Gabriele Krone-Schmalz füllte die Paulikirche

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Frau Gabriele Krone – Schmalz Foto: Corinna Senftleben

Veranstaltung „Russland – und wie weiter?“ stößt auf großes Interesse

„Eiszeit“, so heißt das Buch, mit dem Gabriele Krone – Schmalz vor fünf Jahren warnen wollte: „Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist“. Inzwischen ist seit dem Krieg in der Ukraine eine Ultra-Eiszeit ausgebrochen, auch in den meisten Medien, so dass es einen nur frösteln kann: Berichte, die statt sachlich-nüchterner Information und Analyse nur so strotzen vor emotionalisierter „Haltung“; an vielen Stellen die Vermengung von Darstellung und Meinung; Talkshows, in denen drei oder vier Teilnehmer über die eine Person mit abweichender Meinung herfallen (wenn eine solche überhaupt noch eingeladen wird), oft nach Kräften vom Moderator sekundiert; und nicht zuletzt die Diskriminierung von Personen, die eine andere als die vorherrschende Meinung vertreten, mögen sie nun Sarah Wagenknecht, Alice Schwarzer oder wie auch immer heißen. Und doch hat all das nicht verhindern können, dass die Mehrheit der Deutschen für diplomatische Bemühungen zur Beendigung des blutigen Krieges in der Ukraine eintritt.

Russland – und wie weiter? Foto: Corinna Senftleben

Mehr als vierhundert Besucher kamen in die Paulikirche, um den Vortrag von Frau Krone – Schmalz zu hören. Der Braunschweig-Spiegel, das Friedenszentrum und die Ärzte gegen den Atomkrieg hatten dazu eingeladen. Eine Stunde lang hörten sie einen interessanten, sehr informativen Vortrag; obwohl es ziemlich frisch war in der nicht geheizten Kirche, zeigte das Publikum ein großes Interesse und keinerlei Ermüdungserscheinungen. Krone – Schmalz hatte darauf hingewiesen, dass sie viele Dinge aus einer anderen Perspektive betrachte, die Vorgeschichte des Krieges nicht ausblende und mit vielen Informationen dazu beitragen wolle, dass die Zuhörer sich ein eigenes Urteil bilden können. Der lang anhaltende Beifall zum Ende ihres Vortrages zeigte, dass ihr das nach Meinung der großen Mehrheit wirklich gut gelungen war.

Diskussionsrunde von links: Christoph Krämer (IPPNW), Elke-Almut Dieter (Friedenszentrum), Gabriele Krone-Schmalz und Andreas Matthies (Förderverein Braunschweig-Spiegel) Foto: Corinna Senftleben

Sie bot nicht nur eine Analyse der bisherigen Entwicklung, sondern richtete auch vorsichtig den Blick in die Zukunft. Am Beispiel der Entspannungspolitik von Willy Brandt verdeutlichte sie, dass die Zeit der scharfen Konfrontation zwischen Ost und West abgebaut werden konnte, was mit vielen Vorteilen für die Menschen verbunden war und auch zur Vertrauensbildung zwischen den Politikern der verfeindeten Lager führte. Nach 40 Jahren Eiszeit war die Referentin ausgerechnet in der Zeit Korrespondentin der ARD in Moskau, in der das Eis zum Schmelzen gebracht wurde, nicht zuletzt durch die Politik Michail Gorbatschows. Das war von 1987 bis 1991. Sie hob hervor, dass die Entspannungspolitik auf den Weg gebracht wurde, nachdem und obwohl die Sowjetunion das demokratische Experiment in der Tschechoslowakei gerade im Vorjahr (1968) durch Militärintervention abgebrochen hatte. Nach der Verschärfung des Ost-West-Konfliktes durch Stationierung der Mittelstreckenraketen in Europa 1982 konnte sich niemand vorstellen, dass dieser Konflikt schon einige Jahre später friedlich zu Ende gebracht könnte. So wie sich heute kaum jemand vorstellen kann, dass die Länder des Westens und Russland den aktuellen Konflikt lösen und in produktive Bahnen bringen. Vertrauen aufbauen dauert lange, es zu zerstören geht sehr schnell.

Es ist nicht möglich, an dieser Stelle auch nur die wichtigsten Inhalte des Vortrages wiederzugeben. So einfach wie zentral war das Zitat Egon Bahrs, dass Politiker Vieles ändern können, nur nicht die Geographie; mit andern Worten: Russland ist unser Nachbar, auf Dauer müssen wir gemeinsam eine friedliche Hausordnung finden. Anregend auch der Hinweis auf das Beispiel des Saarlandes, in dem man der Bevölkerung (1920, nach dem Ersten Weltkrieg) nach einer Frist von 15 Jahren die Möglichkeit gegeben hatte, sich zu entscheiden, ob sie zu Deutschland oder zu Frankreich gehören wolle. Eventuell ein Beispiel für einen aktuell auszuhandelnden Friedensvertrag zwischen Russland und der Ukraine. Nicht zuletzt die Kritik an den Westeuropäern in der EU, dass sie sich zu sehr von den osteuropäischen Mitgliedern leiten lassen, die – aus verständlichen historischen Gründen – von antirussischen Motiven bestimmt seien; das wurde etwa deutlich, als vor etwa drei Jahren der Antrag von Deutschland und Frankreich abgebügelt wurde, dass die EU mit der russischen Führung Gespräche aufnehmen solle, ähnlich den damaligen Gesprächen zwischen Biden und Putin.

Die Paulikirche war ein würdiger Ort, um über den Frieden zu diskutieren. Das sahen anscheinend viele BürgerInnen genau so, denn die Kirche war voll besetzt. Foto: Corinna Senftleben

Christoph Heusgen, ehemaliger deutscher Spitzendiplomat und heutiger Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, hat vor einigen Tagen gefordert, der Westen solle nun im Ukrainekrieg „aufs Ganze gehen“. Die große Mehrheit der Besucher der Veranstaltung in der Paulikirche ging vermutlich in der Überzeugung gestärkt nach Hause, dass dies der falsche Weg wäre, weil er das Leid und die Zerstörung nur weiter vertiefen und verlängern würde; vernünftiger wäre es, dem Wunsch der Mehrheit der Bundesbürger zu folgen und energisch für eine diplomatische Lösung des Konfliktes einzutreten.

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