Von Edgar Vögel
It’s the economy, stupid (Bill Clinton,1992)
Veolia ist der weltgrößte Wasserkonzern. Märchenhaft sind dabei, wie sich zeigt, nicht nur die sprudelnden Konzerngewinne, sondern auch die Aktivitäten, die Kunden hinters Licht zu führen. BS-Energy-Chef Jens-Uwe Freitag erklärt uns in der BZ (01.07.24) und Online auf YouTube, warum alles genau so sein muss, wie sein Konzern (bzw. die Veolia-Zentrale in Paris) es sich denkt. Dabei macht BS-Energy das Wasser gar nicht, es sammelt es noch nicht einmal (außer in Bienrode). Zuerst fällt es als Regen kostenlos vom Himmel. Dieses Wasser wird dann von Wasserhändlern zu BS-Netz geleitet und uns dann von BS Energy verkauft. Gerade so, als würde der Konzern ein Stück des Himmels kaufen und uns für jeden Blick nach oben bezahlen lassen.
Wasser sucht sich seinen Weg
Niemand entkommt BS-Energy in Braunschweig. Einzige Ausnahme: in den Ortsteilen in Braunschweigs Osten bzw. Südosten zu wohnen – dort hat der Wasserverband Weddel-Lehre den Hut auf. Davon abgesehen ist jedoch die Tochter des Veoliakonzerns Alleinherrscherin. Egal ob Miet-, Eigentumswohnung oder Einfamilienhaus, es besteht Anschlusszwang. Und BS-E hat das Monopol. Und das hat es in sich:
– Wurden wir als Kunden gefragt, ob wir das härtere Börßumer Grundwasser im Mix statt des weicheren Harzwassers pur wollen? Nein.
– Wurden wir gefragt, ob wir Trübungen, geschmackliche Beeinträchtigungen, mehr Kalkablagerungen und höheren Waschmittel- und Stromverbrauch und damit höhere Kosten haben wollen? Nein.
– Wurden wir zu Überlegungen des Konzerns befragt, seine Anteile an den Harzwasserwerken zu verkaufen? Nein.
– Waren wir damit einverstanden, über die tatsächliche stoffliche Zusammensetzung des Wassermixes bis heute im Unklaren gelassen zu werden, bis hin zu einer möglicherweise höheren Schwermetallbelastung? Nein.
– Wurden wir einbezogen, bevor im Juni 2023 die Wasserpreise um ca. 10% erhöht wurden? Nein.
– Wurde unsere Zustimmung zu einer weiteren Preiserhöhung, jetzt zum 1. Juli 2024, eingeholt? Nein.
Sechsmal Nein. Denn was wir wollen, interessiert den Konzern kein Stück. Wir müssen die Rechnung so oder so bezahlen, alternativlos. Der Kommentar des Chefs, der dazu „tief durchatmet“, muss reichen: „Ja, ich glaube, wir haben unterschätzt, dass das weiche Wasser so einen hohen emotionalen Wert für Braunschweig hat und hier als Aushängeschild wahrgenommen wird.“ Diese Befindlichkeit hätte der Versorger bei der Kommunikation stärker berücksichtigen müssen: “Das hätte besser laufen müssen.“
Die Braunschweiger Bevölkerung hat eben Emotionen. Ist so. BS-Energy hat keine, sondern höchstens das Problem: Wie können wir noch besser kommunizieren – wie die 20% höheren Preise innerhalb eines Jahres für billiger eingekauftes Wasser irgendwie glaub- und schmackhaft machen? Gar nicht so einfach bei dem jüngst häufig zurecht beklagten Beigeschmack, aber für einen Konzern natürlich alternativlos. Und damit wären wir in der Welt der Wassermärchen des BS-EnergyChefs Jens-Uwe Freitag angekommen.
Trübe Preise für trübes Wasser?
Aber liebe Menschen in Braunschweig, wenn es um das Geschäft geht, sind Emotionen zwar erlaubt, aber irgendwie doch völlig fehl am Platz, nicht wahr? Kommen wir also zum Kern, zum Geschäftlichen. Zum 01.07. erhöhte BS-E die Wasserpreise um ca. 10%, was z.B. für ein Einfamilienhaus ungefähr 43 €/Jahr Mehrkosten bedeutet. Für die erhöhten Preise werden drei Gründe genannt:
– Gestiegene Wasserbezugskosten Tatsächlich hat sich für BS-E der Einkaufspreis für einen Teil des Wassers (des neuen Anteils) sogar verbilligt, was eingestanden wird, ohne genaueren Angaben zu machen. Für den Anteil des Börßumer Wassers gilt also zumindest das Gegenteil. „Ohne die Umstellung des Wasserbezugs seit Februar 2024 hätte die Preisanpassung höher ausfallen müssen“ (ZitatKonzern-PE). Eine nachvollziehbare Begründung zur Erläuterung angeblich höherer Bezugskosten bleibt der Konzern natürlich schuldig, muss er ja auch nicht.
– Die Erhöhung der Wasserentnahmegebühr durch das Land Nieersachsen Ernsthaft? Nach Berechnungen der Staatskanzlei bedeute dies ein jährliche Erhöhung um 1 € pro Haushalt.
– Gestiegene Betriebskosten infolge der 2023 für den öffentlichen Dienst vereinbarten Tarifabschlüsse. Auch hier gibt es nur die pauschale Aussage. Also rechnen wir mal nach. Da der Lohnkostenanteil allenfalls 10% zum Gesamtpreis des Wassers beiträgt, wäre selbst bei einer 10%igen Tariferhöhung nur eine Preissteigerung im niedrigen einstelligen Eurobereich gerechtfertigt – nicht aber 43 €. Ein Wassermärchen halt.
„Nein, es gibt keine wirtschaftlichen Gründe für eine Umstellung“*
Der Betriebszweck von BS-E ist nicht Hingabe an die Daseinsfürsorge und das Wohl der Bürger, sondern die Erwirtschaftung von Gewinnen, und davon so viel wie möglich. Wie wenig sich beides deckt, ist allen Beteuerungen von BS-E zum Trotz aktuell sehr gut zu erkennen. Das schließt ein, angesichts der sich verschärfenden Klimakrise Vorsorge zu treffen, dass die Gewinne für BS-E auch künftig weiter sprudeln. Bis in den hohen Norden, bis Bremen, wohnen Abnehmende des Harzer Talsperren-Wassers und konkurrieren um eine womöglich knapper werdende Ressource. Da trifft es sich gut, dass der ursprüngliche Betreibe und Hauptabnehmer des Börßumer Grundwassers, Salzgitter Flachstahl, sich sukzessive zurückzieht. Angesichts der Umstellung der Produktionsprozesse bei der Roheisen- und Stahlerzeugung wird weniger Wasser benötigt. „Und nach einiger Recherche unsererseits hat sich die Möglichkeit ergeben, die benötigten Mengen aus Börßum zu beziehen“.* Wow, das war echt nicht einfach zu finden, aber es hat sich gelohnt, die beim Anbieter entstandenen Lücken konkurrenzlos, günstig und langfristig schließen zu können. Avacon hat sogar noch die notwendigen Leitungen auf eigene Kosten verlegt. Nein, keine wirtschaftlichen Gründe, nirgends, sondern pure Daseinsvorsorge! Übrigens stieg im letzten Jahr der Gewinn von Veolia pro Aktie um 24% (s.u.). Wassermärchen eben.
* Alle Zitate von BS-Energy-Chef Jens-Uwe Freitag, BZ, 2024-07-01
Die „Gewöhnung des Gesamtsystems“: muffiger Geruch und Geschmack, Verfärbungen – vom Wasserdesaster zum Kommunikationsdesaster
Von seltenen Einzelfällen, Problemen der Wasseranschlüsse auf Kundenseite, kurzfristigen und schnell verschwindenden Anpassungserscheinungen, wie sie in einer Anfangsphase eben vorkommen, war zunächst die Rede. Über eine dafür verantwortliche kurzzeitige Zumischung aus einem Wasserwerk in Halchter ging es weiter. Jetzt sind wir beim aktuellen Ein-geständnis im Interview angekommen, dass es fortwährende Probleme gibt (das „Thema Geruch“ habe sich leider als ein „längerfristiger Prozess“ herausgestellt) *: ein Desaster: Ende nicht in Sicht. Wie auch. Nach wie vor hat BS-E keine Ahnung, was da genau und warum passiert. Da ist von „bestimmten biochemischen Prozessen“ * die Rede, von Reaktionen von „mikrobiologischen Inhaltsstoffen, die bei der Desinfektion entstanden sein könnten“. *
Was man halt so sagt, wenn man nichts Genaues weiß. Doch eines schon und das gilt per se: „es sei nicht schädlich oder gefährlich“ * – ganz schön gewagt, wenn man gar nicht genau weiß, was es ist. Aber gemach, alles wird gut: „das Thema schleicht sich mit der Zeit aus“ * und: Das Gesamtsystem müsse sich „erst noch an den neuen Wassermix gewöhnen“*, so die Wasseranalyse des Konzernchefs und sein Knowhow zur Möglichkeit von Gewöhnungsprozessen technischer Systeme. So endet dann vorläufig sein modernes Märchens – vielleicht. Nein, noch nicht ganz.
Wassermärchen, zweiter Teil folgt hier (u.a.: Es geht auch anders!)
was für ein Geschwurbel, sorry, aber das ist kein journalistischer Beitrag