Staatstheater will Grenzen zwischen den Sparten aufheben

0

Die Macher der kommenden Theatersaison: Claudia Lowin, Christoph Diem, Jörg Wesemüller, Stefan Mehrens, Dagmar Schlingmann, Srba Dinic, Isabel Ostermann, Gregor Zöllig, Martin Weller Foto: Staatstheater Braunschweig/ thomas m. jauk

Braunschweigs größte Kultureinrichtung, das Staatstheater Braunschweig, wartet in der Saison 2018/19 mit 36 Premieren und Projekten, darunter 10 Uraufführungen auf. Generalintendantin Dagmar Schlingmann stellte ihre zweite Amtszeit unter das Motto „Geschichte wird gemacht“ – und wagt den geschichtlichen Schritt zurück in die wilden Jahre, als erstmals die Grenzen zwischen den einzelnen Theatersparten aufgehoben wurden. „Unsere Philosophie ist es, zwischen den Sparten Verschränkungen entstehen zu lassen . Das Zukunftsmodell des Braunschweiger Staatstheaters ist ein Crossover, in dem Schauspiel und Musik oder Ballett und Gesang zusammenwirken können.“ Man wolle ausschöpfen, „was wir als großes Fünf-Sparten-Haus können“.

 

Das 160-seitige Spielplanheft gibt es ab sofort im Staatstheater Braunschweig. Repro: Marcus von Bucholz

Das „sehr gut angenommene“ neue Format Aquarium sowie das Junge Theater / der junge Tanz werden beibehalten. Der Burgplatz dagegen soll, wie die diesjährige Inszenierung „Carmen“ bereits andeutet, wieder der große Rahmen für die Open-Air-Oper werden. Erstmals soll es auch eine Sommerbespielung geben, in der kommenden Saison die 90-er Jahre Revue „Hyper Hyper“ in Zusammenarbeit mit der Jazzkantine.

 

Stellten das Programm der kommenden Saison im Louis-Spohr-Saal vor (v.l.): Isabel Ostermann, Stefan Mehrens, Christoph Diem, Claudia Lowin, Dagmar Schlingmann, Gregor Zöllig, Jörg Wesemüller, Martin Weller Foto: Marcus von Bucholz

 Musiktheater:

Das Musiktheater unter der Leitung von Operndirektorin Isabel Ostermann will Akzente setzen und Traditionen pflegen: Viele Werke sind für ihre Zeit ein Meilenstein für die Opern- und Rezeptionsgeschichte. Als Spielzeiteröffnung zeigt das Musiktheater mit Richard Wagners »Der fliegende Holländer« und Giacomo Puccinis »La bohème« Klassiker des Repertoires. Mit einer Zweitaufführung von Aribert Reimanns »L’Invisible« kommt einer der großen Komponisten unserer Zeit auf die Bühne. Basierend auf drei Kurzdramen nach Maurice Maeterlinck bearbeitet Reimann erneut erfolgreich Stoffe der Weltliteratur für die Opernbühne. Die Premiere der Produktion wird am 25.5.2019 das Festival für zeitgenössische Musik »Notes« 2019 eröffnen. Mit Franz Lehárs »Die lustige Witwe« wird die Operettentradition in Braunschweig fortgesetzt. Benjamin Brittens »The Turn of the Screw« und Christian Josts »Dichterliebe recomposed« vertiefen eine mit der Intendanz von Dagmar Schlingmann begonnene Konzentration auf intime und persönliche Kammeropern- und abende. Und schließlich setzen sich Mieczysław Weinbergs »Die Passagierin« und der Dreierabend »Machtspiele« mit Brecht/Weills Schuloper »Der Ja-Sager«, Kagels schauspielerisch besetztem »Tribun« und Kreneks »Der Diktator« konkret mit der Historie und der Verantwortung von Individuum und Gesellschaft auseinander.

Schauspiel:

Das Schauspiel unter der Leitung von Claudia Lowin (Dramaturgie) und Christoph Diem (Regie) möchte in der Geschichte nach imaginierten und durchgeführten, nach gelungenen und gescheiterten Entwürfen suchen. Mit Ionescos »Die Nashörner« und Brechts »Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui« wird das Aufstreben diktatorischer Mächte, deren Wege von der Gesellschaft geebnet werden, unter die Lupe genommen. Lessings »Nathan der Weise« hingegen stellt der Endlosschleife der Gewalt ein utopisches Gedankenspiel entgegen. Utopien und Zukunftsentwürfe spiegeln sich wider in Christian Krachts »Imperium«, Klaus Gehres Amerika Trilogie, Teil 2: »Zurück in die Zukunft: Dirty Dancing«, Gerhart Hauptmanns »Einsame Menschen« und in »Autoland«, einem Rechercheprojekt über die Mobilität der Zukunft in Sichtweite des größten Autobauers. Die Thementage »Heute ist die Zukunft von gestern« stellen in Theaterstücken, Lesungen und Performances mögliche Zukünfte vor und setzen technische Innovationen in Bezug zu ihren gesellschaftlichen Auswirkungen (26.-27.04.2019). Mit »Sgt. Pepper`s Lonely Hearts Come Back«, benannt nach einem der ersten Konzeptalben der Rock- und Popgeschichte, mit dem die Beatles einen Meilenstein schufen, schließt das Schauspiel seinen inhaltlichen Schwerpunkt zum Saisonende ab.

Die neu etablierte Spielstätte Aquarium im Kleinen Haus ist auch in der zweiten Spielzeit ein Laboratorium und Experimentier- und Frei-Raum. Hier kommen Heiner Müllers »Quartett«, Arthur Schnitzlers »Traumnovelle« und Christian Frankes »Ein Engel der Geschichte« zur Aufführung. Christian Franke, Nina Gühlstorff, Markus Heinzelmann, Jürgen Kruse, Rieke Süßkow inszenieren erstmals am Staatstheater Braunschweig, Babett Grube und Martin Nimz kehren erneut ans Haus zurück. Alice Buddeberg, Christoph Diem, Klaus Gehre und Dagmar Schlingmann prägen mit ihrer Regiehandschrift den erfolgreichen Kurs im Schauspiel weiter. Wieder aufgenommen werden die erfolgreichen Publikumsmagneten „And the Stars look very different today“ mit einem herausragenden Heiner Take und die bejubelte Produktion „Spiel mir das Lied vom Tod“.

Tanz:

 

Die Mitglieder des Tanztheaters werden verstärkt auch in anderen Sparten-Inszenierungen eingesetzt. Foto: Staatstheater Braunschweig / Bettina Stoess

Gregor Zöllig, Leiter des Tanztheaters und Chefchoreograf, startet mit »Struwwelpeter« zu Musik und Liedtexten aus »Shockheaded Peter« von Martyn Jacques und »The Tiger Lillies« (Premiere 27.10.2018) gemeinsam mit den Tänzerinnen und Tänzern in seine vierte Spielzeit. Mit Hans Zenders vertanzter »Winterreise« nach Schubert wirkt Zöllig erneut spartenübergreifend und bringt Tenor Matthias Stier, das Staatstorchester Braunschweig sowie das Tanztheater-Ensemble in dieser Uraufführung zusammen. Das mit dem renommierten deutschen Theaterpreis DER FAUST 2017 ausgezeichnete Choreografen-Duo Guy Nader und Maria Campos zeigt in einer Neueinstudierung für Braunschweig »Perpetuum« ab 02.02.2019 im Kleinen Haus. Die erfolgreichen partizipativen »tanzwärts!«-Projekte docken mit »ZappelPhilipp« und »Wanderer« inhaltlich an »Struwwelpeter« und »Winterreise« an. „Tanzwärts“ erreuchte im der laufenden Saison 6000 Besucher. Gregor Zöllig: „600 BraunschweigerInnen haben teilgenommen, 500 in Workshops mitgemacht.“

Staatsorchester/Sinfoniekonzerte:

Generalmusikdirektor Srba Dinić eröffnet die Konzertsaison des Staatsorchesters Braunschweig mit Werken von Igor Strawinsky und Peter I. Tschaikowsky am 23.09.2018 in der Stadthalle. Die von ihm initiierten Zyklen »Oper im Konzert« und »Tschaikowsky« werden somit fortgesetzt und um den Zyklus »Komponistinnen« mit Werken von Fanny

Hensel, Adriana Hölszky und Clara Schumann erweitert. Dem Vergessen entgegenwirken und Ereignisse, die einen Zeitenumbruch symbolisieren, widmet sich neu der »Zyklus Epochal X«. Große Komponisten wie Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy, Gustav Mahler und Dmitri Schostakowitsch runden das Konzert-Programm ab. Als Solisten sind Hyung-ki Joo, Sophie Pacini, Maurice Steger und Nemanja Radulović zu Gast. Alexander Joel, Gerd Schaller, Ivan Skender, Maurice Steger und Georg Menskes dirigieren weitere Sinfoniekonzerte. Und neben den Musiktheaterensemblemitgliedern Jelena Banković, Ekaterina Kudryavtseva und Matthias Stier feiern Joanna Liberadzka und Salomo Schweizer ihr Solisten-Debüt aus den Reihen des Staatsorchesters.

Orchesterdireltor Martin Weller: „Ab August gibt es zudem mittags im Großen Haus ein neues Format, die ‚Lunchkonzerte’. Ein Nicht-Bezahlformat mit 5 bis 10 Minuten Musik in der Mittagspause.“ Abende auswärts der Spielstätten sind ebenfalls geplant, natürlich auch die Klassik im Park. Zudem sollen neue Stimmen das Musiktheater bereichern.

Junges Theater:

Leiter Jörg Wesemüller startet am 15. September mit einer Eigenregie des Leipziger Nachwendestücks „Als wir träumten“ nach dem Roman von Clemens Meyer in die Saison. Bereits hier wird die „Verschränkung“ sichtbar: Co-Regisseur ist Gregor Zöllig, der dür die Tanz-Perfomance des Jugend-Schauspiels zeichnet. Hans Christian Andersens »Schneekönigin« als Familienstück zur Weihnachtsszeit wird erneut Klein und Groß ab 11. November im Großen Haus verzaubern. Im Rahmen des von der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Programms »Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland« stehen in »Inside the Orchestra« die Musikerinnen und Musiker des Staatsorchesters im Mittelpunkt. Audiowalks mit biografischem Hintergrund zu MusikerInnen und ihren Instrumenten führen das Publikum vom Orchestergraben im Großen Haus in die Husarenstraße. Und im partizipativen Projekt des Staatsorchesters Braunschweig mit dem Jugend-Sinfonie-Orchester und der Städtischen Musikschule »MixTape« treffen elektronische Beats auf klassischen Klang. Das Spektrum erstreckt sich von »Babykonzerten« für die Allerkleinsten, der Kinderoper »Die Reise der Eisprinzessin« hin zu den Tanzproduktionen »Funkelfuchs« und »Unstable« bis zu »Die Zertrennlichen« als mobile Produktion in Schulen und »BIENE« im Schauspiel. Wesemüller: „Interessant ist auch „Unstable“, eine Uraufführung von Anna Konjetzky. Ihre Tanzstücke bewegen sich an der Schnittstelle von Tanz, Installation und Performance.“ Buchung für Schulklassen unter Tel. 0531-1234556.

Bei einem Jahres-Gesamtbudget von rund 32 Millionen Euro (davon etwas über 10 Mio. von der Stadt Braunschweig) werden eta 4,5 Mio. Euro Zuschauereinnahmen erwartet.

Der Vorverkauf für das Burgplatz-Open-Air »Carmen« läuft bereits (Staatstheater Braunschweig, 38100 Braunschweig, Tel. 0531 1234 567). Einen PDF Download des Spielzeitheftes finden Sie unter www.staatstheater-braunschweig.de.

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.