Lässt sich die Braunschweiger Politik erpressen?

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Oder vertraut Schwarzgelb der alten Römerweisheit „Eine Hand wäscht die andere“?

Vor zwei Monaten machte der Braunschweiger Zeitungsverlag (BZV) sein Vorhaben öffentlich bekannt: er wolle sein immerhin 6 ha großes Grundstück an der Hamburger Straße verkaufen und gleichzeitig  31 Millionen Euro in eine neue Druckerei investieren.  Soweit ein ganz normaler Vorgang in der Marktwirtschaft. Ein Unternehmen verspricht sich wirtschaftliche Vorteile von einer Neuinvestition und handelt entsprechend. Schwierigkeiten sind umso weniger zu erwarten, als das Unternehmen zum WAZ-Konzern gehört, der mit fast 1,3 Milliarden Umsatz immerhin zu den Top Ten der deutschen Medienunternehmen gehört. Das ist also schlicht eine Sache des Unternehmens, da soll sich der Staat heraushalten.

Stadt Braunschweig soll sich gerade nicht heraushalten

Genau das Gegenteil vertritt nun aber der Verlag: der Staat in Gestalt der Stadt Braunschweig soll das Unternehmen kräftig unterstützen, lautet die Forderung. Und das soll so gehen: die Stadt soll den bestehenden Bebauungsplan ändern, und zwar so, dass der Käufer des Grundstückes an der Hamburger Straße die Erlaubnis erhält, dort einen Verbrauchermarkt mit 3900 Quadratmetern Verkaufsfläche anzusiedeln. Diese Erlaubnis muss Millionen wert sein, denn, so der Geschäftsführer Wahls in der Braunschweiger Zeitung vom 15. Juni 2011:

„Um diese Großinvestition am Standort Braunschweig zu stemmen, … , sei der Verkauf des Geländes erforderlich – inklusive der Zusage an den Käufer, dort einen Verbrauchermarkt ansiedeln zu dürfen.“

Noch etwas deutlicher wird er in der Formulierung, der Bau der Druckerei solle „möglichst in einem Braunschweiger Industrie- und Gewerbegebiet“ stattfinden. Im Klartext heißt das so viel wie: ´Wenn Ihr uns nicht die Erlaubnis gebt, können wir auch woanders investieren (zum Beispiel in Magdeburg) und Ihr habt das Nachsehen (Arbeitsplätze usw.)´. Sicher hat der BZV diese Art des Druckaufbaus nicht erfunden – das macht die Sache aber nicht besser.

Bedenken des Arbeitskreises Innenstadt : Verstoß gegen das städtische Zentrenkonzept

Der Vorsitzende des Arbeitskreises Innenstadt, von Carolath, weist darauf hin, dass die Stadt bei einer Zustimmung ihr eigenes Zentrenkonzept unterlaufen würde. Er betont, dass sich in der Innenstadt „hohe Leerstandsraten abzeichnen“ (selten so deutlich gehört) und formuliert, wenn auch vorsichtig: „Die Planung zusätzlicher Verkaufsflächen ist deshalb kritisch zu hinterfragen.“ (BZ, 22. Juni)  Immerhin ist inzwischen das Einkaufszentrum „Weißes Ross“ hinzugekommen und auch in der „Toblerone“ am Hauptbahnhof soll zusätzliche Verkaufsfläche entstehen. Und es befindet sich einige hundert Meter entfernt vom BZ-Grundstück seit Langem ein großer Einkaufsmarkt. Diejenigen, die das Zentrenkonzept beschlossen haben, müssten nun in Zwiespalt geraten.  Entweder sie halten an ihrem eigenen Konzept fest und machen sich beim Braunschweiger Zeitungsverlag unbeliebt oder sie pfeifen auf ihr Konzept und kommen lieber dem Willen des Verlages nach.

Wie unabhängig ist die schwarzgelbe Mehrheit ?

Bisher haben sowohl der Planungsausschuss als auch der Verwaltungsausschuss dem Plan zugestimmt, also scheint sich zumindest die schwarzgelbe Mehrheit entschieden zu haben.Notwendig ist allerdings ein Beschluss des Rates, und den wird es erst nach den Wahlen geben. Mag sein, dass CDU und FDP  vor der Kommunalwahl nicht Teile ihrer  Wählerschaft verprellen wollen. So betont Stadtsprecher Foitzik, die Beschlüsse der beiden Ausschüsse seien ja nur der Anfang des Planverfahrens, darüber werde ja noch öffentlich diskutiert, so dass „Bedenken und Anregungen berücksichtigt werden“ können (BZ, 22. Juni). Denkbar wäre aber auch eine andere Erklärung.

 „Eine Hand wäscht die andere“?

Immerhin ist der Braunschweiger Zeitungsverlag ja nun auf den Ratsbeschluss angewiesen. Das gibt zumindest der schwarzgelben Mehrheit einen gewissen Trumpf in die Hand. Man wird für den Beschluss gebraucht. Das ist besonders in Zeiten des Wahlkampfes eine interessante Situation. Dass die Braunschweiger Zeitung in dieser Situation ihr wirtschaftliches Eigeninteresse durch kritische Berichterstattung (oder auch nur durch ausgewogene, objektive Darstellung) gefährdet, erscheint – gelinde gesagt – unwahrscheinlich.

Und leider scheint sich das in der Berichterstattung  zu bestätigen. Letztes Beispiel: in der Ausgabe vom Donnerstag, 18. August, waren die Positionen  der Ratsparteien zu den Themen Privatisierung und Finanzlage der Stadt in einer Übersicht abgedruckt. Der Oberbürgermeister war offenbar unzufrieden damit und ließ seine Position am folgenden Tag in einer städtischen Pressemitteilung ausführlich zum Besten geben.  Was macht die BZ? Pflichtschuldigst gibt sie seiner Darstellung am Folgetag auf Seite 19 breiten Raum (verwendet die Zahlen im Kasten sogar ohne Quellenangabe). Als Alibi für eine ausgewogene Berichterstattung  gibt sie der kritischen Position der Grünen 13 Zeilen am Schluss. Die Gegenpositionen von Grünen,  BiBS, Linken und auch SPD haben also keine Chance, ausführlich und verständlich dargestellt zu werden.

Eigene kritische Recherche der Redaktion zum Thema? Fehlanzeige!


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