Unkonkrete Regionsgestaltung: Zwei regionale Oberbürgermeister im Gebietsrausch

0

Am Samstag, 6. September, schrieb die Braunschweiger Zeitung (BZ) raumgreifend von der sich allmählich anbahnenden Großregion Braunschweig/Wolfsburg. Doppelseitig bewarb sie die Regententräume unseres Oberbürgermeisters Dr. Gert Hoffmann, der sich in Wolfsburg bei seinem Amtskollegen Rolf Schnellecke Schützenhilfe holte.

Die Idee „Region Braunschweig“ sieht vor, drei Städte und fünf Landkreise zu einer Hannover-ähnlichen Region zusammenzufassen. Gegenwind gibt es angeblich ausschließlich aus Salzgitter sowie von Seiten der Landräte, die, wie die BZ richtig zitiert, an ihrer eigenenAbschaffung kein Interesse haben. Die Bürger seien lediglich skeptisch, heißt es, weil sie Fragen nach dem Autokennzeichen und den Behördenwegen haben. Als wenn das alles wäre!

Hören wir und also die Argumente für die Region an. Im Leitartikel fasst die BZ das Interview in zwei Sätzen zusammen: „Mit gebündelten Kräften kann die Region international punkten – das stärkt die Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze. Durch die Auflösung der Landkreise können Kosten gespart werden.“ Seltsam, wie hier zwei sich gegenseitig ausschließende Argumente so stumpf hintereinander gestellt werden. Denn wie, wenn nicht durch Personalreduzierung, werden denn heutzutage Kosten eingespart? Kein Entscheidungsträger, der sich bereichern will, wälzt Kosteneinsparungen auf sich selbst ab; das bekommen immer die Schwachen zu spüren.

Davon abgesehen schlüsseln Schnellecke und Hoffmann den Aspekt „international punkten“ an keiner Stelle auf. Nirgendwo steht, wer wie wo und womit überhaupt punkten will, wer es also im Moment nicht tut. Es muss ja irgendwo ein Defizit geben, doch das bleibt offen. Das muss sich der Leser selber denken: Könnte es sein, dass Schnellecke und Hoffmann Angst haben, ihre politische Macht loszulassen, wenn sie demnächst (Hoffmann leider erst in sechs Jahren) für ihre Ämter zu alt sind? Mit der Regionspräsidentschaft und den damit verbundenen Ämtern könnten die beiden auch über ihre Oberbürgermeisterzeit hinaus Machtpositionen besetzen. Von einem „internationalen Punkten“ spürt hier doch kein Bürger etwas.

Doch Schnellecke als millionenschwerer VW-Zulieferer nennt tatsächlich einen Punkt: ebenjenen Automobilkonzern, der in Wolfsburg, Braunschweig und dem unwilligen Salzgitter „die Klammer [ist], die die ganze Region zusammenhält“. Und genau darin liegt die Gefahr. Niemand kann doch heute so blauäugig sein und angesichts der laufenden VW-Krise (Puff, Porsche) seine Zukunft auf diesen selbstzerstörerischen Weltkonzern bauen. Was passiert denn bitte, wenn Volkswagen in lauter Kleinstbetriebe zerfällt, wie es mit Conti in Hannover geschehen ist? Dann liegt die ganze Großregion nämlich am Boden. Ein paar Machthaber, wirtschaftliche wie politische, werden dann zwar kichernd mit vollen Taschen verschwinden, doch den Bürgern in der Region droht dann eine extrem schwarze Zukunft.

Natürlich ist es richtig, wirtschaftliche Kräfte zu bündeln, zusammenzuarbeiten, gemeinsam in Gottes Namen „international zu punkten“ – aber doch nicht als politische Großregion. Dafür reicht es, wenn sich ein paar Firmen an einen Tisch setzen; eine Region Braunschweig braucht es nicht. Zudem ist auch die Aussage mit den Arbeitslosenzahlenreduzierungen in Wolfsburg Augenwischerei, denn nirgendwo wird erwähnt, wie das geschehen ist: mit Dumpinglöhnen, menschenverachtenden Arbeitsbedingungen und Versklavung unter Hartz-IV-Androhung. Davon haben die Bürger auch nichts, im Gegenteil, bisweilen erhalten Arbeitnehmer in der Region als Beschäftigte weniger Geld, als wenn sie arbeitslos wären. Was, bitteschön, nicht heißt, dass die Arbeitslosenleistungen zu hoch angesiedelt sind, aber das ist eine andere Diskussion.

Ach, und dann ist da ja noch der Abschnitt über das Konkurrenzdenken zwischen der Drittligastadt Braunschweig und der Erstligastadt Wolfsburg. Genau so sieht Hoffmann seine Stadt nämlich: als Drittligisten. Er überträgt seinen eigenen Minderwertigkeitskomplex auf die ganze Stadt. Das ist gar nicht nötig, doch das hat leider Braunschweig selbst auch noch nicht begriffen. „Wir sind weder neidisch auf erfolgreiche Nachbarn noch unfroh über deren Selbstbewusstsein […]“ – ach! Wir brauchen nur ebenfalls, wie Wolfsburg, ein Spaßbad, ein ECE-Center, ein Erstligastadion, … Jaja. Aber ein „Kulturzentrum Hallenbad“, das es als „FBZ“ bereits gab, braucht Braunschweig nicht, wie? Auch das: ein anderes Thema.

Fazit: Der Bürger erfährt nichts über die Vorteile der Region, die ihn selbst betreffen, und kann sich nur denken, dass es für einige Wenige um sehr viel Geld und Macht geht.

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.