Haushalts-Blockade von Ungarn/Polen: EU-Ratspräsidentschaft sollte “Verstärkte Zusammenarbeit” starten

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Von Sven Giegold MEP Die Grünen

Heute treffen sich Ungarns Premierminister Viktor Orbàn und Polens Ministerpräsident Morawiecki in Budapest, um ihr Vorgehen zu ihrer EU-Haushaltsblockade zu beraten. Bisher blockieren die beiden Länder die Auszahlung der dringend benötigten Mittel aus den Corona-Hilfsprogrammen, weil sie den Rechtsstaatsmechanismus nicht akzeptieren. Erst im Dezember wollen die Staats- und Regierungschef/-innen dazu wieder sprechen. Laut Rechtseinschätzung des renommierten EU-Verfassungsrechtler apl. Prof. Dr. René Repasi kann die Blockade mithilfe der Regelungen zur Verstärkten Zusammenarbeit (Art. 20 TEU, Art. 326 to 334 TFEU) schon jetzt überwunden werden.

Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:

“Die EU ist nicht machtlos gegenüber dem Erpressungsversuch Polens und Ungarns. In den EU-Verträgen gibt es eine Regelung, die trotz der Blockade die schnelle Auszahlung der Hilfen ermöglicht. Die anderen 25 Länder können mittels der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit vorangehen. Die verstärkte Zusammenarbeit ist die bessere Alternative im Vergleich zu Blockade und zwischenstaatlicher Lösung außerhalb der EU-Verträge. Bei der verstärkten Zusammenarbeit wird auch das Europaparlament einbezogen, die europäische Demokratie wird also nicht geschwächt. In der verstärkten Zusammenarbeit können die 25 Länder das Wiederaufbauprogramm samt der Finanzierung aus gemeinsamen Anleihen ohne Ungarn und Polen beschließen. Damit könnte die Auszahlung der Hilfen schnell beginnen.

Ungarn und Polen würden aus dem Programm keine Mittel erhalten und müssten ihren Bürgern erklären, warum sie leer ausgehen. Gleichzeitig könnte der Rechtsstaatsmechnismus mit einer qualifizierten Mehrheit im Ministerrat beschlossen werden. Hier haben Polen und Ungarn kein Vetorecht. Anders als beim Wiederaufbauprogramm würde der Rechtsstaatsmechanismus dann aber auch für Polen und Ungarn gelten und die Haushaltsmittel wären von nun an stärker an Rechtsstaatlichkeit gebunden. Auch der EU-Haushalt selbst wäre nicht hoffnungslos verloren. Den neuen Haushalt würden Polen und Ungarn zwar weiterhin blockieren, aber der alte Haushalt kann monatsweise fortgeschrieben werden, bis eine Lösung gefunden ist. Die deutsche Ratspräsidentschaft sollte jetzt eine verstärkte Zusammenarbeit initiieren, damit die Coronahilfen schnell fließen können. Die Wirtschaftskrise wartet nicht auf Polen und Ungarn.

Die Vorteile eines solchen Modells liegen auf der Hand: Das Geld aus dem Wiederaufbau könnte schnell fließen, der Rechtsstaatsmechnismus wäre beschlossen und der Haushalt gesichert. Es geht darum, Druck aus dem Kessel zu nehmen. Die Regierungen in Warschau und Budapest müssten jedoch vor ihren Bürgern und Unternehmen rechtfertigen, warum sie erstmal keine Unterstützung bekommen. Damit würde das Bild der selbsternannten Kämpfer für nationalstaatliche Souveränität sehr schnell bröckeln.

Die verstärkte Zusammenarbeit ist ein viel besseres Instrument als eine rein zwischenstaatliche Vereinbarung außerhalb der EU-Verträge. Das hatte niederländische Ministerpräsident Rutte als Lösung vorgeschlagen hat. Ruttes Vorschlag bedeutet eine inakzeptable Schwächung des Europaparlaments. Bei der verstärkten Zusammenarbeit bleibt das Parlament am Verhandlungstisch. Das Parlament hat sich in den bisherigen Verhandlungen als zuverlässiges Gegengewicht zu den nationalen Partikularinteressen erwiesen. Wer eine echte europäische Lösung möchte, darf das Europaparlament nicht außen vor lassen.“

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