichts anderes übrig bleiben als eine ähnliche Politik weiterzuführen. Wer also den Hoffmann der letzten Monate besser findet als den „alten“ (warum auch immer), wird dafür sorgen, dass die Ja-Sager von CDU und FDP tatsächlich ihre Mehrheit verlieren und dass Dr. Hoffmann gar nicht mehr in alte Verhaltensweisen zurückfallen kann.

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