Gewerbegebietsphantasien von SPD-OB-Kandidat Kornblum

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BIBS widerspricht entschieden.

Von Nils Salveter, BIBS-Vertreter im Bezirksrat Timmerlah-Geitelde-Stiddien

In einem Interview, das der Oberbürgermeisterkandidat der SPD, Herr Dr. Kornblum, der Braunschweiger Zeitung in der heutigen Ausgabe gab, wird er auf die Frage

‚Wie stehen Sie zu den Plänen für das Interkommunale Industrie- und Gewerbegebiet mit Salzgitter? Das Ganze war 2018 im Rat in Salzgitter gescheitert. Würden Sie einen neuen Anlauf nehmen?‘ mit den Worten zitiert:

„Ja, ich werde die Gespräche wiederaufnehmen.“ Es folgen fast identische Begründungen dafür, wie sie auch beim Scheitern 2018 durch den OB Markurth und eine Ratsmehrheit aus SPD/CDU/FDP und Linke vorgetragen wurden und sich seit dem Ende des vorigen Jahrtausends kaum verändert haben.

Allein – die Welt ist inzwischen eine andere geworden. Am Vorabend einer sich abzeichnenden Klimakatastrophe könnte man erwarten, dass Politiker dem Rechnung tragen. Worum geht es dagegen Herrn Dr. Kornblum? Wo möchte er gerne hin und was erwartet ihn dabei? Und erst recht uns, die Einwohner:innen Braunschweigs?

1. Wir haben immer zu wenig Gewerbegebiete für alle(s), so das immer gleiche Mantra. Nachdem der erste Anlauf zu einem interkommunalen Industrie- und Gewerbegebiet Braunschweig-Salzgitter 2018 am Widerstands Salzgitters scheiterte, wurde das Projekt „Interkommunal Braunschweig-Wolfenbüttel“ mit dem Standort Fümmelse aus der Taufe gehoben. Seit zwei Jahren herrscht darüber schreiende Stille. In diesem Jahr folgte dann „Scheppau“ an der A2 mit Helmstedt, Wolfsburg und dem Landkreis Wolfenbüttel als Partnern und mit der Beauftragung einer Machbarkeitsstudie. „Machbarkeit“ ist angesichts einer extrem einseitigen Verkehrsanbindung und um den Preis großer Schäden in der geschützten Natur ein grenzenloser Euphemismus. Dafür sei es aber „grün und „nachhaltig“, so die Protagonisten.

2. Wie vor drei Jahren gilt: Salzgitter wird gebraucht, weil es über den Großteil der Fläche verfügt und nur über Salzgitter eine Verkehrsanbindung über die Straße erfolgen kann. Mögliches Problem dabei: Salzgitter hat keinen Cent für das Projekt zur Verfügung, dafür aber Schulden in Höhe von mindestens 400 Mio Euro.

3. Wie vor drei Jahren, nur ein wenig schlimmer: Das Thema Verkehr. Täglich viertausend Autos und knapp tausend Lastwagen auf das Gelände erforderte die technische Lösung einer zweiten Autobahnabfahrt in Thiede, die der Bund bezahlen sollte. Heute, wo man den motorisierten Individualverkehr ein wenig kritischer sieht, ist das ein echtes Image- und Motivationsproblem für den Geldgeber. Inzwischen hat der Textilunternehmer Knapp Flächen in Salzgitter erworben, auf denen diese Ausfahrt hätte gebaut werden sollen. Dazu Dr. Kornblum kategorisch: „Die verkehrliche Anbindung in Salzgitter ist ideal“. Nun ja.

4. Wie vor drei Jahren gilt: während jährlich weltweit Millionen Hektar fruchtbares Ackerland der Desertifikation zum Opfer fallen, sollen vor der eigenen Haustür über 300ha von Europas ertragreichstem und fruchtbarstem Ackerland unwiederbringlich zerstört werden.

5. Wiesen und Ackerland sind wertvolle Kohlenstoffsenken; auch für Kommunen nicht ganz uninteressant, falls man ernsthaft einen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten wollte.

6. Auch in der „überdüngten Ackerscholle“ so ein SPD-naher Politikberater namens Burghartz seinerzeit, leben geschützte Tiere wie Feldhamster und Schafstelzen. Macht nichts, die kann man ja umsiedeln.

7. Schwierig, sogar extrem schwierig ist die Kompensation von Versiegelung durch Ausgleichsflächen – Braunschweig hat davon so gut wie keine mehr. Dazu Dr. Kornblum im Interview: „Wo in der Stadt versiegelt wird, muss an anderer Stelle entsiegelt werden“. Ah ja.

8. Wohl inzwischen seit mehr als drei Jahren problematisch: Nur mit mindestens 70 Millionen Landeszuschuss wäre das Projekt nach 30 Jahren den roten Zahlen entwachsen, stetiges jährliches Wachstum der Einnahmen vorausgesetzt. Bis dahin darf dann nichts, aber auch gar nichts dazwischenkommen, keine Pandemie, keine Wirtschaftskrise, Rohstoffmangel oder ein (Handels-)Krieg mit China beispielsweise.

9. Spätestens seit den Untersuchungen von Forscherinnen und Forschern vom Institut für Geoökologie der TU Braunschweig 2019 (federführend Fr. Grunwald) könnte man um die Zusammenhänge wissen (seinerzeit veröffentlichte die Bürgerinitiative SüdWest Braunschweig eine Kurzfassung). Als Politiker:in kann man das vielleicht ignorieren – das Klima wird es dafür umso weniger tun. Quintessenz der Forscher:innen: Das in Frage stehende Gebiet stellt ein wichtiges Kaltluftreservoir dar. Von ihm aus erstreckt sich eine wichtige und mächtige Kaltluftleitbahn südlich an Groß Gleidingen und Timmerlah vorbei Richtung Stadtzentrum. Das Gebiet zu bebauen, würde eine erhebliche Gefahr für das Klima im Herzen Braunschweigs darstellen, erst recht im Hinblick auf eine im Gang befindliche und zu erwartende weitere Erwärmung der Stadt. Dazu Dr. Kornblum: „Natürlich wollen wir nicht alles zubauen. Wir brauchen Frischluftschneisen.“ Ah, ja.

Anmerkung der Redaktion: Siehe hierzu auch unseren Beitrag „Stadtklima in Not – Kaltluftkorridore nicht verbauen!

10. Haben wir noch etwas vergessen? Ach ja: „eine starke Wirtschaft“, „gute Arbeitsplätze“, „nachhaltige und moderne Gewerbegebiete“, „gesundes Wachstum“. Hier wird das Denken und schlimmstenfalls Handeln aus dem vorigen Jahrtausend in wohlklingende Begriffe gefasst.

Die BIBS weist die Überlegungen des Kandidaten der SPD für das Oberbürgermeisteramt, Herrn Dr. Kornblum, entschieden zurück. Hier werden keine zielführenden zukunftsweisenden Aspekte vorgestellt, sondern es wird genau die Denkweise in die Zukunft verlängert, die uns in die heutige Misere und an den Rand einer Katastrophe geführt hat. Weder ist damit das Ziel der Klimaneutralität der Stadt Braunschweig bis 2030 zu erreichen noch der drohenden Klimakatastrophe Einhalt zu gebieten.

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