Von Edgar Vögel
Ähm, welches Wasser eigentlich – wissen wir auch nicht so ganz genau?
Alle Versuche, konkrete Angaben über die tatsächliche Zusammensetzung des aktuell gelieferten Wassers zu bekommen, ob im Rat, über Presseanfragen oder von einzelnen Konsumenten, ließ BS-E bislang immer wieder ins Leere laufen. Mal hieß es hinhaltend, das Mischungsverhältnis müsse sich erst einspielen, mal gab es rudimentäre Tabellenausschnitte ohne Datum und Ort, mal wurde auf Dritte verwiesen, mal gab es nur eineEingangsbestätigung oder die nur auf Nachfrage, mal wurde abgewehrt, die Anteile des Börßumer Grundwassers schwankten um ein Drittel im Durchschnitt mit Abweichungen von plus/minus 10%, mal wurde angekündigt, man werde künftig regelmäßig, … usw. Wenn es schon mal Zahlen gab (von BS-E für den eigenen Bienroder Brunnen bis heute eher nicht, obwohl da eigentlich nichts neu ist), wichen deren Werte im Einzelfall deutlich von den privat in Auftrag gegebenen Analysen spezialisierter Institute ab. Ja, „BS-E nimmt Hinweise undBeschwerden sehr ernst“ * Hallo, aber sowas von! Und Transparenz und so – immer vorneweg!
Hartes Wasser – harte Entscheidungen
„Freitag führte aus, er kenne keine andere Stadt vergleichbarer Größe, die ihre Wasser aus nur aus einer Quelle bezieht, wie bisher Braunschweig.“ * Kennen wir eine Stadt vergleichbarer Größe, in der die Einwohner so auf Gedeih und Verderb, bar jeglichen Einflusses, der Hinterzimmerlogik von Konzernvorständen ausgeliefert sind? „Wir wollten zwei gesicherte Reservoirs haben, um in die Zukunft zu gehen.“ (so der Konzernchef im Interview). Können wir irgendwie emotional fast nachvollziehen. Auch wir hätten gern eine Wahl und wollen nicht zwangsweise nur aus einer Quelle trinken müssen – zudem noch zu so unkontrollierten Bedingungen wie aktuell (s.o.). Sieht aber so aus, dass das nur ohne Herrn J.-U. Freitag und seinen Konzern geht, oder nur gegen ihn. In der „Gesamtschau“ verteidigte er die Entscheidung als „richtig und wichtig für Braunschweig, auch wenn es das geliebte weiche Wasser etwas härter macht“. Was mindestens in puncto Wasser „richtig und wichtig für Braunschweig“ ist, wird also in der Zentrale von BS-E entschieden? Die Herrschaften haben schließlich die (Aktien-) Mehrheit auf ihrer Seite. Ist das noch unsere Stadt oder schon „BS-Energy-City“?
Aber der Einfluss der Politik – warum sagen die denn nicht ….?
Ja, warum? Warum hat eine CDU-Mehrheit unter OB Hoffmann den Verkauf von 74,9% der Stadtwerke an einen Konzern durchgedrückt? Warum hat eine SPD-Grüne-Mehrheit, als eine Beteiligung von 24,8 % zum Verkauf stand, diesen Anteil nicht wieder zurückgekauft, und damit städtischen Einfluss zurückgewonnen? Zwar ist OB Dr. Kornblum Aufsichtsratsvorsitzender, aber in wirtschaftliche Entscheidungen der Konzernspitze kann oder will er bzw. die Ratsmehrheit nicht eingreifen. Es bleibt also dabei: Was „richtig und wichtig für Braunschweig“ ist, wird in der Zentrale von BS-E in der Taubenstraße, bzw. letztlich vom Mutterkonzern Veolia in Paris entschieden – und nicht im Braunschweiger Rathaus. Und damit sind hartes, trübes und riechendes Leitungswasser nur ein Teil eines größeren Problems – und zur Abwechslung sogar sinnlich greifbar und erfahrbar.
Ja, es geht auch anders
Der Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU wusste schon 2015, das Wasser keine Handelsware, sondern ein „öffentliches Gut“ ist (siehe unten). Nur in Braunschweig weiß das die übergroße Mehrheit der Parteien bis heute nicht. Wieso eigentlich? Keine Handelsware – und wenn doch? Dann haben wir eben die ganze Palette von Änderungen gegen unseren Willen – von muffig bis hart, von diktiert bis teuer. Wann geht den politisch Verantwortlichen endlich ein bürgerfreundliches Licht auf? Denn natürlich ginge es auch anders: sogar so weit, das Kind wieder aus dem Brunnen zu holen. Das haben große europäische Städte wie Berlin, Budapest, Paris oder Nizza gemeinsam: sie haben sich die Verfügung über das Wasser zurückgeholt, die Wasserversorgung rekommunalisiert.
Siehe Berlin: 1999 verkaufte der Berliner Senat (CDU/SPD) 49,9 Prozent der Wasserwerke an ein Konsortium der Konzerne Veolia und RWE. Das wirtschaftliche Handeln wurde auf die beiden übertragen und ihnen in Geheimverträgen üppige Gewinne garantiert (Gewinn 2010 für alle: 270 Mio. Euro). Der Verkauf hatte zur Folge, dass die Wasserpreise in Berlin die höchsten in Deutschland wurden. Dagegen richtete sich 2010 ein erfolgreiches Volksbegehren von Bürgerinitiativen: „Wir Berliner wollen unser Wasser zurück“. Erst durch dieses erfolgreiche Volksbegehren ein Jahr später konnte der Senat dann dazu gezwungen werden. Berlin musste die Veolia- und RWE-Anteile zurückkaufen, dabei aber den Konzernen die seinerzeit im Geheimen vertraglich zugesicherten und nun „entgangenen“ Gewinne dennoch bis 2028 bezahlen! Seit dem Rückkauf 2013 müssen diese dafür noch nicht einmal einen Finger krumm machen. Marktwirtschaft eben; Wasser als Handelsgut, sauber und rein. Und auch hier mittendrin: die Profitwasserkünstler des weltweit größten Wasserkonzerns Veolia. Sie konnten, wie gesagt, sich dabei auf den Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU berufen:
Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU: Wasser ist ein öffentliches Gut, keine Handelsware
1.1 In ihrer Antwort auf die erste alle Anforderungen erfüllende europäische Bürgerinitiative (EBI) „Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht! Wasser ist ein öffentliches Gut, keine Handelsware“ („Right2Water“) bekräftigt die Europäische Kommission die Bedeutung des Menschenrechts auf Wasser und sanitäre Grundversorgung sowie die Bedeutung von Wasser als öffentliches Gut von grundlegendem Wert und betont, dass „Wasser keine (…) Handelsware ist“. Aus: Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission über die Europäische Bürgerinitiative „Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht! Wasser ist ein öffentliches Gut, keine Handelsware“, 15.1.2015 Quelle: https://www.wasser-in-buergerhand.de/recht/EUPSoz_Auschuss_Right2Water_Okt_14%20.pdf.
„Water makes money“ oder „das blaue Gold“
In einem Börsenbericht lässt sich Folgendes über Veolia Environment lesen:
VEOLIA Environment: Technologien gegen die Wasserknappheit Der französische Konzern Veolia Environment ist auf die Bereiche Wasser und Abwasser, Abfallentsorgung, Recycling und Energie fokussiert. In der Spartentochter Veolia Water sind die Bereiche Wasserversorgung, Wasser- und Abwasseraufbereitung sowie industrielle Prozesswasseraufbereitung und Herstellung von Wasseraufbereitungsanlagen gebündelt. Veolia Water steuert etwas weniger als die Hälfte zum Konzernumsatz bei.
…Deutliche Gewinnzuwächse erwartet Im vergangenen Jahr 2023 steigerte das Unternehmen den Umsatz um +6 % auf 45,4 Mrd. EUR. Das Ergebnis je Aktie stieg gleichzeitig um +24 % auf 1,29 EUR je Aktie. Auch im Jahr 2024 soll es Zuwächse geben. Der Analystenkonsens liegt für den Umsatz bei 46,6 Mrd. EUR (+3 %), während das Ergebnis je Aktie überproportional um +65 % auf 2,13 EUR zulegen soll. Für 2025 sehen die Schätzungen einen Umsatz von 48,2 Mrd. EUR (+3,5 %) sowie ein Ergebnis von 2,37 EUR (+11 %) je Aktie vor. https://www.lynxbroker.de/boerse/boerse-kurse/aktien/die-besten-aktien/die-besten-wasser-aktien/
Versuchen wir einmal, etwas vom Börsen- und Vorstands-Neusprech in verständliche Sprache zu übersetzen:
- – „Einzigartigen Marktposition“: Wer das Monopol hat, kann die Preise diktieren.
– „Strikte Kostenkontrolle“: Für die Wartung und den Erhalt der Anlagen wird nur das Nötigste getan; Personal wird, wo immer möglich, abgebaut bzw. durch Technik ersetzt.
– „ein Zeichen dafür, dass Wasserknappheit und -qualität zu einer der Hauptfolgen des Klimawandels für Städte und Industrie geworden sind“: will heißen, Veolia verdient kräftig am Klimawandel. Je weniger und unregelmäßiger die Niederschläge ausfallen, desto teurer kann das Wasser verkauft werden. Gut für den Konzern, schlecht für die 110 Millionen Menschen, die inzwischen von Veolia-Wasser abhängig sind. Deren Aussichten sind genauso düster wie die Klimaprognosen.
Veolia erzielt Rekordergebnis…
Ecoreporter berichten Folgendes über die Geschäftslage von Veolia:
Veolia erzielt Rekordergebnis und übertrifft eigene Erwartungen Der französische Wasser- und Entsorgungskonzern Veolia hat 2023 Umsatz und Gewinn weiter gesteigert und dabei besser als die eigenen Prognosen abgeschnitten. Das Unternehmen sieht weiter eine starke Nachfrage nach seinen Dienstleistungen.Der Umsatz stieg im letzten Geschäftsjahr um 5,7 Prozent auf rund 45 Milliarden Euro und markierte damit einen neuen Rekordwert. Veolia übertraf damit seine eigenen Ziele. Wie das Unternehmen erklärte, sei dies das Ergebnis „einer einzigartigen Marktposition und strikter Kostenkontrolle“.
Nettogewinn höher als erwartet „Die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen war noch nie so hoch wie heute, zum Beispiel mit einem vollen und schnell wachsenden Auftragsbuch für unseren Geschäftsbereich Water Technologies in Höhe von 5,3 Milliarden Euro – ein Zeichen dafür, dass Wasserknappheit und -qualität zu einer der Hauptfolgen des Klimawandels für Städte und Industrie geworden sind“, erklärte Veolia-CEO Estelle Brachlianoff. (https://www.ecoreporter.de/artikel/veolia-erzielt-rekordergebnisse-und übertrifft-eigene-erwartungen/)
„Water makes money“ist ein Dokumentarfilm von Leslie Franke und Herdolor Lorenz aus dem Jahr 2010. „Die Autoren und PPP-Gegner liefern Hinweise darauf, dass durch privat-öffentliche Partnerschaften in der Wasserwirtschaft die Verbraucherpreise steigen und die Qualität der Wasserversorgung sinkt.
Im Zentrum der Kritik stehen die französischen Wasserversorgungsunternehmen GDF Suez und Compagnie Générale des Eaux (heute Veolia Environnement). Anhand von Beispielen, vornehmlich aus Frankreich und zum Teil aus Deutschland, werden die wirtschaftlichen Folgen von Privatisierungen im Bereich der Wasserwirtschaft aufgezeigt. Wiederholt klagen die Filmemacher undurchsichtige Finanzierungsverträge zwischen Kommunen und privaten Versorgern an. Der Film kritisiert zudem steigende Wasserpreise bei geringerem Wartungsaufwand. Angebliche Erlöse der Kommunen bei der Vergabe (sogenanntes Eintrittsgeld) werden als Kredite der Kommunalpolitiker bei den Versorgern erwiesen (so im Original), deren Kosten von den Versorgern vereinbarungsgemäß auf die Wasserpreise aufgeschlagen werden.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Water_Makes_Money)
Damit das nicht so bleibt und immer so weiter geht, gilt erst recht auch für Braunschweig:
HOLEN WIR UNS UNSER WASSER ZURÜCK!
Wenn man den Artikel von Edgar Vögel liest, gehen einem noch ganz andere Gedanken im Kopf
herum: die schmutzigen Geschäftspraktiken von BS-Energy und das dazu passende Verhalten der
Braunschweiger Ratsmehrheit scheinen zwei Seiten derselben Medaille zu sein.
BS-Energy hat das teurere Harzwasser mit billigerem Börßumer Brunnenwasser gestreckt und damit
(und durch eine Preiserhöhung von 20 Prozent innerhalb eines Jahres) satte Extra-Gewinne
eingefahren. Im Schatten der öffentlichen Diskussionen über den einseitig geänderten Wassermix
blieb die Gewinnexplosion in der anderen Sparte von BS-Energy, nämlich im Energiebereich, eher im
Dunklen. Hier hatte es sich richtig gelohnt! Der Konzern steigerte den Gewinn 2023 im Vergleich zum
Vorjahr von 17,9 auf 79,7 Millionen Euro – auf das Vierfache! Das Rezept: Nach starken
Preissteigerungen im Vorjahr fielen die Energiepreise in der Folge wieder deutlich. BS-Energy ließ
seine Kund:innen aber weiterhin die hohen Preise bezahlen. Dem Konzern kam dabei auch zugute,
dass er sein schmutziges Kohlekraftwerk länger als ursprünglich geplant betreiben durfte.
Aus Sicht von BS-Energy leicht zu realisierende Profite auf Kosten und zu Lasten der Kundschaft. Aus
meiner Sicht: unsozial, schamlos und dreist!
Geheim waren diese Machenschaften nicht:
– Der Braunschweig-Spiegel berichtet darüber am 01.05.24: https://braunschweig-spiegel.de/satte-
gewinne-auf-kosten-der-kundinnen-von-bs-energy/
– „Die Fraktion“ protestierte in einer Presseerklärung (ebenda)
– In den öffentlichen Unterlagen zur Finanzausschusssitzung des Braunschweiger Rates am 02.05.24
waren die Zahlen enthalten (einschließlich zustimmender Beschlussanträge).
Die Kontrollfunktion der demokratisch gewählten Gremien versagte, weil der Finanzausschuss dem
Jahresabschluss zustimmte, was der nicht zwangsläufig hätte tun müssen. Die Ausschussmitglieder
entschieden mit 10 : 1 Stimmen (4 SPD, 3 CDU, 3 Grüne dafür; 1 „die Fraktion“ dagegen). Andere
waren nicht stimmberechtigt, die „BIBS“ war selbstverständlich auch dagegen. Eigentlich ist es
unglaublich: Die von den Bürgern gewählten Vertreter:innen stimmten im Finanzausschuss (unter
ihnen SPD Fraktionschef Bratmann und die Bürgermeisterin Fr. Ihbe) in ihrer übergroßen Mehrheit
gegen die Interessen ihrer Wählerschaft. Ihnen waren die Konzernprofite offenbar wichtiger als
bezahlbare Strom- und Gaspreise. Wussten sie, was sie tun? Schließlich taten sie es nicht zum ersten
Mal (siehe „Wassermärchen“). An diesem skandalösen Vorgang zeigt sich leider ein weiteres dunkles
Kapitel Braunschweiger Kommunalpolitik.
Ein Kompliment für den sehr gut recherchierten Artikel!
HOLEN WIR UNS UNSER WASSER ZURÜCK!
Wie könnte das bitte möglicherweise bewerkstelligt werden?
HOLEN WIR UNS UNSER WASSER ZURÜCK!
Frage: Wie könnte das bitte möglicherweise bewerkstelligt werden?
Ergebnis: Kein Handlungsvorschlag, also nichts als heiße Luft …
Zum Kommentar von Ralf Beyer vom 19. August:
„Das Wasser zurückholen“ geht sicher nicht so einfach wie ein Einkauf im Supermarkt! Edgar Vögel hat ja darauf hingewiesen, dass die rotgrüne Ratsmehrheit die Möglichkeit des Rückkaufs wenigstens von einem Viertel der BS Energy – Anteile verstreichen lassen hat. Bekanntlich übernahm Thüga das dann.
Das Ziel lässt sich nur langfristig erreichen, wenn eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dafür eintritt und so den Rat dazu bringt, die Sache anzugehen. Kleinere Fraktionen im Rat können ebenfalls den Boden bereiten, etwa durch ein gemeinsames Vorgehen in dieser Frage. Die größeren sind zur Zeit offenbar nicht dazu bereit.
Jeder von uns, auch Ralf Beyer, kann daran mitwirken, die genannte Mehrheit zu erreichen. Zum Beispiel, indem Freunde, Bekannte und Nachbarn informiert und für das Ziel gewonnen werden. Gründe das Ziel anzustreben liefert BS Energy jedenfalls genug. Das wird sich wohl
auch in Zukunft nicht ändern – leider!