Heute findet die Volkswagen-Hauptversammlung statt, allerdings nicht in Präsenz, sondern im virtuellen Raum. Diesen Anlass nutzten viele Verkehrswende-Aktivist:innen, um in Wolfsburg, dem Hauptsitz von VW, ihre Anliegen einmal mehr deutlich zu machen und in die Öffentlichkeit zu bringen.
50 Kreuze für 50 Jahre Golf
Bereits in der Nacht, in einer Nacht, Regen und Nebelaktion, wurden von Aktivist:innen 50 Kreuze um die XXL-Golf-Skulptur an der Braunschweiger Straße aufgestellt. Außerdem befestigten sie ein Transparent am Golf mit der Aufschrift „Autofahren kann tödlich sein“. Das Transparent ähnelt den Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln und verweist auf die Website autos-zerstoeren.de
Dort werden Zahlen, Daten und Fakten zur Gefährlichkeit des Systems Auto aufgezeigt. Unter anderem heißt es dort: „Das Auto ist das tödlichste Verkehrsmittel. 8-9 Menschen sterben jeden Tag in Deutschland. Weit über 800 Menschen werden schwer verletzt.“ Die Aktivistin Leonie ergänzt dazu passend in einem Pressestatement: „Weltweit sind es 3.700 Tote. Jeden Tag! Aber im Autoland Deutschland wird der alltägliche Wahnsinn nicht hinterfragt. 50 Jahre Golf und die heutige VW Hauptversammlung sind ein guter Anlass, darüber nachzudenken und das System Auto grundsätzlich in Frage zu stellen.“
Laut den Aktivist*innen sind viele Menschen gezwungen Auto zu fahren, obwohl sie das gar nicht möchten. Da aber das gesamte Mobilitätssystem auf das Auto ausgerichtet sei, fehlen die Alternativen. Das müsse geändert werden.
So finden sich auf der Webseite denn auch einige der fehlenden Alternativen, die von VW anstelle der jetzt produzierten Autos gefertigt werden könnten: Busse, Straßenbahnen oder auch Züge.
Pünktlich zum Start der virtuellen Hauptversammlung haben Aktivist:innen das Dach von Tor Sandkamp, einer Einfahrt zum VW-Werksgelände besetzt. Sie fordern “VW in Arbeiter:innenhand”, um eine entsprechende Umstellung der Produktion auf neue Produkte wie Busse und Bahnen durchsetzen zu können.
Überall in der Stadt gibt es noch weitere Aktionen, unter anderem eine Abseilaktion von der Autostadtbrücke mit einem Banner und der Aufschrift: “Achtung Umbauarbeiten: Transformation = Konversion + Vergesellschaftung. Autostadt zur VerkehrsWendestadt”.
Aktivist:innen von Robin Wood fordern: Rettet den Bosco d‘Arneo! Der Bosco ist ein 200 Hektar großer alter Steineichenwald in Apulien, der als Natura 2000 Fläche unter strengem Schutz steht. Porsche möchte, um die dortige Teststrecke für Luxusautos zu erweitern, diesen Wald fällen lassen. „Das kann nicht sein!“, so die Gruppe Robin Wood.
Bereits gestern, am Vortag der VW-Hauptversammlung stehen Thorsten Donnermeier und Lotte Herzberg gemeinsam vor dem Gewerkschaftshaus der IG Metall in Wolfsburg. Zwischen ihnen ist ein Transparent gespannt mit der Aufschrift “Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum.
Hiermit möchten Sie an die aktuelle Satzung der IG Metall erinnern, aus der diese Aussage entnommen ist. Und sie möchten damit auch zum Ausdruck bringen, dass die Vergesellschaftung von VW nicht im Widerspruch zur Satzung der Gewerkschaft steht. Eher im Gegenteil: Beide sagen ganz klar: „Für die Konversion braucht es die Vergesellschaftung.“
Thorsten Donnermeier, 40 Jahre IG Metall-Mitglied und VW-Arbeiter aus Kassel-Baunatal, Vertrauensmann, sagt dazu in einem Statement passend:
“Ich möchte die Gelegenheit nutzen mit Blick auf die Hauptversammlung, um an unsere gemeinsamen Ziele zu erinnern. Wir haben gemeinsame Ziele. Ich zitiere die IGM Satzung §2 Abs. 4: “Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum.”. Unsere starke Satzung wurde geschrieben mit der Erfahrung nach dem Krieg. Durch Eigentum dürfen Menschen nicht zu Grunde gerichtet werden. Deshalb finden sich Themen wie Vergesellschaftung auch im Grundgesetz (§14 und 15) wieder. Auch das Feiern wir mit dem 75 jährigen Bestehens des Grundgesetzes.“
Eine Ergänzung dazu:
Die Forderung, dass VW zukünftig Busse bauen soll, ist schon überholt, da eine Umrüstung bestehender Dieselbusse auf Elektromobilität nicht nur möglich ist, sondern pro Bus sogar rund 300 Tausend Euro spart und auch Ressourcen schont. Dazu gibt es auch aktuell eine Petition auf der Mitreden-Plattform:
https://mitreden.braunschweig.de/node/12368
VW wäre also schlecht beraten, in das Neubaugeschäft von Bussen einzusteigen. Gleiches gilt vielleicht auch langfristig für Straßenbahnen und Züge, sofern bei denen eine Umrüstung möglich ist.
Unabhängig davon: Die Mobilität ist im starken Wandel, und fast täglich gibt es neue Erfindungen & Trends, drei aktuelle Beispiele:
* „Hopper Mobility“ baut E-Bikes mit dem Komfort von kleinen Autos:
https://hopper-mobility.com/
* „Twike“ baut eine hippe Mischung aus Auto und E-Bike mittlerweile in Serie:
https://twike.com/
* „To Zero“ rüstet bestehende Busse auf Elektromobilität um:
https://to-zero.de/
VW wäre gut beraten, solche Trends nicht zu ignorieren und möglichst schnell in die vielfältige Start-Up-Szene der Zukunftsmobilität zu investieren. Denn den „einen“ Volkswagen für alle wie in den 50ern wird es zukünftig wohl nicht mehr geben …
Vor einigen Jahren hatte ich ein Bewerbungsgespraech.
Man fragte mich nach einem ‚Wunschjob‘ und ich beschrieb so ein Verkehrskonzept.
Der Personaler lachte und meinte, bevor an sowas gedacht wuerde, braeuchte es eine zweite Diesel-Krise.
Der real existierende Privat-Buerokratismus … 🙂