Käthe Kollwitz in Kopenhagen

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"Nie wieder Krieg" - Plakat Käthe Kollwitz, 1924

Von Michael Schmidt, 2/25

Das Plakat ist unübersehbar. An die fünfzehn Quadratmeter groß hängt die schwarze Grafik auf weißem Grund zwischen den monumentalen Säulen der Eingangsfront vom Staatlichen Museum für Kunst in der dänischen Hauptstadt. Ein junger Mann hat den rechten Arm mit der Hand zum Schwur hochgereckt, das Gesicht von Zorn – und auch von Angst? – gezeichnet, der Mund geöffnet. Was er hinausruft, und was alle Welt hören soll, wird dem Betrachter in schwungvoller Schrift entgegengeschleudert: »Nie wieder Krieg!«

Das Plakat ist eines der berühmten Werke von Käthe Kollwitz und soll für die erste umfangreiche Einzelausstellung in Dänemark werben, die der deutschen Künstlerin gewidmet ist. Zugleich will das Museum damit ein deutliches Statement abgeben, wie Birgitte Anderberg, die Kuratorin, ohne Umschweife bekennt: »Es ist ein ikonisches Werk, das viele Menschen kennen, ohne unbedingt zu wissen, wer es geschaffen hat. Und es ist überaus aktuell, so dass es für uns naheliegend war, die Fassade zu nutzen, um eine pazifistische Botschaft auszusenden.«

Manch deutscher Besucher mag sich unwillkürlich fragen, ob ein staatliches Museum daheim in der Bundesrepublik für so ein starkes öffentliches Signal auch den Mumm hätte. Und wenn ja, was für ein moralisierendes Lamento aus etablierter Politik und Medien danach einsetzen würde. Die nächste Überraschung erfolgt gleich zu Beginn des Rundgangs durch die Ausstellungsräume – es ist voll, die Leute drängen sich geradezu. Und es sind vor allem auffallend junge Besucherinnen und Besucher. Birgitte Anderberg: »Die große Resonanz auf die Ausstellung freut uns sehr. Ja, das Publikum bei uns im Statens Museum for Kunst ist im Vergleich zu anderen Museen recht jung – fast 40 Prozent unserer Besucher sind unter 30 Jahre alt. Das gilt auch für diese Ausstellung.«

Ein Nachsatz: Im Jahr 1993 wurde auf Initiative des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl in der Berliner »Neuen Wache«, der Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik, die vergrößerte Kopie einer Plastik von Käthe Kollwitz aufgestellt. Es handelt sich um die »Pietà«, auch bekannt als »Mutter mit totem Sohn« von 1937. Gewidmet ist die Skulptur im Zentrum der Bundeshauptstadt jetzt »Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft«. Schade, dass man die Künstlerin nicht mehr fragen konnte, ob sie dieser nivellierenden Widmung ihre Zustimmung erteilt hätte. Wer ihr Werk und dessen Adressaten kennt, wird das bezweifeln. »Cancel-Culture« diesmal als eine politische Vereinnahmung?

Die Ausstellung »Mensch« mit Werken von Käthe Kollwitz wird präsentiert vom Statens Museum for Kunst Kopenhagen. Geöffnet bis 23. Februar 2025 (https://www.smk.dk).

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