Ostermarsch 2014: Fritz Bauer Platz war in Braunschweig eine der 4 Stationen des Ostermarsches

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Der Fritz Bauer Platz ist inzwischen Teil der Zivilgesellschaft in Braunschweig. Zentral gelegen und von hoher Symbolkraft war er – nach der Auftaktveranstaltung auf dem Kohlmarkt – die erste von 4 Stationen, die von den Teilnehmern des diesjährigen Ostermarsches angesteuert wurde. Etwa 50-60 Teilnehmer, die meist mit dem Fahrrad oder auch zu Fuß daran teilnahmen, hörten sich mit Interesse die kurze Rede an, in der Udo Dittmann vom Fritz Bauer Freundeskreis über Fritz Bauer und seinen Bezug zu Braunschweig informierte.

Braunschweig hat für Fritz Bauer in seiner dortigen 7-jährigen Tätigkeit eine große Bedeutung gehabt, die oft noch zu wenig gewürdigt wird. Hier entwickelte er viele seiner Ideen und Visionen (z.B. vom kommenden Strafrecht, vom Widerstandsrecht, von der Bedeutung der Menschenwürde), die später dann in Frankfurt zum Tragen kamen.

Die Idee, den Fritz Bauer Platz in den Ostermarsch einzubeziehen, kam von verschiedenen Personen, für die der Platz inzwischen eine wichtige Bedeutung in Braunschweig hat. Es ist wirklich überraschend, in welch kurzer Zeit dieser Platz (seit dem 11.9.2012) für zahlreiche Menschen präsent ist. Das kam dann auch in der Idee zum Ausdruck, nach dem Londoner Vorbild dort eine „speakers corner’ einzurichten. So weit ist es noch nicht – Braunschweig ist nicht London – aber die Idee zeigt, welchen Stellenwert der Platz inzwischen schon bei verschiedenen Menschen hat.

Anbei die „Roadmap“ des Ostermarsches und der kurze Redebeitrag am Fritz Bauer Platz. 

 

Ostermarsch 2014 – Rede am Fritz Bauer Platz in Braunschweig

Der Fritz Bauer Platz ist zwar ein kleiner, aber bedeutsamer Platz. Ihn gibt es erst seit etwa 1,5 Jahren – eingeweiht wurde er (ausgerechnet) am 11.Sept. 2012 durch Oberbürgermeister Hoffmann. Herr Biegel und Generalstaatsanwalt Norbert Wolf hielten dazu weitere Reden.

Der Impuls dazu aber war von unten gekommen – von Braunschweigern Bürgern. Und das wurde von der Stadt aufgegriffen – und in einem unglaublichen Tempo, innerhalb weniger Monate, umgesetzt. In diesem Fall schien es keine bürokratische Hindernisse und Schwierigkeiten zu geben. Im Februar 2012 wurde der Antrag von mir eingericht- schon im April wurde er im Bezirksrat Innenstadt positiv entschieden, und zwar mit den Stimmen aller dort vertretenden Parteien.

Es war einfach ein breiter Konsens da: Vom DGB, der Generalstaatsanwaltschaft, dem Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte von Herrn Biegel, der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und dem Fritz Bauer Freundeskreis (den seit Sommer 2011 gibt und der sich seitdem regelmäßig im DGB-Haus trifft). Unterstützt wurde es ganz wesentlich auch von der Braunschweiger Zeitung.

Warum gerade Fritz Bauer? Viele kennen ihn nicht einmal. Und doch wird er zur Zeit in einem rasanten Tempo wiederentdeckt, nachdem er nach seinem plötzlichen Tod 1968 fast völlig in Vergessenheit geraten war. Und er wird nicht nur in Braunschweig wiederentdeckt – sondern auch bundesweit. –

Gerade vor 10 Tagen wurde in Frankfurt eine große Fritz Bauer Ausstellung eröffnet, über die selbst in den großen Medien FAZ, FR, WELT usw, auch im Deutschlandfunk, z.T. sehr ausführlich berichtet wurde.

Und eine der ersten Amtshandlungen des neuen Bundesminister für Justiz, Heiko Maas, war es, einen neuen Fritz Bauer Studienpreis einzurichten. Einen eigentlichen Fritz Bauer Preis gibt es schon seit 1969, er wird von der Humanistischen Union, eine der ersten Bürgerrechtsorganisationen Westdeutschlands, verliehen.

 Das Eigenartige und Besondere daran ist, dass dieser Impuls zur Wiederentdeckung ganz wesentlich auch mit von Braunschweig ausging, nachdem 2009 die erste Biographie zu Bauer von Irmtrud Wojak und der erste Film zu Bauer von Ilona Ziok auf der Berlinale 2010 gezeigt wurde. Frau Wojak und Frau Ziok waren schon 2009 bzw. 2010 in Braunschweig. Im Sommer 2011 wurde dann der Fritz Bauer Freundeskreis in Braunschweig gegründet.

 Was ist nun das Besondere an Bauer?

 Fritz Bauer wurde 1903 in deiner deutsch-jüdischen Familie in Stuttgart geboren. Er studierte Jura und wurde 1927 Amtsrichter in Stuttgart. Als SPD-Mitglied und Jude kam er 1933 für acht Monate in ein KZ bei Stuttgart, er emigrierte 1936 nach Dänemark und 1943 weiter nach Schweden, wo er auch mit Willy Brandt zusammen arbeitete. Nach dem Krieg kam er 1949 zurück nach Deutschland – ausgerechnet nach Braunschweig. In Stuttgart wollte man ihn nicht, wahrscheinlich weil er Jude war.

 Hier in Braunschweig begann sein Wirken – von 1949 bis 1956 – zunächst als Direktor des Landgerichts, dann als Generalstaatsanwalt. Und dies Wirken sorgte bald national und international für Aufsehen.

 In einer fast einzigartigen Weise begann Fritz Bauer mit einer juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen, und das in einer Zeit der 50er und 60er Jahre, als die Verdrängung der Kriegsverbrechen begann und die Deutschen mit Wirtschaftswunder und entstehender Wohlstandsgesellschaft beschäftigt waren. Er war ein Sprecher der Ermordeten, der Opfer (Kempner). Er war unbequem und musste ständig gegen Widerstände ankämpfen, so dass er einmal sagte: „Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich Feindesland“. Dieser Satz von Bauer ist auch das Leitmotiv des Fritz Bauer Freundeskreises geworden und steht auf allen Flyern.

 Zum Wirken von Bauer

Hier in Braunschweig begründete er in einem Aufsehen erregenden Prozess, dem sog. Remer-Prozess von 1952, das Widerstandsrecht wieder neu. In diesem Prozess ging es um die Rehabilitierung der Männer des 20.Juli. Otto Ernst Remer, der damals in Berlin den Aufstand mit niedergeschlagen hatte, hatte 1951 u.a. in Braunschweig diese Männer als Vaterlandsverräter verhöhnt. Fritz Bauer führte diesen Prozess persönlich.

Im seinem berühmten Plädoyer ging er auf das Widerstandsrecht ein. Es hatte früher, auch schon im Mittelalter eine große Rolle gespielt, war später aber fast in Vergessenheit geraten. „Es gibt einfach eine Grenze, wo man nicht mehr mitmachen darf“ – das gilt auch, wenn der Staat selbst Verbrechen begeht. Und Bauer zitiert am Ende des Plädoyers Schiller aus dem „Tell“:

„Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht,

Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,

Wenn unerträglich wird die Last, greift er

Hinauf getrosten Mutes in den Himmel

Und holt herunter seine ew’gen Rechte,

Die droben hangen unveräußerlich

und unzerbrechlich wie die Sterne selbst.“

 Über diesen Prozess wurde national und international berichtet. Indirekt führte dies sogar zur Ergreifung Adolf Eichmanns, da ein jüdischer Emigrant in Argentinien über diesen Prozess und Fritz Bauer las. Er nahm dann Kontakt zu Fritz Bauer auf und teilte ihm den Aufenthaltsort von Adolf Eichmann mit. Bauer nahm dann später Kontakt zum israelischen Geheimdienst auf und umging die deutsche Justiz, der er misstraute. Er wollte nicht, dass Eichmann durch undichte Kanäle in der Justiz gewarnt würde.

 !956 ging dann Frankfurt. Dort war er von 1956 bis zu seinem plötzlichen Tod 1968 als Generalstaatsanwalt tätig. Dort initiierte er den Auschwitz-Prozess, ermittelte gegen Euthanasie-Täter und gegen die Juristen, die die Euthanasie-Morde rechtlich absicherten. Sein Ziel war dann ein 2.Großprozess – nach dem Auschwitz-Prozess – gegen die NS-Euthanasie-Täter und die Juristen, Dazu kam es dann aber nicht mehr, durch seinen plötzlichen Tod. Die umfangreichen Ermittlungen, die er begonnen hatte, wurden stillschweigend eingestellt. Viele waren froh, dass er nicht mehr da war.

 Bei der Trauerfeier würdigte Robert Kempner, stellvertretender Chefankläger in den Nürnberger Prozessen, Fritz Bauer als den größten lebenden Zeuge für ein besseres Deutschland, nachdem Konrad Adenauer gestorben war. „Er war der größte Botschafter, den die Bundesrepublik je hatte.“

 Zurück nach Braunschweig: Die Leitlinien seines Handelns hat er hier entwickeln. Einen Leitspruch hat er an die Außenmauer der Braunschweiger Generalstaatsanwaltschaft einmeißeln lassen. Dort steht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“.

 Dieser Satz, mit dem das Grundgesetz beginnt, war für ihn Verpflichtung und Motto. Jahre später wurde dieser Satz Leitlinie von amnesty international, das war 1961. Bauer hat diesen Satz schon 1955 hier anbringen lassen und dazu schon den Aufsatz „Im Kampf um des Menschen Rechte geschrieben“. Möge dieser Impuls, diese Vision, ganz im Sinne Bauers von diesem Ort hier ausgehen.

 Eine zweite Vision hat Bauer ebenfalls in Braunschweig entwickelt, die als Justitia an der Generalstaatsanwaltschaft hängt. Sie hat keine Augenbinde und trägt die Menschen in ihrer Hand. Es ist die Vision eines neuen Strafrechts, das nicht auf Vergeltung aus ist, sondern auch den Täter als Menschen sieht.

 Zuletzt noch eine Bemerkung zu Arno Gruen und dem Satz, der hier von ihm beim Ostermarsch hervorgehoben wurde: „Die Haltung gegenüber der Macht beweist uns, welche Art von Mensch wir sind“. Arno Gruen zitiert hier Fritz Bauer. Man weiß nicht, woher das Zitat kommt – Fritz Bauer und Arno Gruen kannten sich nicht, aber der Satz stimmt und ist ein wichtiges Motto – auch für den Frieden. Arno Gruen ist ein Psychologe und Psychoanalytiker, wurde 1923 in Berlin als Sohn jüdischer Eltern geboren; die Familie floh 1936 aus Deutschland. Arno Gruen lebte später in den USA, dann in der Schweiz. In vielem ist er Erich Fromm vergleichbar.

Wie Fritz Bauer hatte auch Arno Gruen ein Schlüsselerlebnis zur Verfolgung im Nationalsozialismus. Bauer hat dann nach dem Krieg insbesondere das Widerstandsrecht entwickelt, gerade auch hier in Braunschweig. Dazu möchte ich mit Bauers Worten aus dem Remer-Prozess schließen:

 „Es gibt kein Widerstandsrecht im Rechtsstaat, solange die Menschenrechte gewahrt werden, solange eine Möglichkeit zur Opposition besteht und einem Parlament Gelegenheit zur Gesetzgebung gegeben ist, solange unabhängige Gerichte walten und die Gewalten geteilt sind.

Das Widerstandsrecht erwacht aber wieder zu lebendiger Wirklichkeit, wenn eine dieser Voraussetzungen in Wegfall tritt.“ (Aus dem Plädoyer zum Remer-Prozess, 1952)

Gesprochen wurde dies von Bauer im Schwurgerichtssaal des Landgerichtes in der Münzstraße 17. Das Friedenszentrum schlägt vor, auch dort noch eine Hinweistafel anzubringen, um an das Sondergericht zu erinnern, das in der NS-Zeit dort tagte, auch versehen mit einem Hinweis an die Erinnerung von Fritz Bauer. Eine solche Hinweistafel wäre sicherlich ratsam wie auch eine kleine Tafel zur Justitia, damit alle Interessierten mit dieser Figur, mit diesem Kunstwerk etwas anfangen können.

 

                                                                                           

   Vor der Generalstaatsanwaltschaft                       Fritz Bauer Platz und D

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