„Illusionen der Beobachtung“

0
© Kata Geibl, aus der Serie „There is Nothing New Under the Sun“, 2018-19

Von Anne Wriedt


Ausstellung von 11.Juli 2020 bis 27.September 2020

Kuratiert von Barbara Hofmann-Johnson, Leiterin Museum für Photographie Braunschweig

© Sanna Kannisto, Private Colletion, 2003, C-Print
Zur Ausstellung:
 
Die Ausstellung stellt mit Blick auf die fotografische Arbeit von drei internationalen Künstlerinnen unterschiedlicher Generationen: Daniela Comani (*1965 in Bologna, lebt in Berlin), Kata Geibl (*1989 in Budapest, lebt dort und in Den Haag) und Sanna Kannisto (*1974 FI, lebt in Helsinki) bildnerische Konzepte vor, die an soziologische, empirische, wissenschaftliche oder naturwissenschaftliche Zusammenhänge erinnern, diese aber in künstlerisch-individuelle und illusionistische Bildwelten überführen. Die farbfotografischen und schwarzweißfotografischen Arbeiten der Künstlerinnen basieren dabei auf unterschiedlichen Inszenierungsformen und interpretieren wie bei der Werkgruppe „Planet Earth:21st Century“ von Daniela Comani auch vorgefundene digitale Bilder.
 

Die italienische Künstlerin Daniela Comani bezieht sich in vielen ihrer konzeptuell mehrteilig angelegten Werkgruppen in humorvoll ebenso wie subtil kritischer Weise auf Aspekte geschlechtsspezifischer Zuordnungen in sozio-kulturell unterschiedlich geprägten Bereichen unserer Gesellschaft. Beispielhaft hierfür ist u.a. das fortlaufende Projekt „Eine glückliche Ehe“ (seit 2003), in dem die Künstlerin in unterschiedlichen Szenen des Alltags gleichzeitig als Mann und Frau erscheint. Detailliert beobachtend und humorvoll entlarvend, lässt die Werkgruppe Konnotationen des Männlichen und Weiblichen in Nuancen erkennbar werden. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl aus der Werkgruppe und stellt darüber hinaus die schon erwähnte jüngste Werkgruppe von Daniela Comani „Planet Earth: 21st Century“ 2015-19, eine Inszenierung mit Postkarten von Stadtansichten, vor. Ausgangspunkt der Werkgruppe ist die Auseinandersetzung mit den virtuellen Repräsentationsmodellen von Städten wie sie in den kartografischen 3D-Softwares bei Google und Apple im Internet eingesetzt werden, um scheinbar repräsentativ Großstädte vorzustellen. Daniela Comani manipuliert die eigentlich selektiven Bilder der digitalen Großfirmen in eigenen Ansichten.

Erstmals in einer Ausstellung in Deutschland zu sehen ist die Arbeit der ungarischen Künstlerin Kata Geibl. In ihrer mehrteiligen Werkgruppe „Sisyphus“ (2018) setzt sich die aktuell in Den Haag und Budapest lebende Künstlerin in poetisch-illusionistischen Bildern mit scheinbaren Versuchsmodellen der Wissenschaft auseinander. Ihr Titel wirkt metaphorisch und spielt auf die Diskrepanz zwischen Vertrauen in die rationale Wissenschaft und die stets sich neu ergebenden neuen Rätsel existentieller Zusammenhängen an. Wie für Sisyphus, der in der Mythologie als Strafe immer wieder einen Stein den Berg hinaufrollen muss, gibt auch die Existenz in ihren unterschiedlichen Formen der Forschung und dem Menschen immer wieder neue Rätsel auf. Die Entstehung bedrohlicher Viren wie COVID-19 sind hierfür ein aktuelles Beispiel.  An „Sisyphus“ anknüpfend, spielt auch die aktuelle Serie „There is Nothing New Under the Sun“ (2019) von Kata Geibl mit ihren bisweilen mythisch wirkenden Bildwelten auf wiederkehrende existientielle Fragestellungen an und schafft Bilder mit psychologischer Intensität. Bezugspunkt des Titels ist hierbei ein Bibelzitat (Ecclesiastes 1:9 New International Version (NIV)) 

Wie Bühnen zum Studium der Natur wirken die Szenarien, mit denen die finnische Fotokünstlerin Sanna Kannisto in ihren unterschiedlichen Werkserien der vergangenen Jahre Bildwelten schafft, in denen Insekten, Pflanzen, Vögeln u.a.m. ästhetisch in eine eigene Zeitlosigkeit überführt erscheinen. Seit etwa zwei Jahrzehnten liegt der Fokus der fotografischen Arbeit von Sanna Kannisto auf der Beobachtung von Natur und ihren besonderen Erscheinungsformen, wie sie sich in den Landschaften des Regenwaldes, der Flora und Fauna samt ihren unterschiedlichen Spezies von Reptilien, Insekten, Fröschen, Fledermäusen oder  auch in der besonderen Schönheit von Vögeln darstellt.
Während im Bereich naturwissenschaftlicher Forschung im Vordergrund steht, Pflanzen, Tiere und Phänomene der Natur über Zeiträume in ihrem jeweiligen Lebensraum und in ihrer Artenvielfalt zu beobachten, sie zu klassifizieren und Erkenntnisse mit objektivierenden Aussageansprüchen zu erlangen, geht es in den Arbeiten von Sanna Kannisto eher darum, die Besonderheit der Natur und die vom Menschen entwickelten Methoden ihrer Beobachtung, Erforschung und Wahrnehmung zu thematisieren, um diese in individuelle ästhetische Modelle zu überführen.
Die Ausstellung zeigt Arbeiten aus unterschiedlichen Werkphasen der Künstlerin, die aktuell auch eine große Überblickausstellung im Finnish Museum for Photography mit dem Titel „Sanna Kannisto: Sense of Wonder“ hat.
ARTIST TALKS:
12.09.2020, 15.00 UHR: KÜNSTLERINNENGESPRÄCH MIT DANIELA COMANI AUF ITALIENISCH + DEUTSCH
26.09.2020  15.00 UHR: FÜHRUNG DURCH DIE AUSSTELLUNG MIT DEN KÜNSTLERINNEN IN DEUTSCH/ENGLISCH

FINISSAGE: 27.09.2020, 16.00 UHR, FÜHRUNG IN ANWESENHEIT DER KÜNSTLERINNEN IN DEUTSCH/ENGLISCH

ÖFFENTLICHE FÜHRUNG: jeden Sonntag um 16 Uhr

AUSSTELLUNGSORT: Museum für Photographie Braunschweig e.V.
Helmstedter Straße 1, 38102 Braunschweig

ÖFFNUNGSZEITEN: Di – Fr 13 – 18 Uhr, Sa + So 11 – 18 Uhr
© Daniela Comani, aus der Serie: Eine glückliche Ehe, fortlaufende Serie seit 2003
Zur Ausstellung erscheinen zwei Sondereditionen des Museums für Photographie Braunschweig von Daniela Comani aus den beiden Werkreihen „Eine glückliche Ehe (A Happy Marriage)“ 2003-2020 und „Planet Earth:21st Century“, 2015-19.

Möchten Sie den Artikel kommentieren

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.