Kriegspropaganda – auch in Demokratien nicht unüblich

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Fotos: pixabay (1), wikipedia (2)

Von Reinhard Faudt

Die Ausübung von Macht geht immer auch einher mit Manipulation, insbesondere der öffentlichen Meinung.(Michael Lüders: Die scheinheilige Supermacht, S.13)

Über russische oder chinesische Propaganda erfahren wir in unseren Leitmedien fast täglich etwas. Kaum jemand würde hierzulande eine Äußerung führender russischer Politiker anders wahrnehmen als Propaganda. Zugleich aber wird in unseren Medien der Eindruck erweckt, als sei die westliche Berichterstattung  fern von jeder Einseitigkeit, ausgewogen, faktenbasiert und zugleich werteorientiert, wobei man an Menschenrechte, Freiheit, Demokratie denkt. Was hierzulande kaum diskutiert wird, ist die Tatsache, dass Strategien der Desinformation, Destabilisierung politischer Systeme, Informationsfilterung und Manipulation schon seit Jahrzehnten zum Werkzeugkoffer aller Staaten gehören, insbesondere der Großmächte wie Russland, China oder USA. Der Whistleblower Edward Snowden hat enthüllt, wie systematisch die USA über ihren Geheimdienst NSA alle Quellen des Internet und der privaten Netzwerke in Politik und Wirtschaft ausforschen, bekanntermaßen auch das Handy von Angela Merkel, um ihre globale Vorherrschaft abzusichern. Demselben Zweck dienen auch zahlreiche Propagandamethoden, wie sie in Kriegen des 20. und 21. Jahrhunderts erfolgreich verwendet wurden. Aber das Wort „Propaganda“ verwendet man nur beim bösen Gegner, nicht bei den eigenen Versuchen, das widerspenstige Volk vom richtigen Kurs zu „überzeugen“.

Das soll an einer Reihe von Beispielen gezeigt werden. Wir beginnen mit dem

Fall 1: Der Afghanistan– Krieg (2001-2021)

Kriege zu führen, stößt in Demokratien fast immer auf Widerstand der Bevölkerung. Daher war es schon immer wichtig, die hässliche und grausame Realität auszublenden und beschönigende oder neutraler klingende Begriffe dafür zu finden, wie zum Beispiel im Krieg der USA gegen Afghanistan (2001-2021). Ein Krieg gegen Terroristen ist leichter zu akzeptieren als ein Krieg gegen ein verarmtes Land. „Operation Enduring Freedom“ nannte man ihn (Operation andauernde Freiheit übersetzt), was vor allem in den Ohren der überlebenden Opfer, besonders der Frauen heute wie blanker Hohn klingt. (Warum denke ich jetzt an Putins Begriff der „Spezialoperation“ in der Ukraine?) Weil die Attentäter von 9/11 in Afghanistan ausgebildet seien, müsse man den Terrorismus zuerst dort eliminieren, dies sei lediglich der Anfang eines weltumspannenden „Krieges gegen den Terror“ (George W. Bush), so kurz zusammengefasst, lautete die Geschichte (das Narrativ), mit der dieser weltumspannende Krieg gerechtfertigt werden sollte. Heute wissen wir, dass sich dahinter eine geopolitische Agenda der USA verbarg, unliebsame Regime im Nahen Osten und Afghanistan zu beseitigen (Libyien, Irak, Syrien) und Zugang zu öl- und gasreichen Regionen zu erhalten.

Und so erklärten die transatlantisch orientierten Politiker und Journalisten, wie wir Medienkonsumenten das zu sehen haben: Dort verteidigten unsere Soldaten „auch am Hindukusch…unsere Sicherheit“ (Peter Struck, ehem. Verteidigungsminister), träten für unsere Werte ein und förderten die Demokratisierung. Eine Analyse der stammesgesellschaftlichen Verhältnisse dort, der wirtschaftlichen und politischen Realitäten in Afghanistan lag der Einsatzplanung nicht zugrunde. Soldaten als Entwicklungshelfer und Demokratieförderer? Die brutale Realität sah anders aus und widerlegt rückblickend das Propagandamärchen, an dem die Medien aber lange Zeit festhielten, mit den Mitteln des Verschweigens und der Beschönigung.

Der damalige militärpolitische Berater der Bundesregierung in Kabul, Oberstleutnant Jürgen Heiducoff, schrieb  2007 in einem Brief an Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier:

„Es gibt keine Entschuldigung für das durch unsere westlichen Militärs erzeugte Leid unter den unbeteiligten und unschuldigen Menschen… Es ist unerträglich, dass unsere Koalitionstruppen und ISAF inzwischen bewusst Teile der Zivilbevölkerung und damit erhoffte Keime der Zivilgesellschaft bekämpfen… Westliche Jagdbomber und Kampfhubschrauber verbreiten Angst und Schrecken unter den Menschen. Dies müssen die Paschtunen als Terror empfinden. Wir sind dabei, durch diese unverhältnismäßige militärische Gewalt das Vertrauen der Afghanen zu verlieren…

 (https://www.friedenskooperative.de/friedensforum/artikel/bewertung-des-nato-afghanistan-einsatzes)

Insgesamt tötete der Krieg mindestens 176.000 Menschen, konservativ geschätzt von wikipedia, verursachte über 2,6 Mio. Flüchtlinge und 4 Mio. Binnenvertriebene und zerstörte die wirtschaftlichen Grundlagen des Landes total. Die Bundesregierung schätzte die allein von ihr zu tragenden Gesamtkosten des Krieges für 10 Jahre auf ca. 17 Milliarden Euro. Das politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Desaster, das dieser „wertegeleitete Krieg“ angerichtet hat, lässt sich auch heute kaum abschätzen. Unsere „Sicherheit“ ist dadurch erheblich unsicherer geworden, der Hass und Extremismus gestärkt, unsere Glaubwürdigkeit im globalen Süden untergraben, unsere Flüchtlingskrise verstärkt worden. Die einzigen Gewinner des Krieges sind die Produzenten von Kriegswaffen und Ausrüstung.

An Stelle einer „Operation andauernder Freiheit“ haben die Afghanen unendliches Leid und Unfreiheit unter den wieder herrschenden Taliban erfahren. Was hätte man allein mit den von Deutschland ausgegebenen Milliarden für Afghanistans Entwicklung bewirken können – ohne Kriegswaffen? Denn die Armut des Landes war und ist eine Grundlage für die Herrschaft der Taliban!

Hier geht es zum zweiten Fall

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